Henckel-Donnersmarck: Westen darf Muslime nicht verletzen
Für den Dialog mit dem Islam kommt es nach Ansicht des Heiligenkreuzer Altabts Gregor Henckel-Donnersmarck auf eine "Reziprozität" an wie auch auf das Bemühen, Empfindlichkeiten der Muslime nicht zu verletzen. Das hat der frühere Nationaldirektor der Päpstliche Missionswerke (missio Österreich), der am Dienstag seinen 75. Geburtstag feiert, im Interview dem Nachrichtenmagazin "profil" (15. Jänner) dargelegt. Muslimen sollte man mit derselben Rücksicht begegnen wie dies gegenüber Juden bereits der Fall sei, um sie so "aus dem Ghetto herauszuholen", so der einstige Geschäftsführer eines Großunternehmens, der dann mit 34 Jahren in den Zisterzienserorden eintrat.
Bei der oft konfliktreichen Begegnung zwischen den Religionen würden die "good news" in den Medien oft untergehen, kritisierte der Ordensmann, der an den Sturm nach der Regensburger Rede von Papst Benedikt XVI. vor zwölf Jahren erinnerte. "Er hatte in dieser Rede ein Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II. verwendet, das völlig missverstanden wurde. Es kam zu heftigen Protesten, zu Mordaufrufen gegen den Papst, einzelne Priester und Nonnen wurden umgebracht." Kaum erwähnt werde jedoch, dass Papst Benedikt daraufhin die Botschafter der islamischen Staaten zum Gespräch gebeten habe. Daraus sei ein dauerhafter Dialog zwischen Christentum und Islam entstanden, den auch Papst Franziskus unterstütze.
Differenziert äußerte sich Henckel-Donnersmarck zum Thema der Verletzung religiöser Gefühle. Aus "christlichem Eigeninteresse" halte er es für "grundsätzlich falsch, dass wir in der westlichen Welt keinerlei Schutz für religiöse Gefühle mehr kennen", sagte der Ordensmann. Derartige Gefühle von Anhängern jeder Religion seien "empfindlich", und es bestehe ein "berechtigtes Schutzbedürfnis". So entschieden der "grauenhafte" Terroranschlag auf "Charlie Hebdo" auch abzulehnen sei, halte er es dennoch als falsch, wie diese Zeitschrift über religiöse Gefühle und Glaubensinhalte herziehe und dabei auch das Christentum "bloßgestellt, verspottet, niedergemacht" werde. Die richtige Reaktion darauf sei, mit rechtlichen Mitteln dagegen vorzugehen, doch hätten Frankreichs Bischöfe mit ihren jahrzehntelangen Klagen gegen das Satiremagazin im laizistischen Frankreich nie Gehör gefunden.
Die freie Meinungsäußerung gelte es als Recht zu verteidigen. Es handle sich dabei aber nicht um ein "absolutes Recht, das sich gegen alle anderen Rechte durchsetzt", mahnte der Altabt, der zugleich zu "Taktgefühl gegenüber anderen Menschen" aufrief. Sehr froh sei er darüber, dass das Judentum hierzulande nach der "Nazi-Katastrophe" und dem Holocaust mehr nicht verspottet werde. Mit gleicher Rücksicht sollte man auch den Muslimen begegnen, "um sie nicht in die Gewalt zu treiben", denn "Verletzung von Empfindlichkeiten führt zur Gewalt".
Muslime aus "Ghetto" befreien
Christen sollten zuerst einmal "respektvoll über den Propheten Mohammed reden": Dies würde den "Dialog, den wir dringend brauchen, um uns den Muslimen verständlich zu machen und sie aus ihrem Ghetto herauszuholen", maßgeblich erleichtern, sagte der Zisterziensermönch. Den heutigen "Anpassungsschwierigkeiten der Muslime" gelte es zudem mit Verständnis zu begegnen: Auch die katholische Kirche habe in der Neuzeit "eine schwere Krise durchgemacht", als die historisch-kritische Erforschung der Heiligen Schrift zunächst als Bedrohung empfunden worden sei. Letztlich habe es sich dabei aber um einen "reinigenden Prozess" gehandelt. Diese schwere Krise durch Erforschung der "Heiligen Schrift Koran" stehe dem Islam noch bevor, wobei die Christen den Muslimen in dieser Frage "vielleicht sogar helfen" könnten.
Mit zahlreichen weiteren Hürden müsse die Religionsbegegnung zurechtkommen: Imame wünschten sich "gläubige Christen als Gesprächspartner", sie fänden aber stattdessen "aber nur eine belanglose Allerweltsgesellschaft vor, der jede Religion verdächtig ist", so die Erfahrung des Heiligenkreuzer Altabts. Dazu kämen Erinnerungen an den Jugoslawien-Krieg, als "plötzlich auf europäischem Boden Moscheen zerstört wurden, auch Kirchen, um die kulturell-ethnische Identität der jeweils anderen auszuradieren. Das hat natürlich in der muslimischen Welt, von Marokko bis Indonesien, ungeheure Empörung ausgelöst."
Henckel-Donnersmarck räumte ein, dass es migrationsbedingt starke Veränderungen im europäischen Islam - darunter auch Radikalisierung - gebe. Er begrüßte in diesem Zusammenhang das neue Islamgesetz, das die Unterstützung österreichischer islamischer Gruppen durch ausländische Organisationen verbiete. Während es ursprünglich in dem Gesetz um Bosniaken gegangen sei, adressiere es heute vor allem Zuwanderer aus verschiedenen Ländern Nordafrikas und des Vorderen Orients.
Reziprozität ein Anliegen der Päpste
Als wichtiger Punkt gegen eine Ausbreitung des Fundamentalismus unter den in Europa lebenden Muslimen erachtete Henckel-Donnersmarck, den Verantwortlichen Reziprozität vorzuschlagen: "Wenn wir den Saudis erlauben, in Österreich Moscheen zu bauen, dann müssten die Saudis uns erlauben, in Saudi-Arabien Kirchen zu bauen. [...] Wir sollten - weil wir dazu stark genug sind - in diesen Fragen immer von uns aus den ersten Schritt tun und sagen: Es ist jetzt eure Aufgabe, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen." Er sehe auch den von Papst Benedikt XVI. angestoßenen "Dialog auf Augenhöhe" als Schritt in diese Richtung. Dem nunmehr emeritierten Pontifex wie auch dessen Nachfolger Franziskus seien Reziprozität "ein echtes Anliegen".
Wenig hält der Altabt von einer "sehr selbstkritischen eurozentrischen Schuldhaltung" im Blick auf Reconquista, Kreuzzüge und Türkenkriege: "Die Kreuzzüge waren die Reaktion auf die zunehmende Unterdrückung und Vertreibung von Christen, die 600 Jahre lang das Gebiet von Persien bis Marokko dominiert hatten. Den Kreuzzügen ist ein jahrhundertelanger islamischer 'Kreuzzug' gegen das Kreuz vorangegangen. Christen wurden vertrieben, zwangsislamisiert oder gemeuchelt. Ich lehne Gewalt ab, aber am Beginn des 'Islamischen Staates' in Syrien hatte ich plötzlich Verständnis für den Ruf nach einem militärischen Eingreifen, als die Christen in Syrien um Hilfe riefen."
Europa verübt "Selbst-Genozid"
Europa hätte in Syrien jedoch gar nicht militärisch intervenieren können, auch aufgrund seiner "moralischen Schwäche": Der Kontinent habe sich "durch Empfängnisverhütung und Freigabe der Tötung ungeborener Menschen im Mutterleib in einen Selbst-Genozid gebracht", so der Ordensmann. Entstanden sei dadurch ein "Vakuum" und ein "Sog", stünden doch nun die Arbeitskräfte "in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten millionenfach bereit". Die Kirche wolle jedoch gar keine Demografie betreiben, einzig gehe es ihr "um die Würde von Frau und Mann in der Ehe und das Recht auf Leben", betonte Henckel-Donnersmarck.
Vom Manager zum Mönch
Henckel-Donnersmarck wurde am 16. Jänner 1943 als Ulrich Maria Karl Graf Henckel von Donnersmarck im schlesischen Breslau geboren. Nach der Flucht siedelte sich seine Familie 1945 zunächst in Bayern und dann in Kärnten an. Henckel-Donnersmarck studierte in Wien an der Hochschule für Welthandel und spondierte zum Diplomkaufmann und war dann bei der Speditionsfirma Schenker tätig, ab 1973 als Geschäftsführer für die spanische Niederlassung.
1977 trat er als Novize im Stift Heiligenkreuz ein, nahm den Ordensnamen Gregor an und studierte Theologie. 1982 zum Priester geweiht, war er ab 1986 Prior in Stift Rein und ab 1992 Assistent des Zisterzienser-Generalabtes in Rom, ehe er von 1994 bis 1999 die Päpstlichen Missionswerke in Österreich als Nationaldirektor leitete. Am 11. Februar 1999 wählte ihn der Konvent von Heiligenkreuz zum 67. Abt des Stiftes; dieses Amt übte er bis 2011 aus. Von 2003 bis 2007 war er zudem Abtpräses der Österreichischen Zisterzienserkongregation.
Quelle: kathpress