Caritas: Friedensgarant Sozialstaat nicht in Frage stellen
Die Caritas hat die Regierungsverhandler dazu aufgerufen, den Sozialstaat und seine Errungenschaften nicht in Frage zu stellen. Das österreichische Sozialsystem sei "eines der besten der Welt" und müsse nun "zukunftsfit" gemacht werden, sagte der Grazer Caritas-Direktor Herbert Beiglböck am Donnerstag zum steirischen Auftakt der Caritas-Inlandskampagne für Menschen in Not in Österreich. Die Caritas sei "Brandmelder sozialer Gefährdung, nicht aber die Feuerwehr des Sozialsystems"; soziale Verantwortung dürfe die Regierung nicht auf Hilfsorganisationen abschieben.
Auch in Österreich, wo es den meisten materiell sehr gut gehe, gebe es "nicht sichtbare Armut" und Menschen, "die durch das Netz fallen", verwies Beiglböck auf die 1,2 Millionen armutsgefährdeten und 410.000 manifest armen Einwohner. "Betroffene Menschen stellen ihre Heizung ab, um Energiekosten zu sparen", sei die Erfahrungen der Caritas-Beratungsstellen zur Existenzsicherung. 57 Prozent der hier zu Verfügung gestellten Unterstützungsleistungen würden sich auf die Themen Wohnen und Energie beziehen.
Armutsbekämpfung sei immer auch eine Frage des sozialen Friedens, hob der steirische Caritas-Direktor hervor. Deutlich werde dies an der Mindestsicherung, dem letzten sozialen Netz: "Wenn wir politisch zwischen verschiedenen Gruppen von Menschen unterscheiden und sagen, die einen sind mehr Unterstützung wert als die anderen, dann drängen wir dauerhaft einen Teil der Bevölkerung in die Armut." Auch werde der Ungleichheit Vorschub geleistet, die "immer ein Motor für gesellschaftliche Unruhe" sei. Beiglböck: "Wir riskieren Kriminalität und Gefährdung der Sicherheit. Das kann niemand wollen."
Ein Drittel der Menschen, die sich in ganz Österreich an die Caritas-Sozialberatungsstellen wenden, haben laut der kirchlichen Hilfsorganisation nach Abzug der Fixkosten rund 8,50 Euro täglich pro Person zur Verfügung. Dieser Betrag müsse für Essen, Kleidung oder auch für Babynahrung und Windeln reichen. "Die Menschen kommen nicht mehr, um vielleicht wie früher Unterstützung für den Schulschikurs der Kinder zu erhalten. Heute geht es um Existenzielleres. Sie suchen etwa Hilfe, weil sie ihre Mieten oder Energierechnungen nicht mehr begleichen können", erklärte Beiglböck
Die "privilegierte Situation" des Wohlstandes vieler in Österreich verpflichte zu großer Dankbarkeit und auch dazu, "alles zu tun, Menschen, die trotzdem benachteiligt sind oder an den Rand der Gesellschaft gedrängt sind, zu helfen und sie zu unterstützen, Teilhabe an diesem guten Leben zu haben", betonte der Caritas-Chef bei dem Pressegespräch, das in der Grazer Frauen-Notschlafstelle "Haus FranzisCa" stattfand. Diese Einrichtung würden Frauen vor allem wegen finanzieller Probleme, fehlender sozialen Netze und schwieriger familiärer Situationen, oft auch in Verbindung mit Gewalt, aufsuchen, erklärte FranzisCa-Leiterin Carmen Brugger. Beeindruckend sei dennoch die "Willensstärke", mit denen die Bewohnerinnen ihre Lebenssituation und jene ihrer Kinder meisterten.
Quelle: kathpress