Katholische Kirche Anno Domini 2017
"Unerhört": Dieses Wort trifft auf einiges zu, mit dem Papst Franziskus - und mit ihm die katholische Kirche - im zu Ende gehenden Jahr 2017 konfrontiert war und ist. "Dubia", also "ernsthafte Zweifel" äußerten öffentlich einige Kardinäle an theologischen Positionen von Papst Franziskus in Reaktion auf die Ergebnisse der beiden Familiensynoden und des darauf aufbauenden Papst-Schreibens "Amoris laetitia". Andere legten nach, bezichtigten den Papst in einer Petition gar der Häresie und ein jüngst anonym veröffentlichtes Buch wirft dem Pontifex nicht nur Gesprächsverweigerung, sondern einen diktatorischen Führungsstil vor.
Rückblick im Detail
Unerhört geblieben sind diese Vorwürfe derweilen nicht: Franziskus hat immer wieder - zumindest indirekt - seinen Kritikern geantwortet und zuletzt mit einer ungewöhnlichen Maßnahmen die von vielen erhoffte Klärung zur Frage nach der Zulassung zu den Sakramenten gebracht: Eher beiläufig findet sich seit wenigen Wochen in der Online-Version des vatikanischen Amtsblattes (AAS) der Hinweis, dass die vom Papst bereits gewürdigte Linie argentinischer Bischöfe in der Umsetzung von "Amoris laetitia" zur in Einzelfällen möglichen Zulassung Wiederverheirateter zu Beichte und Eucharistie Teil des "authentischen Lehramts" des Papstes ist.
Diese Vorgangsweise ist bezeichnend für den neuen Stil des Papstes in der Ausübung seines Amtes. Die allermeisten Katholiken nehmen ihn mit Erleichterung auf, bei wenigen wird er, dafür umso heftiger, abgelehnt. Franziskus will Dialogräume eröffnen und vertraut dabei mehr auf die Kraft von Argumenten und die gemeinsame Sorge der Bischöfe für die Weltkirche. Der Papst, der die Kirche lieber als Feldlazarett sieht, wo es gilt, die lebensbedrohlichen Wunden der Welt zu heilen, und weniger als einen endlosen Debattierklub, trifft Entscheidungen dann, wenn sie reif sind. Weil sie Ausdruck jener "heilsamen Dezentralisierung" sind, die Franziskus will, geht er dabei anders vor als seine Vorgänger im Papstamt. Ein theologisch wichtiger Schritt dabei war das im September veröffentlichte Dekret "Magnum princium". Mit ihm wird den Bischofskonferenzen wieder mehr Verantwortung bei der Übersetzung liturgischer Texte in die Landessprachen gegeben. Wie die deutschsprachigen Bischöfe damit umgehen werden, wird sich in den nächsten Jahren zeigen.
Päpstliche Missionen an Brennpunkten
Dass der Papst das Gespräch sucht und konkret dort helfen will, wo es nötig, aber auch fast aussichtslos erscheint, zeigen die schwierigen Reisen und neuen diplomatischen Kontakte der vergangenen zwölf Monate. Zu erinnern ist etwa an den Einsatz des Vatikans bei der Entschärfung der Konflikte in Venezuela. Im Zuge seiner Kolumbien-Visite im September anlässlich des Friedensschlusses mit den FARC-Rebellen, besonders aber in Myanmar und Bangladesch im November, erntete der Papst mit seinem behutsamen Auftreten jedoch auch Kritik. Franziskus will dabei offenbar typisch jesuitisch das Gute stärken und nicht, wie er sagte, "dem anderen die Tür ins Gesicht schlagen".
Ein ähnlicher Mix von Klarheit in der Sache und Zurückhaltung im Auftreten zeichnete den Papstbesuch im April in Kairo aus. Als Gast einer Friedenskonferenz der sunnitischen Hochschule Al-Azhar - wenige Tage nach der Terroranschläge am Palmsonntag auf koptische Christen in Ägypten - besiegelte Franziskus die Wiederaufnahme des vatikanisch-islamischen Dialogs nach sechsjähriger Unterbrechung. Erst kurz zuvor, im Februar, waren ranghohe Delegationen des Vatikan und der Al-Azhar zusammengekommen, um über Mittel gegen religiösen Extremismus zu beraten.
Den Migranten und Flüchtlingen widmete Franziskus wieder besondere Aufmerksamkeit. Zwar gab es keine so spektakuläre Geste wie seine Reise nach Lesbos 2016, aber regelmäßig erwähnte er sie in Ansprachen und Appellen. Die "Sorge um das gemeinsame Haus", der Blick auf die globalen ökologischen und sozialen Herausforderungen war auch in diesem Jahr ein zentrales Thema des Papstes. Ein gemeinsamer Appell mit dem orthodoxen Patriarchen Bartholomaios galt dabei nicht nur den Staatenvertretern beim diesjährigen Klimagipfel in Bonn.
Hat die Person des Papstes aber überhaupt Gewicht im Konzert der Mächtigen dieser Welt? Wer diese Frage stellt, sei erinnert an ein Bild, das am 24. März um die Welt ging: Umringt von den Staats- und Regierungschefs der EU sah man den "Mann in Weiß" beim Gruppenfoto zum 60. Jahrestag der "Römischen Verträge" in der Sixtinischen Kapelle, mit dem "Jüngsten Gericht" geradezu im Nacken. "Wer Augen hat zu sehen, der sehe, wer Ohren hat zu hören, der höre ...", dachte man im biblischen Sinn beim Betrachten dieses wohl historischen Gruppenfotos.
Neue Bischöfe für eine Kirche im Wandel
Direkt mit dem Papst und der Kirche in Österreich haben die jüngsten Ernennungen von Hansjörg Hofer zum Weihbischof von Salzburg und von Hermann Glettler zum Diözesanbischof von Innsbruck zu tun. "Was lange währt, wird endlich gut", sagte der päpstliche Vertreter in Österreich, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen, nach der Weihe Glettlers in der Innsbrucker Olympiahalle. Er erntete dafür tosenden Applaus, der auch als persönlicher Dank des Kirchenvolkes für das Wirken des Apostolischen Nuntius gewertet werden kann. Dass das Vertrauen zwischen der hiesigen Ortskirche und dem Zentrum der Weltkirche in den vergangenen Jahren sehr gewachsen ist, wird von vielen auch dem gebürtigen Schweizer im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls zugeschrieben. Das gibt Hoffnung für die Ernennung eines neuen Diözesanbischofs für St. Pölten, die allgemein für 2018 erwartet wird.
Eine Bischofsweihe in einer Mehrzweckhalle, afrikanische Tänze bei der Gabenprozession und Ehrensalut der Tiroler Schützen "für unseren Bischof Hermann", Mission und Caritas als zwei gleichwertige Seiten einer Medaille - wie kann das zusammengehen? Es kann nicht, ja, es muss sogar, ist man im Blick auf den neuen Bischof Glettler und sein Verständnis von einem radikalen und zugleich zeitgemäßen Christentum geneigt zu sagen.
Die Umbrüche in einer zunehmend pluralistisch-säkularen Gesellschaft, in die die Kirche hineingestellt ist, zwingt diese zum Aufbruch. Was lässt man als zeitgemäßen Ballast einer zu Ende gehenden epochalen Gestalt von Kirche zurück und was ist unverzichtbar für eine Glaubensgemeinschaft auf ihren schon fast zweitausendjährigen Weg durch die Geschichte? Nur "leichtes Gepäck" wird dafür wohl nicht genügen. Um diese Fragen wird es jedenfalls immer intensiver auch in der Kirche in Österreich gehen. Sei es anlässlich großer Jubiläen - die Diözese Graz-Seckau blickt im nächsten Jahr auf ihre Gründung vor 800 Jahren zurück und verbindet das mit einem ambitionierten Zukunftsprozess - oder im Rahmen bereits laufender Reformvorhaben.
Prüfstein dabei wird letztlich sein, wie sehr es gelingt, den Glauben so überzeugend zu leben, dass Menschen Christen sein wollen. Dass die verschiedenen christlichen Kirchen dabei untereinander immer mehr zusammenfinden, indem sie überkommene Differenzen sein lassen, hat sich heuer nicht zuletzt anlässlich zahlreicher Initiativen zur Reformation vor 500 Jahren gezeigt. Darauf sollten die Kirchen aufbauen in einem Land, das die allermeisten auch in Zukunft christlich geprägt wissen wollen.
Quelle: kathpress