Papstbrief zum neuem Welttag: "Lebensstil des Teilens fördern"
Als deutliches Zeichen gegen eine "Wegwerfkultur", die Menschen an den Rand drängt und unsichtbar macht, will Papst Franziskus den neuen "Welttag der Armen" im katholischen Kirchenkalender etablieren. Rund um den vorletzten Sonntag vor Adventbeginn sollten die Menschen besonders auf Arme in ihrer Nachbarschaft zugehen und ihnen in den Pfarrgemeinden einen Platz in der Mitte - "als Ehrengäste" - geben, heißt es im Ankündigungsschreiben, mit dem der Papst den Aktionstag unter dem Motto "Liebt nicht mit Worten, sondern mit Taten" vorstellte. Franziskus hatte den Welttag bereits vor einem Jahr zum Abschluss des "Jahres der Barmherzigkeit" bekanntgegeben.
Der neue Welttag reiht sich ein in mehrere Welt-, Gebets- und Aktionstage, mit denen die katholische Kirche jährlich den Fokus auf bestimmte Anliegen und Gruppen richtet. Papst Franziskus hatte zuletzt 2015 den Weltgebetstag zur Bewahrung der Schöpfung (1. September) eingeführt. Schon länger gibt es unter anderem den Gebetstag für die Kirche in China (2007), den Welttag der Kranken (1993), den Weltjugendtag (1986), den Weltfriedenstag (1968), die Welttage der Massenmedien (1967) und für geistliche Berufungen (1964), sowie den Weltmissionssonntag (1926) und den Welttag der Migranten und Flüchtlinge (1914).
Vor allem zu Werken der Barmherzigkeit für Menschen in Not wolle er anregen, denn Glaube müsse sich immer auch in Taten ausdrücken, erklärte Franziskus. "Ich wünsche, dass die christlichen Gemeinden sich in der Woche vor dem 19. November dafür einsetzen, viele Gelegenheiten zur Begegnung und zur Freundschaft, aber auch zur Solidarität und zur konkreten Hilfe zu schaffen. Anschließend können sie die Armen gemeinsam mit den Ehrenamtlichen, die sich um diese kümmern, zur Eucharistie an diesem Sonntag einladen", heißt es im Papstschreiben. Die Einladung zum Welttag, der eine "günstige Gelegenheit, um Gott zu begegnen", ergehe jedoch nicht nur an die Kirche, sondern auch an "alle Menschen guten Willens".
Die Kirche sei aufgrund des Evangeliums zu einer "grundlegenden Option" für die Armen verpflichtet. Entscheidend sei der "Blick auf die, die mit ausgestreckter Hand um Hilfe bitten und auf unsere Solidarität hoffen. Es sind unsere Brüder und Schwestern, geschaffen und geliebt vom einzigen Vater im Himmel." Der Mensch neige dazu, durch Errichtung von Grenzen, Mauern und Absperrungen Gott zu verraten, der den Himmels und die Erde für alle ohne Ausschluss geschaffen habe. Im Gegenzug seien "konkrete Zeichen der Brüderlichkeit" nötig - durch Teilen und verschiedenste Formen von Solidarität.
Tausend Gesichter der Armut
In seiner Botschaft wurde der Papst auch durchaus politisch: Heftig kritisierte er den "unverschämten Reichtum einer Minderheit Privilegierter" und betonte, dass dadurch die Armut weltweit verschärft wird. Der Reichtum gehe nicht selten "mit Illegalität und der beleidigenden Ausbeutung der menschlichen Würde einher", und daneben stehe "die Ausbreitung der Armut in großen Teilen der weltweiten Gesellschaft". Angesichts dessen sei es "unmöglich, untätig zu bleiben oder gar aufzugeben".
Die Armut fordere täglich mit "tausenden Gesichtern" heraus, die von Ausgrenzung, Missbrauch, Gewalt, Folter, fehlenden Bildungschancen, Arbeitslosigkeit, Sklaverei oder erzwungener Migration gekennzeichnet seien, schrieb Franziskus. "Die Armut hat das Gesicht von Frauen, Männern und Kindern, die aus niederträchtigen Interessen ausgebeutet werden, niedergetrampelt von der perversen Logik der Macht und des Geldes." Der Papst nannte in der Botschaft die Armut "die Frucht sozialer Ungerechtigkeit sowie moralischen Elends, der Habgier weniger und der allgemein verbreiteten Gleichgültigkeit".
Armut habe schon für Jugendliche verheerende Folgen, bemerkte Franziskus: Sie lösche ihren Unternehmergeist aus und verhindere, dass sie Arbeit fänden. Weiters schläfere sie den Sinn für Verantwortung ein und verleite dazu, Verantwortung abzuwälzen und nur noch Begünstigungen zu suchen. Schließlich gebe es auch eine Armut, die "die gemeinschaftlichen Brunnen vergiftet und die Räume der Arbeitswelt eingrenzt und damit das Verdienst derjenigen schmälert, die arbeiten und produzieren". Es sei nötig, darauf "mit einer neuen Sicht des Lebens und der Gesellschaft" zu antworten.
Wirkliche Begegnung mit den Armen
Bedürftige sollten nicht nur als "Empfänger eines wohltätigen, einmal in der Woche zu verrichtenden Freiwilligendienstes oder von improvisierten Gesten des guten Willens, um unser Gewissen zu beruhigen" gesehen werden, schärfte der Papst ein. Zwar seien auch diese Taten wertvoll, eine Hilfe für konkrete Bedürfnisse und eine Rücksichtnahme auf das Unrecht, das der Armut oft zugrunde liegt. Letztendlich sei jedoch eine "neue Haltung des Teilens und der wirklichen Begegnung mit den Armen" nötig, die zum Lebensstil werden müsse, mahnt Franziskus. Demut und Wissen um eigene Fehler seien dabei wichtig, um nicht in Allmachtsphantasien zu verfallen.
Als Vorbild verweist der Papst auf seinen Namenspatron Franz von Assisi (1181/82-1226), der sich entschloss, mit den Armen zu leben. "Wenn wir also einen Beitrag leisten wollen, um die Geschichte wirksam zu verändern und wirkliche Entwicklung zu ermöglichen, dann müssen wir auf den Schrei der Armen hören und uns einsetzen, um sie aus der Ausgrenzung herauszuholen", betonte Franziskus.
Arme als "Lehrmeister" sehen
Arme Menschen seien "kein Problem, sondern vielmehr eine Ressource, aus der wir schöpfen können, um das Wesen des Evangeliums in uns aufzunehmen und zu leben", hob der Papst hervor. Sie könnten auch zu Lehrmeistern für ein konsequenteres Leben des Glaubens werden: "Mit ihrem Vertrauen und der Bereitschaft Hilfe anzunehmen, zeigen sie uns auf nüchterne, aber oft frohe Weise, wie wichtig es ist, aus dem Wesentlichen zu leben und sich ganz der Vorsehung Gottes zu überlassen." Zugleich lade Armut ein, "aus unserer Sicherheit und Bequemlichkeit auszubrechen". Sie werde so zur "Herzenshaltung, die verhindert, dass wir Geld, Karriere und Luxus als Lebensziel und Grundvoraussetzungen des Glücks betrachten".
"Wenn wir wirklich Christus begegnen wollen, dann müssen wir seinen Leib auch im gemarterten Leib der Armen berühren", schrieb der Papst. Der Leib Christi in der Eucharistie lasse sich im Angesicht der schwächsten Brüder und Schwestern wiederfinden. Christen seien "gerufen, den Armen die Hand zu reichen, ihnen zu begegnen, in ihre Augen zu schauen, sie zu umarmen, sie die Wärme der Liebe spüren zu lassen, die den Teufelskreis der Einsamkeit zerbricht". Auf die Armen verweise schließlich sogar das Vaterunser, das mit der Bitte um Brot "den Schrei derer aufnimmt, die unter ihrer mangelnden Existenzsicherung leiden und denen es am Lebensnotwendigen fehlt".
Quelle: kathpress