Beispielland Nicaragua: Sternsingen zeigt große Wirkung
Nicaragua ist eines der Empfängerländer der von der Dreikönigsaktion (DKA) eingehobenen Spenden. Das Geld, das Zigtausende als Kaspar, Melchior und Balthasar verkleidete Kinder in den nächsten Tagen sammeln, finanziert im zweitärmsten Land Lateinamerikas Bildungs- und Sozialprojekte. Dabei wird das Leben vieler Menschen zum Positiven verändert, haben jugendliche Kursteilnehmer und ihre Lehrer aus Nicaragua im Interview mit der Nachrichtenagentur "Kathpress" dargelegt. Die Projektpartner waren im Vorfeld der jährlichen Sternsingeraktion zu einer Informationsreise quer durch Österreich gekommen. Ihre letzte Station machten sie bei der Zentrale der Dreikönigsaktion der katholischen Jungschar in Wien.
"Jung sein in Nicaragua ist ein schweres Los", schilderte die 20-jährige Anielka Rizo Flores. Viele Familien sind arm, die Preise hoch, die Arbeitsplätze knapp und die Chancen auf gute Berufe schlecht. Um über die Runden zu kommen, arbeiten in vielen Familien beide Eltern 12 bis 14 Stunden pro Tag; darüber hinaus suchen derzeit eine Million Nicaraguaner im Ausland wie etwa Costa Rica oder den USA Arbeit, was viele Familien auseinanderreißt. Die Kinder bleiben meist bei Verwandten zurück und tragen als Haushaltshilfen, Plantagen-Tagelöhner oder Markt- bzw. Straßenverkäufer zum Haushaltseinkommen bei. Für Freizeit und Hausübungen bleibt da kaum Zeit, weshalb viele früh die Schule abbrechen.
Anielka hatte Glück im Unglück: Zwar musste auch sie früh die Schule verlassen und am Markt arbeiten gehen, als ihre Mutter sich von ihrem gewalttätigen Mann trennte. Dann wurde sie jedoch beim - von der Dreikönigsaktion finanzierten - Projekt CECIM in die Ausbildung zur Handelskassiererin aufgenommen, wo man ihr auch Praktika zu möglichen Arbeitgebern vermittelte. Ihre Leistungen waren gut. Jetzt kann sich Anielka sogar zwischen einer Anstellung bei der Stadtgemeinde ihres Heimatortes Ciudad Sandino und einem Stipendium für ein Psychologiestudium an der UCA, der Zentralamerikanischen Universität in Nicaragua, entscheiden.
"Insgesamt 250 Schulabbrecher zwischen 17 und 30 Jahren werden bei uns zum Motorrad- oder Fahrradmechaniker, zum Handy- oder Computertechniker oder auch zum Installateur, Informatiker oder zur Kassenkraft ausgebildet", berichtete Maria de Lourdes Meza, Sozialarbeiterin und Projektleiterin bei CECIM. Ziel der Kurse nach dem Prinzip der dualen Ausbildung ist es, den Jugendlichen möglichst praxisbezogen in einen qualifizierten Job zu verhelfen, wozu die staatliche Anerkennung der Abschlüsse und auch die vielen Firmenkontakte eine große Hilfe sind. Besonders versuche man Frauen zu unterstützen. "Immerhin 40 Prozent unserer Absolventen sind weiblich", sagte die 58-jährige Meza.
Kindern Umweltschutz vermitteln
Doch auch auf anderer Ebene versucht die Dreikönigsaktion, die Lebensbedingungen für benachteiligte Jugendliche zu verbessern, verdeutlichten die Pädagogin Aracely Gomez Ruiz (37) gemeinsam mit den Schülern Meybeling Caballero Balmaceda (14) und Imer Oswaldo Gutierrez Arauz (18). Die drei berichteten von der Organisation "FUNARTE" (Fundacion de Apoyo al Arte Creador Infantil), die seit fast drei Jahrzehnten in der Stadt Esteli Kindern aus den ärmsten Familien ein Freizeitprogramm bietet, bei dem sie auf kreative und künstlerische Weise schwierige Alltagserfahrungen aufarbeiten können. Vermittelt werden zudem Themen wie u.a. der Umweltschutz.
"Der Klimawandel und auch die Umweltzerstörung machen Nicaragua gehörig zu schaffen. Die Ökologie gerät immer mehr aus dem Gleichgewicht", berichtete Gomez. Extremwetter, Trockenheit, Überschwemmungen und Wirbelstürme führen zu Wasserknappheit, Ernteausfällen, Landflucht, Preisanstieg und Atemwegserkrankungen, wobei jeweils die arme Bevölkerung am meisten betroffen ist. "Gleichzeitig werden wahllos Bäume gefällt; man fängt Vögel, Schildkröten und andere Reptilien und verkauft sie für schnelles Geld, auch wird der Müll einfach in der Landschaft zurückgelassen", beklagte die Lehrerin.
Unter dem von Papst Franziskus stammenden Motto "Die Erde ist unser gemeinsames Haus" bietet FUNARTE ein kreatives Freizeitprogramm für Kinder aus schwierigen Lebenssituationen, und zwar schon ab dem Vorschulalter. Bereits mit fünf hat die heute 14-jährige Meybeling an Workshops teilgenommen, bei denen "Murales" - Wandgemälde zu Umweltthemen - erstellt wurden. Im Stadtgebiet von Esteli gibt es heute 150 davon. 2015 startete ein Projekt, bei dem Kunstwerke aus Abfall wie etwa Flaschen, Bierdosen, Handys, CDs, Tastaturen oder Gartenschläuchen geschaffen werden. Begleitend dazu spricht man bei den spielerisch-kreativen Treffen über Themen wie Umweltrechte, Tier- und Wasserschutz, gesunde Ernährung sowie auch Mülltrennung.
So unscheinbar das Projekt auf den ersten Blick wirkt, die Ergebnisse lassen sich sehen, berichtete die Pädagogin Gomez: Viele der beteiligten Kinder tragen in ihrer Schultasche einen Plastiksack, in dem sie tagsüber Abfall sammeln und dann getrennt entsorgen. Obst hat bei der Schuljause die Schleckereien ersetzt, zudem achten bereits die Kinder darauf, was aus lokaler Produktion kommt, und gehen sorgsam mit Wasser um. "Besonders freut uns, dass sie beginnen, selbst Lösungen für Probleme zu suchen, eine positive Lebenseinstellung gewinnen und eigene Träume mit Enthusiasmus verfolgen. Und das das, was sie bei uns lernen, auch auf ihre Familien ausstrahlt", beschrieb Gomez den Erfolg ihrer Arbeit.
Staunen über Sternsinger-Kinder
Tief beeindruckt zeigte sich die Gruppe aus Nicaragua bei ihrer Österreichreise, bei der es viele Info-Workshops in Schulen und Pfarren gab, von den heimischen Sternsinger-Kindern. Das Miterleben einer Sternsinger-Probe sei "umwerfend" gewesen - genauer gesagt: "Der große Ethusiasmus und Einsatz, mit dem die Kinder und ihre Begleiter trotz des kalten Winters von Haus zu Haus ziehen, sowie die Offenheit der Menschen, die den Sternsingern spenden und sie verköstigen. Ein Tiroler Restaurant, das wir besuchten, sperrt vorübergehend seinen Gastbetrieb, um stattdessen die drei Könige zu verköstigen", war Aracely Gomez Ruiz überwältigt.
Sie sei auch nach Österreich gekommen, um "Danke" zu sagen, ergänzte Maria de Lourdes Meza:
Mit ihrem Einsatz verändert die Dreikönigsaktion das Leben vieler Menschen zum Positiven und wirkt weit über die Kirche hinaus in die Gesellschaft. Das Sternsingen ist eine Aktion der Liebe, die wir mit großer Verantwortung weiter verteilen dürfen.
Begeistert war die Projektleiterin vor allem vom neuen Videoclip, auf dem österreichische Sternsingerkinder ihr Anliegen als Rap vorbringen. "Ich werde es unseren Jugendlichen in Nicaragua zeigen, da es auch sie motivieren wird, sich für andere einzusetzen", so Meza.
Insgesamt rund 500 Hilfsprojekte in Afrika, Lateinamerika und Asien werden jährlich von der Dreikönigsaktion finanziert. Gesammelt wird das Geld bei einer österreichweiten Aktion, bei der auch in den kommenden Wochen wieder rund 85.000 Kinder und Erwachsene als Sternsinger von Tür zu Tür ziehen, Friedenswünsche weitergeben und um Spenden bitten. 17,1 Millionen Euro an Spenden kamen auf diese Weise bei der jüngsten Auflage der Aktion zu Jahresbeginn 2017 zusammen. (Infos: www.sternsingen.at)
Quelle: kathpress