Linzer Mariendom: Spektakuläre Turmuntersuchung in luftiger Höhe
Der Domhüttenmeister des Linzer Mariendoms, Gerhard Fraundorfer, hat seinen Arbeitsplatz für die nächsten Tage auf über 100 Meter Höhe gelegt. Abgeseilt von der Turmspitze unterzieht er so den Turmhelm einer umfangreichen Untersuchung, um etwaige Schäden durch Witterung festzustellen. Derartige Befundungen finden regelmäßig alle zwei bis drei Jahre statt, wie die Diözese Linz in einer Aussendung am Dienstag mitteilte.
Konkret untersucht wird dabei ab Dienstag der Zustand der Steinfugen, der Zierteile, des Dekors sowie des sieben Meter hohen Stahlkreuzes. Diese rund eine Woche dauernde Befundung wird vom Domhüttenmeister mit Unterstützung von speziell ausgebildeten Höhenkletterern durchgeführt und spielt sich in einer Höhe von 65 bis 132 Metern ab. Im Zuge der Untersuchung werden auch Drohnenaufnahmen für photogrammetrische Analysen eingesetzt.
Die Dombauhütte Linz ist eine von nur zwei Dombauhütten in Österreich und blickt auf eine lange geschichtliche Tradition zurück. Sie wurde mit Baubeginn des Doms im Mai 1862 eingerichtet. In der Dombauhütte waren die Steinmetze mit der Herstellung von Steinbauteilen für den Dombau beschäftigt. Mit den für die damalige Zeit modernsten bautechnischen Methoden wurde zwischen 1862 und 1924 am Dombau gearbeitet. Dabei wurden rund 106.000 Steine verarbeitet, fast 27.000 für den Bau des 132 Meter hohen Turms.
Erhaltung der Bausubstanz
Heute ist die Erhaltung der denkmalgeschützten Bausubstanz und daher auch die ständige Beobachtung und Dokumentation des Schadensverlaufes der Steinarchitektur die vordringlichste Aufgabe der Dombauhütte. Dazu wurden auch die rund 2.800 vorhandenen Originalpläne des Mariendoms vollständig digitalisiert. Ziel aller Maßnahmen ist es, der Nachwelt möglichst viel Originalsubstanz zu bewahren.
Moderne technologische Verfahren unterstützen bei den Wartungs-, Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten die traditionellen Steinmetztechniken. Risse in den Steinbauteilen werden mit Spezialmörtel verschlossen, schädliche Krusten auf den Steinen mittels Niederdruckstrahlverfahren schonend entfernt. Die Füllung von Hohlräumen hinter der erhaltenen Steinoberfläche mit Mikromörteln kann diese für viele Jahre erhalten helfen, die Verklebung von Rissen macht Steine wieder statisch belastbar und verhindert das Eindringen von Wasser. Steinteile, die wegen ihres schlechten Zustandes nicht mehr erhalten werden können, werden von den Steinmetzen in bildhauerischer Arbeit bis zur Farbretuschierung rekonstruiert. Dadurch gewährleiste die Dombauhütte die Pflege und Erhaltung sowie Weiterentwicklung der traditionellen Steinmetztechniken, wie es von Seiten der Diözese Linz heißt.
Unter der Leitung von Domhüttenmeister Fraundorfer arbeiten permanent drei Steinmetze in der Linzer Dombauhütte, darunter auch ein syrischer Flüchtling, der derzeit eine Lehre absolviert. "Mit rund 4.000 Arbeitsstunden pro Jahr dauert es 40 Jahre, bis man mit den Erhaltungs- und Sanierungsarbeiten einmal um den gesamten Dom herumgekommen ist. Wohlgemerkt, dabei reden wir nur von außen", so Fraundorfer.
Die Linzer Dombauhütte ist eine von rund 15 europäischen Dom- und Münsterbauhütten, neben Wien, Köln oder Straßburg. Aktuell gibt es Bestrebungen der Europäischen Vereinigung der Dombaumeister, das Handwerk der Dombauhütten von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anerkennen zu lassen.
(Infos: www.mariendom.at)
Quelle: kathpress