Nussbaumer: Religionen sind zum Miteinander verurteilt
Die Gegenwart ist nach Ansicht des Publizisten Heinz Nussbaumer eine "riskante Zeit für religiöse Dogmen und Überlegenheitsgefühle, aber eine goldene Zeit für jede Art von Mitmenschlichkeit": Das hat der langjährige Bundespräsidenten-Sprecher und nunmehrige "Furche"-Herausgeber im Interview mit der Kärntner Kirchenzeitung "Der Sonntag" (26.November) dargelegt. Um die Erde nicht in den Ruin zu treiben, seien Religionen "unweigerlich zum Miteinander verurteilt", sowie zum Dialog und Lernen voneinander, sagte er. Die "zunehmend gottlose Welt" bilde dabei eine Chance, aufeinander zuzugehen.
Heute gebe es nicht nur einen Bruch zwischen Kulturen und Religionen, sondern auch Brücken, betonte Nussbaumer. "Über Jahrhunderte sind Völker in religiös abgeschotteten Regionen aufgewachsen - und haben sich höchstens auf Schlachtfeldern getroffen." Durch Globalisierung, Digitalisierung und Migrationen sei dies nun vorbei. "Also müssen auch die Religionen rasch lernen, Gemeinsames auszugraben und zu hegen." Religionen hätten bei dieser Aufgabe "unterschiedlichen Zeitdruck" und müssten Ängste, Feindbilder und böse Erinnerungen überwinden. Eine Alternative dazu gebe es jedoch nicht.
Mit Andersglaubenden falle einem Christen der Dialog mitunter leichter als mit Vertretern der säkularen Gesellschaft, bemerkte Nussbaumer. Für glaubensferne Menschen sei Religion oft nur ein "Ärgernis"; bei ihrem Versuch, "ganz im Diesseits zu leben", fühlten sie sich von der Rückkehr des Religiösen "eher irritiert und gestört" und hätten auch kaum Verständnis für Interreligiöses. Mitspielen würde hier auch das Fehlen selbst einfachster Grundkenntnisse, "auch solche ihrer eigenen, fremd gewordenen Religion". Wo hingegen gemeinsames Interesse nach einem Woher und Wohin des Menschen und für die Frage nach seinem Schöpfer bestehe, könne Gespräch gelingen.
Klar bejahte der Journalist die Frage, ob der Islam zu Österreich gehöre. "Wie sollte eine Religion nicht hierher gehören, die mit mehr als 500.000 Gläubigen bereits die zweitgrößte Glaubensgemeinschaft ist?", so der Publizist. In all den Jahrzehnten seiner Reisen als Außenpolitik-Ressortchef im "Kurier" - eine Funktion, die Nussbaumer bis 1990 innehatte - habe er "kein Land gefunden, in dem das Ausgrenzen einer Bevölkerungsgruppe den inneren Frieden gestärkt hätte".
Erfreut zeigte sich Nussbaumer über gegenseitige Bereicherungen der Religionen und Konfessionen wie etwa über das Eindringen von Ikonen, Hymnen oder dem Herzensgebet der Ostkirche in die katholische Kirche. Er selbst sei bereits seit 30 Jahren eng mit der orthodoxen Mönchsrepublik am Berg Athos verbunden, so der bekennende Katholik, dessen lange vergriffenes Athos-Buch "Der Mönch in mir" vom Styria-Verlag soeben wieder neu aufgelegt worden ist. "Es ist ein großes Geschenk einer Zeit leben zu dürfen, in der solche religiösen 'Ausflüge' nicht mehr auf einem Scheiterhaufen enden."
Er nutze die Chance, um möglichst überall für seinen Glauben zu lernen, sagte Nussbaumer. "Gerne wäre ich 'katholisch' im weltumfassenden Wortsinn; möchte aber auch 'evangelisch' sein - im Versuch, mehr aus dem Evangelium zu leben. Und natürlich auch 'orthodox' - im Sinn von rechtgläubig."
Quelle: kathpress