Hennefeld: Kirchen müssen gegen Antisemitismus aufschreien
Kirchen müssten jedem Rassismus entgegentreten und "aufschreien", wo Antisemitismus emporkommt: Das hat der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, beim offiziellen Gottesdienst zum Abschluss der "Weltgebetswoche um die Einheit der Christen" am Donnerstagabend in Wien betont. "Jüdinnen und Juden in Österreich sollen wissen: sie sind nicht allein. Die Kirchen stehen an ihrer Seite." Wachsamkeit und Solidarität seien angesagt, "wenn unsere jüdischen Geschwister betroffen sind", sagte der Landessuperintendent der evangelisch-reformierten Kirche in seiner Predigt in der serbisch-orthodoxen Kirche Neulerchenfeld.
Explizit nahm Hennefeld damit auf den "Fall Landbauer", ausgelöst durch antisemitische Texte im Liederbuch der schlagenden Burschenschaft "Germania", Bezug. Die antisemitischen Texte in einem Liederbuch der Wiener Neustädter Burschenschaft - wo der niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidat Udo Landbauer bis zuletzt Mitglied war, bevor er dies nach Öffentlichwerden des Skandals "ruhend stellte" - seien "Ergüsse des Hasses und der Menschenverachtung", sagte Hennefeld. Er sei den Journalisten dankbar für die Aufdeckung des Falles, bei dem nun die Staatsanwaltschaft vorerst gegen Unbekannt wegen Verstößen gegen das NS-Verbotsgesetz ermittelt. Auch in Zukunft seien derartige "Enttarnungen" wichtig, so der ÖRKÖ-Vorsitzende. Kirchen müssten das Ihre dazu beitragen, dass solches Gedankengut keinen Platz in der Gesellschaft finde.
Gefragt sei in diesen Tagen auch eine dementsprechende Haltung von Christen gegenüber der Regierung, betonte der Landessuperintendent. Wenn etwa Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) - just 80 Jahre nach dem "Anschluss" an Hitler-Deutschland - zuletzt davon gesprochen habe, Asylwerber "konzentrieren zu wollen", spiele er dabei nicht nur an die "dunkelste Zeit unserer Geschichte" an, sondern auch an damit verbundene Maßnahmen, zeigte sich Hennefeld überzeugt: "Anscheinend sollen tausende Menschen aus Familien, in denen sie integriert sind, herausgerissen werden und an einen anderen Ort gebracht werden."
Die Kirchen dürften nicht "darauf warten, bis es der Regierung einfällt, auch andere Gruppen auszusondern, nur weil jetzt von uns niemand betroffen ist", so der ÖRKÖ-Vorsitzende. Wo Menschen in Länder abgeschoben werden, in denen sie Gefahr der Verfolgung ausgesetzt seien, müsse man protestieren, meinte er mit Blick auf die jüngsten Abschiebungen gut integrierter Familien mit negativem Asylbescheid. Besonders würdigte Hennefeld die in der Vorwoche verstorbene Ute Bock: Die prominente Wiener Flüchtlingshelferin habe zu Lebzeiten bedauert, dass viele in Österreich noch nicht verstanden hätten, "dass Flüchtlinge in erster Linie Menschen sind, die vor Hunger und Mord fliehen". Wegschauen und Abschieben sei dabei keine Option.
An dem Ökumene-Gottesdienst nahmen zahlreiche Spitzenvertreter der christlichen Kirchen in Österreich teil, darunter u.a. als Gastgeber der Bischof Andrej Cilerdzic (serbisch-orthodox), Weihbischof Franz Scharl und Domdekan Rudolf Prokschi (katholisch), Bischof Michael Bünker (evangelisch-lutherisch), Bischofsvikar Nicolae Dura (rumänisch-orthodox), Bischof Heinz Lederleitner (altkatholisch), Militärseelsorger Alexander Lapin (orthodox), Pastor Walter Klimt (Baptisten), Pastorin Ester Handschin (Methodisten), Chorepiskopos Emanuel Aydin (Syrisch-orthodoxe) und Bischofsvikar Patrick Curran (Anglikaner).
"Aufruf zum Massenmord"
Mit einer direkten Aufforderung die Zusammenarbeit "mit allen, die Mitglieder rechtsextremer Burschenschaften in ihren Büros beschäftigen" zu beendigen, haben sich unterdessen zahlreiche Universitäts-Rektoren und -Professoren in einem Offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gewandt. Das NS-verherrlichende "Germania"-Liederbuch enthalte einen "Aufruf zum Massenmord, der als solcher behandelt werden muss", heißt es darin: "Wir dürfen nicht zuwarten, bis dem verbal ausgedrückten Hass nicht nur wie bisher vereinzelte Gewalt, sondern wieder flächendeckend Taten folgen."
In Österreich schreite eine "Normalisierung des Rechtsextremismus" voran, warnen die Unterzeichner des Briefes, zu denen auch die Theologen Heinrich Schmidinger, Andrea Lehner-Hartmann, Rudolf Langthaler, Gerhard Marschütz, Johann Pock sowie Gunter Prüller-Jagenteufel und Agnethe Siquans gehören. Jegliche Reaktionen wirkten "wie augenzwinkernde Distanzierungen", würde zugleich nicht die Zusammenarbeit mit allen beendet, "die in rechtsextremen Medien publizieren oder bei rechtsextremen Veranstaltungen auftreten". Kanzler Kurz hatte sich zuvor für "volle und rasche Aufklärung" ausgesprochen; die Verantwortlichen des Liederbuches müssten "die volle Härte des Gesetzes spüren", sagte er der Austria Presse Agentur (APA).
Theologe entsetzt über "Anbiederung"
Mit noch schärferen Worten forderte der Fundamentaltheologe Wolfgang Treitler in einem Blogeintrag christlichen Widerstand gegen antisemitische Tendenzen und Ideologen des Rechtsextremismus. Dass deren Proponenten viel Zustimmung erhielten, erschrecke ihn, wie auch die "Anbiederung von sogenannten Christlichsozialen, die in ihrer Herkunft gleichfalls massiven Judenhass haben" und die "Dumpfheit von Wählern, die das alles für ein Spiel oder zumindest für eine Laune halten", so der Wiener Universitätsprofessor.
Landbauer und seine Gesinnungsfreunde setzen auf Kollaboration der vielen, die sich nicht viel denken, wenn sie mitheulen - gegen Ausländer, Arbeitslose, und gegen Juden.
Landbauer repräsentiere jenes rechtsradikale Gedankengut, das aus der NS-Ideologie direkt abzuleiten ist, warnte Treitler. Die gesamte FPÖ lebe - trotz "geschmeidiger Worte" - diese Atmosphäre.
In Hinterzimmern wird geübt und gesungen und der Massenmord gefeiert als Stimulans für Menschen, die ihre widerlichen Ressentiments gegen alles, was sie nicht sind und was sie nicht bestimmen, in sich tragen.
Die in den Burschenschafts-Liedern offenbarte Haltung dulde den Massenmord an Juden und lechze nach seiner Fortsetzung, wobei eine davon geleitete Politik die "öffentliche Intention und nach Möglichkeit auch Organisation von Vernichtung" sei. Sie stimme überein mit den "Mördern von gestern" und ahme deren "nicht ganz gelungene Endlösung" nach, in der Hoffnung auf deren Vollendung.
Treitler schloss mit einer eindringlichen Warnung an die Bevölkerung:
Wähler solcher Mordsheuler haben niemals Recht. Wer mit dem Mord paktiert, wird ihm verfallen. Denn noch immer sind die Mörder schließlich auch über ihre Unterstützer hergefallen.
Illusionen seien hier mit Blick auf die Menschheitsgeschichte nicht mehr erlaubt.
Quelle: kathpress