Glettler: "Gott hat uns mit Jesus 'sein Herzstück' in die Krippe gelegt"
Sein Verständnis von Weihnachten hat der neue Innsbrucker Bischof Hermann Glettler dargelegt "Gott hat ein leidenschaftliches Interesse für alle Menschen. Er hat uns mit Jesus 'sein Herzstück' in die Krippe gelegt", sagte Glettler in einem ausführlichen Interview mit der "Kronen Zeitung" (Ausgabe Heiliger Abend). Jesus selbst sei das Weihnachtsgeschenk Gottes. "Er ist nicht das idyllische Christkinderl, dessen Geburtstag wir heute feiern, sondern die wichtigste Person der Weltgeschichte", unterstrich der Bischof. Seit der Geburt im Stall von Bethlehem wüssten die Menschen, "dass uns letztlich kein blindes Schicksal regiert, auch wenn das Leben sehr hart sein kann".
Weihnachten sei auch deshalb so wichtig, weil das Fest der Geburt Jesu eine Sehnsucht stille, "die wir ganz tief in uns tragen: als Mensch wertgeschätzt zu werden und auf diesem Planeten nicht verloren zu sein". In der Unruhe der heutigen Zeit und in der Anonymität der Gesellschaft "persönlich empfangen zu werden, ankommen zu können und mit allem, was man mitbringt, sein zu dürfen" - das ist nach den Worten Glettlers eine "Ursehnsucht", die gerade zu Weihnachten ganz stark zum Ausdruck komme:
Ich möchte fast sagen, es ist ein Heimweh nach Gott, ohne das jetzt zu übertreiben oder Menschen zu vereinnahmen, die keinen Glauben haben.
Sich vom Islam herausfordern lassen
Angesprochen auf die Furcht vieler Menschen, dass der Islam irgendwann Europa erobern könnte, antwortete Glettler: "Wichtig ist, wie wir als Menschen miteinander leben, Christen mit Muslimen und umgekehrt." Manche Ausprägungen des Islam wie dessen politisierte Spielart machten ihm Angst, "aber die Mehrheit der Muslime sind einfache Gläubige, die in der Fremde in ihrer Religion Halt finden. Ich bin mit vielen befreundet." Jeder Mensch solle überall auf der Welt seinen Glauben bekennen und frei ausüben dürfen.
Vielen aufgeklärten Westeuropäern sei fremd, dass Religion für viele Muslime eine hohe Bedeutung habe, wies Glettler hin.
Vielleicht kommt einiges an dieser emotionalen Abwehrhaltung auch daher, dass man sich selbst in Frage gestellt fühlt. Die innere Leere macht Angst.
In Schulen habe er erlebt, dass der Religionsunterricht durch die Präsenz muslimischer Schüler plötzlich auch für die christlichen wieder interessanter wurde, berichtete der Bischof. Er empfahl, den Islam als Anstoß zu nehmen für die Frage an sich selbst: "Was sind meine Wurzeln? Was trägt mich und wofür will ich leben? Wie könnte ich meinen eigenen Glauben wiederbeleben?" Glettlers Beobachtung: "In einer falsch verstandenen Aufklärung weist man einen guten, gesunden Glauben oft bei der Tür hinaus, und dann kommt der Aberglaube beim Fenster herein. Plötzlich sind Leute bereit, Dinge zu glauben, die haarsträubend sind."
"Bischofsamt erfordert Coolness"
Das Bischofsamt erfordert "innere Verbundenheit mit den Leuten" - Papst Franziskus würde sagen: den Geruch der Schafe -, "auf der anderen Seite braucht es für den Auftrag der Leitung auch die nötige Coolness". Darauf wies Bischof Glettler in einem Interview für die Weihnachtsausgabe der Tageszeitung "Der Standard" hin. Sein Leitungsamt verstehe er so: "Ich bin als Bischof nicht für alles verantwortlich. Ich will Eigenverantwortung stärken und die vielen Berufungen und Charismen, die es in der Kirche gibt, aufwecken." Als Bischof müsse er vorangehen und darauf schauen, dass die Kirche ihrem Auftrag treu bleibt, sagte Glettler. Dabei wolle er sich aber "die Ungeniertheit bewahren, auch einmal abends ins Kino oder auf ein Bier zu gehen".
Jedes "Lagerdenken" in der Kirche versuche er zu überwinden, sagte Glettler. Er versuche die Sorgen des konservativen Lagers ebenso "einigermaßen zu verstehen" wie die drängenden Anliegen der Liberalen. Sein Platz als Bischof sei in der Mitte, er müsse "Anwalt der Tradition und der Innovation" sein. "Das ist spannend", meinte Glettler und appellierte:
Wir sollten nicht wertvolle Energie mit kircheninternen Diskussionen vertun.
Die Kirche habe vielmehr auf die Gottessehnsucht unserer Zeit zu antworten und die Gesellschaft im Sinne Jesu mitgestalten. "Wenn es um den Schutz von Schwächeren oder um ethische Grundsatzfragen geht, sind wir als Kirche gefragt, laut und deutlich Stellung zu beziehen", erklärte der Innsbrucker Bischof.
Befragt nach einem Weihnachtswunsch an die neue Bundesregierung sagte Glettler, er wünsche ihr, "dass sie Mut für wirkliche Reformen hat und nicht die soziale Kälte im Land salonfähig macht". Bei einigen Punkten des Regierungsprogramms hoffe er noch auf ein "weihnachtliches Umdenken", fügte er - ohne Details zu nennen - hinzu.
Quelle: kathpress