In Seelsorge Gelegenheiten nutzen statt Krise beschwören
Im Leben jedes Menschen bieten grundlegende existenzielle Erfahrungen wie Geburt und Tod, Krisen und Krankheit Ansatzpunkte für Seelsorge; solche Anlässe gelte es für eine "okkasionale Pastoral" zu nutzen statt sich in permanenter Kirchenkrisendiagnostik zu verlieren. Dazu rief der Würzburger Pastoraltheologe Johannes Först im Eröffnungsvortrag der diesjährigen Österreichischen Pastoraltagung im Salzburger Bildungszentrum St. Virgil die rund 320 Teilnehmer auf. Wer im Blick auf Kirche und Glaubensleben ständig "nur noch..." und "nicht mehr" sagt - "eine kommunikationstheoretische Katastrophe!" -, verpasse Chancen zur Weitergabe des auch in der Säkularisierung relevanten Gottes, so Först.
Das Plädoyer des deutschen Theologen für eine "Pastoral existenzieller Herausforderungen" verfolgten am Donnerstag rund 320 Teilnehmende mit, darunter die Bischöfe Franz Lackner (Salzburg), Alois Schwarz (Gurk), Wilhelm Krautwaschl (Graz) und Manfred Scheuer (Linz), weiters Altbischof Maximilian Aichern (Linz) und der Generalsekretär der Bischofskonferenz, Peter Schipka. Thema der größten, bis Samstag andauernden Seelsorge-Fortbildungsveranstaltung in Österreich, ist diesmal "Der Hoffnung Räume öffnen".
Die Geburt eines Kindes habe für jedes Elternpaar "existenzielle Wucht", der Tod eines geliebten Menschen löse Fragen aus wie "Kann das alles gewesen sein?", wies Först hin. Es sei schlichtweg falsch, dem Wunsch nach kirchlicher Präsenz bei solchen Lebenswenden, der auch bei sonst Kirchendistanzierten aufkommt, mit Abwertungen zu begegnen wie "Die wollen ja nur ein schönes Fest" oder eine liturgische Verbrämung. "Hier geht es um viel mehr", hielt Först fest.
Menschen sind transzendenzoffen
Und den Grund dafür sieht der Theologe in der Anthropologie, näherhin einer grundlegenden Transzendenzoffenheit des Menschen, der sich als einziges Lebewesen seiner Endlichkeit bewusst ist. Nicht umsonst habe der große Theologe Karl Rahner formuliert: "Aber eigentlich existiert der Mensch nur, wo er wenigstens als Frage, wenigstens als verneinende Frage 'Gott' sagt." Das bestätige der US-amerikanische Psychoanalytiker und Schriftsteller ("Und Nietzsche weinte") Irvin D. Yalom, wenn er das Menschsein im "Bewusstsein der letzten Angelegenheiten" verorte und die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit als "schmerzhaft, aber heilsam" beschreibe.
Freilich sei Erlebbarkeit und existenzielle Relevanz heute das wichtigste Qualitätskriterium von Religion, abgehobene Lehrsätze, die erst auf die Lebenspraxis "herunterzubrechen" seien, sind laut Först obsolet. Der Glaube dürfe heutzutage nicht "formelhaft" begegnen, er müsse konkret und spürbar werden.
Leichter als in "XXX-Large-Pfarren", die in Reaktion auf den Priestermangel zunehmend gebildet werden, kann das nach Einschätzung des Pastoraltheologen in kleinen Gemeinden, die neben der Kompetenz des Priesters auch auf jene von Laienmitarbeitern setzen. Först sähe hier, wie er in der Diskussion sagte, auch einen Ansatzpunkt für ein ausdifferenziertes Amtsverständnis in der Kirche, das auch die Begabungen von Pfarrgemeinderatsmitgliedern oder Pastoralassistentinnen stärker wahrnimmt.
Von einer "Gotteskrise" in der gegenwärtigen Gesellschaft wollte der Referent nichts wissen. Der Gott der Exoduserzählung, der befreit und rettet, sei auch in der säkularen Lebenswirklichkeit präsent: "Es liegt an uns, ihn zu finden."
Schwarz: Seid "Türöffner für Hoffnungsräume"
Der in der Bischofskonferenz für das veranstaltende Österreichische Pastoralinstitut (ÖPI) zuständige Kärntner Bischof Schwarz nahm in der liturgischen Eröffnung auf das zentrale Tagungsthema Hoffnung als menschliches Konstitutivum Bezug. Der Philosoph Ernst Bloch habe nach dem Weltkrieg dieses "Prinzip" ebenso beschworen wie das Zweite Vatikanische Konzil mit dem so gar nicht geplanten und vorbereiteten "Hoffnungsdokument" "Gaudium et spes". Und auch die beiden letzten Päpste hätten um die zentrale Bedeutung der Hoffnung gewusst, so Schwarz: Benedikt XVI. setzte in einer Enzyklika Glaube mit Hoffnung gleich, Franziskus habe in der ihm eigenen bildhaften Sprache gemeint: "Hoffnung ist nichts für Menschen mit vollem Magen", sondern - so die Deutung des Kärntner Bischofs - für solche, die Sehnsüchte haben und "noch zu träumen wagen". Die Teilnehmer der Pastoraltagung rief Schwarz auf, als "Türöffner für neue Hoffnungsräume" zu fungieren.
Als Referenten sind bei der noch bis 13. Jänner währenden Pastoraltagung u.a. die Direktorin des Katholischen Bibelwerks Österreich, Elisabeth Birnbaum ("Hoffnung in der Bibel"), der Bioethiker und Moraltheologe Matthias Beck ("Hoffnung - eine Tugend für den aufgeklärten Menschen?") und der Weihbischof von Erfurt, Reinhard Hauke, im Einsatz: Letzterer berichtet über "innovative liturgische Projekte", die sich auch an Nichtchristen richten.
Ein methodisches Novum der Pastoraltagung 2018 sind "Ateliers" zu ausgewählten Themenbereichen: Schwerpunkte sind Hoffnungsräume in gesellschaftlichen Brennpunkten, die Schöpfung als "Welt ist voller Lösungen", das Alter sowie der Hoffnungsraum "missionarische Kirche". Dabei begleiten Fachleute wie die Politologin Margit Appel, der Caritas-Flüchtlingsexperte Rainald Tippow, Moraltheologe Michael Rosenberger und Pastoraltheologin Hildegard Wustmans. (Info: www.pastoral.at/pastoraltagung)
Quelle: kathpress