Schönborn mahnt verantwortungsvolle Pro-Europa-Politik ein
Kardinal Christoph Schönborn hat im Interview mit "Kathpress" und dem Wiener Diözesansender "Radio Klassik Stephansdom" eine verantwortungsvolle Pro-Europa-Politik eingemahnt. Zugleich hat er sich erfreut und dankbar gezeigt, dass sich die neue österreichische Bundesregierung zu einem solchen pro-europäischen Kurs verpflichtet habe und bereit sei, "europäische Verantwortung zu übernehmen". Der Wiener Erzbischof sprach aber auch eine allgemeine Warnung vor jenem "primitiven Spiel" aus, wonach "alle Fehler in Brüssel passieren und alles Gute in Österreich geschieht".
"Wir brauchen das Miteinander von Österreich und der EU, auch wenn es manchmal ein kontroversielles Miteinander ist", so der Kardinal wörtlich: "Das tut uns gut. Wir haben unseren Beitrag zur Europäischen Union zu leisten." Konstruktive Kritik sei dazu freilich auch notwendig. Er blicke jedenfalls auch zuversichtlich auf den EU-Ratsvorsitz von Österreich im zweiten Halbjahr 2018. Durch den wechselnden Ratsvorsitz würden alle Mitgliedsländer besondere Verantwortung für das gesamteuropäische Gemeinwohl tragen, so der Kardinal.
Besorgt zeigte sich der Kardinal über die angespannte politische Situation im Heiligen Land. Folgendes Prinzip müsse außer Streit stehen: "Jerusalem ist die heilige Stadt von Juden, Christen und Muslimen. Dem muss die Politik gerecht werden." Wie dies konkret ausgestaltet wird, sei freilich eine andere Frage.
Schönborn erläuterte in dem Interview auch nochmals die von Papst Franziskus angestoßene Debatte rund um die Vaterunser-Bitte "Und führe uns nicht in Versuchung". "Wir können die Worte Jesu nicht ändern, sondern nur versuchen, den Sinn genauer zu erfassen", so der Kardinal. Das betreffe auch die Übersetzung. Ganz grundsätzlich handle es sich um eine bedeutende Frage: "Führt Gott den Mensch in Versuchung?" Das sei sicher nicht der Fall: "Gott will uns sicher nicht aktiv in Versuchung führen, aber irgendwie lässt er es zu, dass ich diesem Test ausgesetzt bin", erklärte der Kardinal. Deshalb auch die Bitte im Vaterunser an Gott, die er, Schönborn, so verstehe: "Lass mich nicht in eine Situation geraten, in der ich zu schwach bin, um der Versuchung zu widerstehen."
Erzdiözese Wien: "Das Miteinander wächst"
Auf die seit vielen Jahren laufende Wiener Diözesanreform angesprochen meinte der Erzbischof, dass der Prozess zwar langsam, aber gut vorangehe. Er stelle vielfach fest, dass die Pfarrgemeinden mehr zusammenarbeiten und entdecken, "dass man voneinander lernen und profitieren kann", so Schönborn: "Dieses Miteinander wächst."
Das Bewusstsein unter den Katholiken in der Erzdiözese nehme zu, "dass wir eigentlich dazu berufen sind zu wachsen und nicht zu schrumpfen". In dieser Hinsicht gebe es freilich noch viel zu lernen von Christen anderer Kirchen, "die deutlich missionarischer sind als wir". Er sei aber sehr zuversichtlich, dass dieses Bewusstsein weiter zunehmen wird. Auch die nächste Diözesanversammlung im September 2018 werde sich genau diesem Thema bzw. der zentralen Frage widmen: "Wie können wir Menschen für Christus gewinnen?"
Dazu, so der Kardinal auf Nachfrage, brauche es zuerst einmal ein Gespür dafür, "dass Gott schon im Leben eines jeden Menschen wirkt". Diese Spuren wahrzunehmen setze großen Respekt vor den Menschen voraus, denen man begegnet. Die Verkündigung im engeren Sinn wollte der Erzbischof dann vor allem in einer anziehenden christlichen Lebensführung festmachen, sodass andere Menschen fragen würden, "woher wir diese Kraft, Freude und Hoffnung haben, was der Grund dafür ist".
"Radio Klassik Stephansdom" strahlt das gesamte Interview mit Kardinal Schönborn am Freitag, 22. Dezember, um 17.30 Uhr aus. (In Wien und Umgebung terrestrisch auf der Frequenz 107,3 MHz und digital über DAB+, sowie auch über UPC und Kabelplus. In mehreren Bundesländern ist das Programm über UPC auf Kanal 863 zu hören, sowie im Live-Stream unter www.radioklassik.at)
Quelle: kathpress