Glettler gegen "Kirche, die sich hinter Schreibtischen versteckt"
Der künftige Innsbrucker Bischof Hermann Glettler "will keine Kirche von Funktionären, keine Kirche, die sich hinter Schreibtischen oder Computern versteckt". In einem ausführlichen Interview in der Kirchenzeitung "Tiroler Sonntag" erläuterte er seinen Wahlspruch "Geht, heilt und verkündet" und die damit verbundene Präferenz für eine einladende, notsensible, missionarisch-bewegliche Kirche gemäß dem Motto "Aufbrechen!", das die Diözese Innsbruck zu ihrem 50-Jahr-Jubiläum ausgab.
"Sesshaftigkeit" im Sinne von Bequemlichkeit sei quer durch die Jahrhunderte für die Kirche eine Versuchung gewesen - wie schon davor für das Volk Israel, so Glettler. Aber: "Gott will, dass wir beweglich bleiben, weil er selbst höchste Lebendigkeit ist. Wir können ihn nicht festhalten und besitzen." Auch Jesus sei immer unterwegs gewesen, "das Gehen gehört zur Grundgrammatik unseres Glaubens". Konkret bedeutet dies für den Bischof etwa Interesse für das Leben der Menschen im unmittelbaren Lebensumfeld: "Kontakt aufnehmen, hingehen, anklopfen, besuchen, sich einladen lassen ... auch jene aufsuchen, die aufs Erste nicht so sympathisch sind." Die innere Beweglichkeit helfe auch, jene besser zu verstehen, die unfreiwillig ihre Heimat verlassen mussten. "Ihr Schicksal muss uns doch berühren!", so Glettler.
"Heilen" als zweites Verb in der Trias seines Wahlspruches hat laut dem Bischof neben der medizinischen Bedeutung auch den Sinn, "füreinander Sorge zu tragen, heilsam füreinander da zu sein" durch Aufmerksamkeit und Hinwendung, Versöhnung und Vergebung. Auch das Gebet für andere könne "Wunder wirken". Und bei der Beichte sei es ihm ein "großes Anliegen, dieses Sakrament wieder neu mit Leben zu erfüllen". Dieses sei "leider ins Abseits gedrängt" worden - auch durch eine fehlgeleitete Praxis, wie Glettler anmerkte.
Der dritte Imperativ "Verkündet" bedeutet für den Bischof zunächst die "Predigt des alltäglichen Lebens". Glettler wörtlich: "Wenn ich gegenüber meinem Nachbarn ein ekelhafter Typ bin, dann kann ich ihm nichts von Gottes Güte erzählen." Wichtig sei darüber hinaus, in Worte zu fassen, was der Grund der Hoffnung ist, die einen gläubigen Menschen erfülle. Dies soll in "Normalsprache" erfolgen, riet Glettler, "nicht frömmelnd und nicht abgehoben theoretisch".
Volkskirche braucht "keine Superchristen"
In Tirol erlebe man noch eine Volkskirche und sei "zugleich schon längst von ihr weg", so der Eindruck des designierten Bischofs. Den Ausdruck "Volkskirche" verstehe er als "Auftrag, viele Menschen auf einen Weg der Hoffnung mitzunehmen. Nicht abwerten oder ausschließen!"
In einer "Zeit großer Beliebigkeit" braucht es nach den Worten Glettlers aber auch Menschen, die sich ganz bewusst für ein Leben in der Nachfolge Jesu entscheiden. "Ich denke da nicht an einen Club von Superchristen", sondern an Gläubige, die ihrem Leben eine Wende gegeben haben, an solche, "die stellvertretend für andere beten und jene nicht übersehen, die in ihrem Leben zu kämpfen haben". Eine solche "Jesus-Offensive" könnte der Volkskirche wieder neues Leben verleihen, so die Vision Glettlers.
"Haben kein Monopol auf Gottesbeziehung"
Außerdem gebe es viele Menschen, die - ohne eine ausdrückliche Entscheidung für Gott getroffen zu haben - "trotzdem durch ihr Leben in einer echten Gottesgemeinschaft sind". Die Suche nach Gott und die Möglichkeiten, wie er sich finden lässt, sind laut Glettler sehr vielfältig: "Wir haben kein Monopol auf die Beziehung zu Gott. Er ist die immer größere Liebe, eine Liebe, die uns immer überschreitet - auch in unseren Vorstellungen und institutionellen Grenzen."
Eine bewährte Form der Gastfreundschaft für am Glauben Interessierte seien "Alpha-Kurse", mit denen Glettler als Pfarrer in Graz sehr gute Erfahrungen gemacht habe. "Nachfolge" bedeute zuerst eine bessere Kenntnis der Person Jesu, sodass eine Freundschaft mit ihm wachsen könne. "Warum nicht das Neue Testament aufschlagen und ein Evangelium lesen?"
Sein "missionarisches Credo" formulierte Glettler wie folgt: "Als Kirche müssen wir Zeugnis geben von Jesus Christus. In ihm hat Gott sein Herz gezeigt und sich verwunden lassen. Wir bezeugen ihn, indem wir dienen - nicht indem wir mit Wahrheiten auftrumpfen."
Gast in ORF-"Orientierung"
Auch in der kommenden Ausgabe des ORF-Religions-Magazins "Orientierung" am Sonntag, 12.30 Uhr in ORF 2, ist Hermann Glettler zu Gast. Im Interview mit Christoph Riedl-Daser spricht der designierte Bischof laut ORF-Ankündigung über die "Interventionsfreudigkeit der Österreicher", wenn es um Bischofsernennungen geht. Weitere Themen sind Glettlers Offenheit für den Frauendiakonat und seine Haltung zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene.
Quelle: kathpress