Sozialakademie-Leiterin: Kirche muss Ursachen von Armut benennen
"Die Kirche ist als Anwältin der Armen und Bedrängten mehr denn je herausgefordert, nicht nur um Almosen zu bitten, sondern die Ursachen von Ausgrenzung und Armut zu benennen." Das hat die Leiterin der Katholischen Sozialakademie Österreich (ksoe), Magdalena Holztrattner, im Interview mit der Nachrichtenagentur Kathpress aus Anlass des ersten kirchlichen "Welttags der Armen" am 19. November betont. Die Frage nach einem starken Sozialstaat oder die Forderung nach nachhaltigen, menschen- und umweltgerechten Produktionsstilen müsse auch von kirchlichen Kreisen gestellt werden, so die die Theologin und Armutsforscherin.
Mit dem Welttag rücke Papst Franziskus strukturelle und persönliche Ursachen von Armut, gerechte wirtschaftliche Beziehungen, die Wahrung der Menschenrechte und den Schutz der Mitwelt in den Mittelpunkt. Zu den impliziten Konsequenzen des Welttags zähle zugleich das Anprangern einer globalisierten Gleichgültigkeit. Damit richte der Papst das Denken weg von Statistiken zu Armut hin zu Gesichtern der Armut, sagte Holztrattner.
Der Papst setze mit dem "Welttag der Armen" außerdem erneut einen Fixpunkt für alle Katholiken und Menschen guten Willens, die Bedrängten dieser Welt nicht mehr zu ignorieren. Arme müssten weniger als ein Problem für den Rest der Menschheit, sondern als Ressource für Christen gesehen werden, da sie mit ihnen ihren Glauben stärken könnten, so die ksoe-Direktorin.
Aufholbedarf ortet Holztrattner im Bewusstsein vieler Gläubiger, denn in vielen Pfarren sei die Frage nach karitativem Engagement oft nur nebensächlich. Abhilfe könne hier Bildungsarbeit und die direkte Begegnung mit armen Menschen schaffen, schilderte sie: "Freundschaft weckt Mit-Leid mit dem Leiden der Ausgegrenzten und führt zum konkreten Einsatz mit und für Arme."
Viele Gemeinden und Gemeinschaften hätten im Gegenzug dazu aber verstanden, so die Theologin und Armutsforscherin, "dass der wahre Gottesdienst nicht nur im Sakralraum, sondern besonders wirksam im Einsatz für soziale Gerechtigkeit und in der Freundschaft mit Armen unserer Zeit gefeiert wird". Dazu zählten etwa Lerncafes mit bildungsschwachen Jugendlichen, die Begleitung von Asylwerbern, Arbeitslosenstiftungen oder Wärmestuben.
"Nicht-Arme", so Holztrattner, könnten von armen Menschen auch lernen. Da ihnen die Möglichkeit, die Zukunft zu planen, nicht im selben Ausmaß gegeben sei wie materiell Abgesicherten, lebten viele Bedürftige etwa stärker im Augenblick und seien trotz ihrer materiellen Einschränkungen und dem Stress, das tägliche Leben zu sichern, oft auch sehr gastfreundlich und großzügig. Außerdem seien viele von Armut Betroffene auch über kleine Gaben sehr dankbar und stärker im Vertrauen auf Gott verankert, so die ksoe-Direktorin.
Quelle: kathpress