Sr. Mayrhofer: Freiwillige Armut schärft Blick und gibt Freude
Armut und deren Ursachen bekämpfen, dabei aber selbst in freiwillig gewählter Armut leben: Dieses Prinzip wird in katholischen Orden auf verschiedene Weise gelebt, wie die Präsidentin der Vereinigung der Frauenorden Österreichs, Sr. Beatrix Mayrhofer, aus Anlass des ersten kirchlichen "Welttags der Armen" am 19. November darlegt. Das Gelübde der "Armut um des Himmelreiches willen" werde in den einzelnen Ordensgemeinschaften sehr konkret gehandhabt und solle menschliches Elend nicht verklären, sondern vielmehr lindern und vorbeugen - und damit auch politisch wirksam sein, sagte die Provinzoberin der "Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau" im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress.
Wer in einen Orden eintritt, verpflichtet sich zu Armut, Keuschheit und Gehorsam. Die drei Gelübde haben laut Mayrhofer sehr unterschiedliche Bedeutung im Verlauf einer Ordensbiografie: Am Anfang sei der "große bewusste Schritt" der Ehelosigkeit vordergründig. Nötig sei in Folge tätige Gottes- und Nächstenliebe sowie Gemeinschaftsleben, "damit die Persönlichkeit nicht verkümmert". Gehorsam bedeute bedingungslose Bereitschaft zum Einsatz dort, "wo die Gemeinschaft dies für am besten sieht", was mitunter schmerzlich sei. Die Armut hingegen begleite das gesamte Ordensleben und sei ein "bewusster Verzicht" auf Möglichkeiten der Erfüllung eigener Wünsche. Mayrhofer: "Die meisten Ordensfrauen verfügen nur über ein kleines Taschengeld."
Die frei gewählte Armut sei für Angehörige des geweihten Lebens zuallererst eine Hilfe, Gott näher zu kommen. "Wenn für mich das Handy, die Urlaubsreise oder das Auto so eine Faszination bekommt, dass es an erster Stelle steht, dann haben der Herr Jesu und ich ein Problem", verdeutlichte die Präsidentin der heimischen Frauenorden. Sie selbst sehe das Ordensleben und auch die Entbehrungen dadurch als "Gnade": "Manchmal gehe ich mit großem Vergnügen durch die Einkaufsstraßen und denke mir: Schön ist das - aber ich brauche das alles nicht." Bewusster Verzicht befreie und schaffe eine Grundvoraussetzung für spirituelles Leben und Gottesbegegnung. "Das kann jeder auch selbst ausprobieren."
Haltung des "Ich muss nicht haben"
Auch jenseits aller spirituellen Vorteile täte ein bescheideneres Leben der gesamten Gesellschaft gut, betonte Sr. Mayrhofer. "Wir richten gerade die Welt zugrunde, durch unmäßigen Konsum, unüberlegten Umgang mit Ressourcen, extrem ungleiche Güterverteilung sowie Ausbeutung, die auch zwischen Ländern und Kontinenten geschieht, etwa wenn Umwelt- und Menschenrechtsstandards nicht eingehalten werden. Es gibt deshalb so viele Bedürftige, weil viel zu wenige Menschen bereit sind, einfacher zu leben." Eine "Ich-muss-nicht-haben"-Haltung sei wichtiger Teil der Lösung und erlaube dem jeweiligen Menschen zudem auch eine "Freude an der Einfachheit".
Frei gewählte Armut mache nicht zuletzt auch sensibler für die Not anderer, so die Erfahrung von Österreichs ranghöchster Ordensfrau. "Wenn ich selbst einfach lebe, schärft das den Blick und ich kann wirksamer helfen, da ich so den Notleidenden in gewisser Weise näher bin. Dennoch zeigt mir das Erleben des Elends anderer auch, wie gut es mir immer noch geht." Derartige Begegnungen mit "Menschen am Rand" seien wichtig - "auch damit ich weiß, wofür ich mich einsetze". Ziel sei, dass alle Menschen ihr Leben selbst in die Hand nehmen und gestalten können.
Papst Franziskus ist für Mayrhofer ein wichtiger Impulsgeber für den Umgang mit Armut - "besonders wenn er sagt, der Rand der Gesellschaft muss die Mitte der Kirche sein": Ordensfrauen seien bestrebt danach, "bewusst auf die Ränder schauen und sich mit der ganzen Existenz dahin zu begeben statt in der gesättigten Mitte zu bleiben". Aus dieser Position könnten ähnliche gesellschaftliche Veränderungen angestoßen werden, wie dies im 19. Jahrhundert Karolina Gerhardinger (1797-1879) gelungen sei. Die Gründerin von Mayerhofers Ordensgemeinschaft widmete sich der Erziehung armer Mädchen, denen der Zugang zur Bildung völlig verwehrt war.
Orden auch ungewollt arm
Durch ihren derzeitigen Mitgliederschwund seien heute Orden in Europa - ungewollt - auch auf ganz neue Weise auf ihr Armutsgelübde zurückverwiesen, bemerkte Mayrhofer. "Wir müssen den sichtbaren Reichtum der großen Schulen, Spitäler und sonstiger Einrichtungen loslassen, das operative Management anderen übergeben und zumindest versuchen, das was uns antreibt, als zündende Idee weiterzugeben, damit das Feuer nicht erlischt."Auch von Formen des Gemeinschaftslebens müsse man sich verabschieden. Das bei etlichen Menschen verinnerlichte Bild von den "reichen Klöstern" bezeichnete Sr. Mayrhofer als "meist sehr verkürzte Außenwahrnehmung" der alten Männerstifte. In der Realität sei der Auftrag, den über Jahrhunderte aufgebauten Kulturschatz für die Gesellschaft zu erhalten, für Ordensgemeinschaften oft eine "Last".
Besonders von Armut betroffen seien zudem ältere Mitschwestern, die über keine eigene Pension verfügen. Aufgrund von Gestellungsverträgen waren bzw. sind Ordensfrauen in diözesanem Dienst oft nicht als Einzelperson, sondern als Kongregation angestellt und versichert. Das werde mit dem ausbleibenden Nachwuchs nun zum Problem. Doch auch viele kontemplative Frauenorden - mit teils jungen Mitgliedern - sind in Finanznöten: "Früher war es für Katholiken klar, dass man einen Karmel oder ein Anbetungskloster unterstützt, da hier Frauen für alle beten, aber keine Absicherung haben. Das weiß man heute nicht mehr." Das Durchkommen gelinge hier oft nur durch Solidarität zwischen den Orden.
Lebensstil als politische Botschaft
Der Aufruf zur Armut gelte für Orden heute auf neue Weise, zeigte Mayrhofer anhand der Regel ihrer eigenen Kongregation auf: "Evangelische Armut" werde bei den Schulschwestern als Ausdruck des "Reichtums der Erfahrung der Liebe Gottes" definiert. Man verlasse sich also auf Gott, und auch auf die Gemeinschaft, "dass ich das bekomme, was ich brauche, mich dabei als Verwalterin des mir Anvertrauten - auch der Schöpfung - sehe und dafür eintrete." Zum Armutsgelübde gehöre schließlich auch, "bei den Stimmlosen, Leidenden und Verlassenen zu sein, als eine, die selbst um Christi Willen alles verlassen hat und dafür auch zu Mangel, Verachtung und Unterdrückung bis hin zum Tod bereit ist." Hier sei auch die heute vielerorts wieder präsente Christenverfolgung angesprochen.
Quelle: kathpress