Bischöfe betonen zum Jahreswechsel "freie Kirche in freiem Staat"
Tausende Katholiken haben am Sonntagabend in den Domkirchen an den traditionellen Jahresabschlussgottesdiensten teilgenommen. In ihren Silvesterpredigten riefen die österreichischen Bischöfe zu einem von christlicher Hoffnung getragenen optimistischen Übergang ins neue Jahr auf, gingen aber auch auf den schleichenden Prozess des Glaubensverlustes in der Gesellschaft ein. Kardinal Christoph Schönborn erinnerte im mit rund 5.000 Gläubigen dicht gefüllten Wiener Stephansdom die Christen, den Frieden in die Welt zu tragen. Wo christliches Vertrauen wirklich gelebt werde, "gelingt das Miteinander in Kirche und Gesellschaft", sagte der Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl.
Mehrere Bischöfe machten außerdem - teils mit Blick auf das beginnende Republiksjubiläumsjahr - das Verhältnis von Staat, Kirche und Gesellschaft zum Thema und sprachen zum Jahreswechsel auch Politisches an. Hinsichtlich des Flüchtlingsthemas wurde der neue Innsbrucker Bischof Hermann Glettler besonders deutlich. Er ortete vor dem Hintergrund der Wahlkämpfe des abgelaufenen Jahres eine "unselige Allianz der großen Parteien zulasten von Menschen, die als Fluchtreisende gekommen sind und sich nichts sehnlicher wünschen als eine neue Heimat mit realen Zukunftsperspektiven".
Diese Menschen seien "als Bedrohung für den Frieden in unserem Land gebrandmarkt" worden, kritisierte Glettler bei der Jahresschlussandacht im Innsbrucker Dom. Sozialleistungsbezieher hätten sich zudem den pauschalen Vorwurf des "Sozialschmarotzertums" gefallen lassen müssen, sagte der Bischof. Er hoffe, so Glettler, dass "diese unverantwortliche Marginalisierung der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft nicht salonfähig wird".
Erzbischof Franz Lackner kritisierte in seinem Jahresrückblick die jüngste Verfassungsgerichtshof-Entscheidung zur "Ehe für alle".
Es scheint so zu sein, dass Unterschiede nur mehr als Diskriminierung gesehen werden müssen
meinte er im Salzburger Dom. Er wolle klarstellen, fügte der Erzbischof hinzu, dass die Kirche zur Diskriminierung von gleichgeschlechtlich empfindenden Menschen "gewiss beigetragen" habe:
Dafür wollen wir uns - wo immer dies geschehen ist - entschuldigen.
Die Ehe, als Keimzelle des Lebens sei jedoch "eine menschlich göttliche Errungenschaft, vergleichbar mit der Würde der Person", betonte Lackner: "So müssen wir kritisch fragen: Warum gelingt es gesetzgebenden Körperschaften nicht, in einer immer mehr plural werdenden Gesellschaft altbewährte Institutionen zu schützen, ohne zugleich neuen Lebensgemeinschaften den nötigen Rechtsrahmen zu versagen?"
Der Glaube sei "auf allen Ebenen eine dem Leben dienliche Kraft", "Schule des Vertrauens" und "wichtig für das Gelingen und Funktionieren von Gesellschaft, Wirtschaft und den ganz persönlichen Lebensvollzügen", sagte der Salzburger Erzbischof an anderer Stelle in seiner Silvesterpredigt. In der sehr vom Individualismus geprägten heutigen Zeit, werde Religion aber "mehr und mehr ins rein Private abgedrängt", beklagte Lackner. "Offensichtlich können Einzelne hohe moralische Standards aufrecht halten und zugleich areligiös sein. Dass Zivilisationen das können, bezweifle ich", zitierte er den Philosophen Leszek Kolakowski (1927-2009).
Basierend auf der Katholischen Soziallehre wolle sich die Kirche auch in den gesellschaftspolitischen Diskurs einbringen, so Lackner weiter. Es gehöre zum Grundauftrag von Christen, einen Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. "Mit Papst Franziskus müssen wir Anwälte sein für Menschen an den Rändern der Gesellschaft", sagte der Erzbischof.
Krautwaschl: "Freie Kirche in freiem Staat"
Wo die christliche Botschaft von Hoffnung und Vertrauen wirklich gelebt werde, "gelingt das Miteinander in Kirche und Gesellschaft", sagte Bischof Wilhelm Krautwaschl bei der Jahresschlussandacht im Grazer Dom, die er unter das Motto "Fürchte dich nicht" stellte. Dieses Vertrauen sei dabei kein "blindes Vertrauen", sondern stelle das eigene Leben für die Menschen in eine Perspektive, das Dasein im Lichte der verheißenen Ewigkeit zu sehen.
Das bevorstehende Jubiläum zur Gründung der Republik Österreich vor 100 Jahren ist für Krautwaschl auch Anlass, "zu erfassen, was es in der Tiefe wirklich bedeutet, eine 'freie Kirche in einem freien Staat' zu leben". Die katholische Kirche habe gelernt, sich als "Gemeinschaft in der Gesellschaft" zu verstehen, müsse dementsprechend aber auch "immer wieder ihre Stimme zu gesellschaftspolitischen Themen erheben". Wer daraus einen Machtanspruch ableite, führe diese Trennung ad absurdum, so der Bischof. Krautwaschl zitierte dazu Papst Franziskus, der sagte: "Der Einsatz für das Gemeinwohl ist ein Muss für einen Christen. Und häufig ist der Weg dazu eben die Politik."
"Regierung braucht auch Blick auf Schwache"
Auf die neue Regierung und das Republiksjubiläum ging auch Bischof Manfred Scheuer bei der Jahresdankandacht im Linzer Mariendom ein. Er richte aus christlicher Perspektive an die Entscheidungsträger die Erwartung, "dass mit Augenmaß und mit Blick auf alle Menschen, das heißt auch und gerade im Blick auf Schwache und Verwundbare, das Land gestaltet wird", sagte der Bischof.
Die vergangenen Monate hätten gezeigt, dass Österreich eine lebendige Demokratie mit funktionierenden demokratischen Institutionen sei. "Das sagt sich leicht", meinte Scheuer, aber: "Lassen wir uns nicht täuschen - es ist alles andere als selbstverständlich", mahnte er zum Blick auf "Unterdrückerregime", Einschränkungen der Presse- und Versammlungsfreiheit und "politischen Beschneidungen einer an und für sich unabhängigen Justiz" in anderen Ländern.
Vor dem Hintergrund des nahenden 80. Jahrestags des "Anschlusses" Österreichs an Nazi-Deutschland erinnerte Scheuer zudem an die "Abgründe" der österreichischen Geschichte: "2018 wird somit ein Gedenkjahr des Beginns - 100 Jahre Republik - aber auch der Fragilität eines demokratischen Systems, einer auf Grund- und Menschenrechten aufbauenden Gesellschaft."
Die Kirche müsse sich "über den binnenkirchlichen Tellerrand hinausbegeben", sagte der Diözesanbischof angesichts des 2017 in der Diözese Linz gestarteten Zukunftsweges "Kirche weit denken". Neben dem Bemühen, kirchlich Engagierte in ihrem Tun zu stärken und neue Perspektiven aufzuzeigen, müssten auch die spirituell Suchenden und kirchlich Fernstehenden ernst genommen werden. "Viele Menschen, die sich der Kirche zugehörig fühlen und sich selbstverständlich als Christ bezeichnen" wüssten "den Schatz, der ihnen damit mitgegeben ist" nicht mehr zu deuten. Hier gelte es entsprechende Anknüpfungspunkte zu schaffen.
Küng: "Gewaltige" Umbrüche in Gesellschaft und Kirche
Er sei dankbar dafür, in einem Land zu leben, "in dem es zwar unübersehbar Tendenzen gibt, die darauf hinweisen, dass die christlichen Wertevorstellungen nur mehr teilweise vorhanden sind, in dem aber doch die Freiheit des Gewissens gegeben ist", sagte der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng in seiner Silvesterpredigt. Die aktuellen gesellschaftlichen und kirchlichen Umbrüche seien "gewaltig", so Küng:
Es ist sicher angebracht, den Beistand des Heiligen Geistes zu erbitten und die Zuversicht des Glaubens tief in unseren Herzen zu verankern.
Wie die meisten anderen Bischöfe ließ Küng mehrere Großereignisse aus der Welt- und Ortskirche im zu Ende gehenden Jahr Revue passieren, darunter die Pfarrgemeinderatswahl und das Jubiläum zu "100 Jahre Fatima". Die Feiern zum 70-jährigen Bestehen der Gebetsgemeinschaft "Rosenkranz-Sühnekreuzzug" wiederum hätten bewusst gemacht, "dass wir nicht aufhören dürfen, für unser Land und seine Bewohnern zu beten, damit wir unsere Freiheit bewahren, die in unserer Zeit nicht so sehr von politischer Seite bedroht ist, sondern durch uns selbst, wenn Konsumismus und Materialismus überhand nehmen und wir Gefahr laufen, in andere Arten von Knechtschaft zu geraten". Auch das abgeschlossene Bedenkjahr zu "500 Jahre Reformation" sei "in gewissem Sinne zu einem Gnadenjahr" geworden, meinte der St. Pöltner Bischof. Es habe bewusst gemacht, welch große Krisen, die Kirche in der Geschichte schon überstanden hat und dass Martin Luther "mit seiner Revolution, die an sich sehr schmerzhaft war, auch Gutes ausgelöst und bewirkt hat". Er sei dankbar für die innere Annäherung der Konfessionen seither, so Küng, auch wenn in der Ökumene weiterhin wichtige Fragen offen blieben.
Ähnlich positiv äußerten sich die Bischöfe Lackner und Glettler in ihren Predigten über das Reformationsjubiläum. "Wir haben in neuer Weise erfahren, dass wir einen gemeinsamen Auftrag in unserer Gesellschaft haben", sagte etwa der Innsbrucker Bischof Glettler.
Elbs und Schwarz: Mutig und solidarisch ins neue Jahr
Zu "mutigen Schritten in das neue Jahr" und einer Haltung der Dankbarkeit mit Blick auf Vergangenes wie Kommendes rief der Vorarlberger Bischof Benno Elbs auf. Im Feldkircher Nikolausdom erinnerte er dazu an die Worte "Vergangenheit verantworten - Zukunft gestalten" des im NS-Regime ermordeten lutherischen Theologen Dietrich Bonhoeffer (1906-1945). "Das Vergangene zu verantworten, das kann bedeuten: nicht erinnerungslos vom einen ins andere übergehen, sondern bewusst stehen bleiben, zurückschauen und reflektieren, um so das Kommende zu gestalten", sagte Elbs. Wer einen "wachen Blick hat für die Wunden der Welt" habe und auch "das Gute, das man erlebt hat, nicht vergisst" könne "mutig in die neuen Zeiten aufbrechen".
Diese Haltung gilt für den Feldkircher Bischof auch für seine Vorarlberger Diözese, die 2018 ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Die zahlreichen Veranstaltungen dazu sollen, so Elbs, "die Lebendigkeit der Botschaft Jesu zum Ausdruck bringen, die Vielfalt der Talente und Begabungen der Menschen in der Kirche aufleuchten lassen, die Pfarrgemeinschaft vor Ort stärken, eine Kultur des Miteinanders fördern und den sozialen Auftrag der Kirche hervorheben".
Nächstenliebe und soziale Kompetenz ließen sich auch im Zeitalter der sozialen Medien nicht digitalisieren, sondern müssten konkret gelebt und praktiziert werden, erinnerte der Kärntner Bischof Alois Schwarz beim Jahresschluss-Gottesdienst im Klagenfurter Dom.
Um die Zukunft gestalten zu können, brauchen wir in der Gegenwart wache Sinne und mehr Aufmerksamkeit füreinander, mehr Miteinander und persönliche Begegnungen und Gespräche.
sagte Schwarz und appellierte zu mehr Sensibilität, Solidarität, Wertschätzung und respektvollen Umgang.
"In der Gegenwart beginnt das Abenteuer der Hoffnung", meinte der Bischof und rief dazu auf, "bewusst in der Gegenwart zu leben und diese verantwortungsvoll zu gestalten". "Wer auf Jesus Christus vertraut, erfährt Dankbarkeit, Zufriedenheit, Hoffnung und Zuversicht", betonte Schwarz.
Quelle: kathpress