Jägerstätter weit über Landesgrenzen hinaus bedeutsam
Der österreichische NS-Märtyrer Franz Jägerstätter (1907-1943) erfährt auch im Ausland und auf anderen Kontinenten Verehrung: Darauf hat der Linzer Theologe Ewald Volgger am Freitag im Interview mit Kathpress hingewiesen. Reliquien Jägerstätters seien seit der Seligsprechung 2007 von etlichen Kapellen und Kirchen in Europa, Amerika und Afrika angefordert worden, berichtete der Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramentaltheologie an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz, der als künftiger Leiter die für 25. Oktober angesetzte Gründung des "Franz und Franziska Jägerstätter-Forschungsinstituts" maßgeblich vorbereitet hat.
Außer die Kirche im Geburtsort St. Radegund erinnert auch der Linzer Mariendom mit einer Stele beim Altar "Maria, Königin der Märtyrer" prominent an den Seligen. In Wien besitzt die 2010 errichtete Kapelle des Kardinal-König-Hauses eine Reliquie, in Rom die von der Gemeinschaft Sant'Egidio betreute Kirche San Bartolomeo, die den "Märtyrern des 20. und 21. Jahrhunderts" gewidmet ist und in der "Kapelle zu den schmerzhaften Geheimnissen" den letzten Brief Jägerstätters vor seiner Enthauptung aufbewahrt. In Bayern ist die Jägerstätter-Reliquie auf der Wallfahrtskirche Mariahilfberg in Neumarkt (Oberpfalz) jährlich das Ziel der Wallfahrt der Mesnergemeinschaft, die den Seligen - der selbst außer Landwirt auch Mesner war - als ihren Patron verehrt.
Reliquien des Seligen finden sich jedoch darüber hinaus laut der Diözese Linz auch in zahlreichen anderen Kirchen wie in Waidhofen/Ybbs, Puch und Dorf an der Pram, im Begegnungszentrum des Stiftes Admont und der zum Stift gehörenden Wallfahrtskirche Frauenberg und dem bischöflichen Gymnasium Paulinum in Schwaz. Doch ebenso in Italien (Pfarre San Materno und Karmelitinnenkloster Gallipoli), Deutschland (Neuschönau-St. Anna) und Ungarn (Matraverebely-Szenkut), in Spanien (Jesuitenkommunität San Jose, Malaga), Tansania (Georgs-Kathedrale von Kayanga) und den USA (St. Patrick High School in Biloxi sowie Holy Trinity Church in Gran Rapids) wird auf diese Weise an den Seligen erinnert.
Thema schon beim Konzil
Während in manchen Ländern das Jägerstätter-Interesse über Bischofskontakte mit Linz zustandekam, war der Selige in der amerikanischen Kriegsdienstverweigerungs- und Friedensbewegung schon viel länger ein Begriff - als "ein besonderes Vorbild, an dem man sich orientiert", deutete Volgger die hohe Bekanntheit jenseits des Atlantiks. Geläufig war Jägerstätters Name hier früher als in Österreich: Als "Entdecker" des 1943 Hingerichteten gilt der Soziologe, Historiker und Friedensaktivist Gordon Zahn (1918-2007), der bei Recherchen in Berlin in einem Artikel des Priesters Heinrich Kreuzberg auf das Schicksal Jägerstätters stieß. Zahn besuchte St. Radegund und veröffentlichte 1964 die erste Biografie, dessen deutsche Übersetzung 1967 erschien.
Auch theologisch sei Franz Jägerstätter von hoher Relevanz, betonte Volgger: "Das Zweite Vatikanische Konzil zitierte ihn in Zusammenhang mit der Friedensethik sowie auch hinsichtlich der Frage nach dem gerechten Krieg." Nachweislich - u.a. durch Hinweise in einem Brief des Erzbischofs von Bombay - sei auf das Beispiel des Märtyrers in den Konzilsdebatten verwiesen worden, nach denen in der Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" das Gewissen in Bezug auf die Kriegsdienstverweigerung anerkannt und Menschen, die sich verbrecherischen Befehlen widersetzen, höchste Anerkennung gezollt wurde. Zurück ging dies auf die Friedensaktivisten Jean und Hildegard Goss, die in diesem Anliegen intensive Lobbyarbeit geleistet und mit 200 Konzilsvätern gesprochen hatten.
Mehr Forschung und Vermittlung
Bisher sei viel auf ehrenamtlicher Basis für die Jägerstätter-Forschung geleistet worden, sagte Volgger mit besonderem Verweis auf die Historikerin Erna Putz. Diese Arbeit gelte es nun in einem Archiv zusammenzutragen, zu institutionalisieren und auch weiterzuführen, erklärte Volgger das Grundanliegen des künftigen "Franz und Franziska Jägerstätter-Forschungsinstituts" an der KU Linz. Die Bewertung des Märtyrers solle für die Zukunft "auf breite Beine gestellt" und die wissenschaftlich-kritische Edition der Schriften - u.a. auch in einer biblisch-sozialen Dimension - ermöglicht werden. Zudem gehe es auch um eine bessere didaktische Vermittlung der Person Jägerstätters für Kinder und Jugendliche.
Die Jägerstätter-Arbeit soll dabei nur der Ausgangspunkt für die Aufarbeitung des "breiten Feldes von Widerstand" sein, und zwar nicht nur zur NS-Zeit, sondern auch grundsätzlich gegenüber totalitären, menschenverachtenden Systemen. Unter dem Stichwort "Wolke der Zeugen" wolle man die große Zahl von noch unbekannten Namen inner- und außerhalb der Kirche erforschen und so in Erinnerung bewahren. Volgger: "Derzeit erleben wir eine Christenverfolgung, wie sie es in diesem Ausmaß noch nicht gegeben hat. Ziel ist es, durch Forschung Zusammenhänge, Hintergründe und Möglichkeiten des Widerstandes im Sinne einer Friedensarbeit aufzuzeigen."
Würdigung für "Standhaftigkeit"
Dass dennoch auch die 2013 verstorbene Franziska Jägerstätter im Institutsnamen erwähnt wird, bezeichnete Volgger als "Würdigung dessen, was in der Jägerstätter-Arbeit deutlich geworden ist: Wie sehr sich die beiden getragen haben." Franziska habe ihren Mann zunächst zum Überdenken seiner Entscheidung der Kriegsdienstverweigerung bewegen wollen, sei dann aber fest zu ihm gestanden - wie auch für dessen posthumen Weg zur Seligsprechung: Zu letzterer habe Franziska "durch ihr Zeugnis und ihre Standhaftigkeit in St. Radegund" wesentlich beigetragen. Zwar brächten manche Stimmen rund um die Institutsgründung eine etwaige spätere Seligsprechung von Franziska ins Spiel, diese stehe aber nicht im Vordergrund, stellte der Theologe klar.
Volgger war 2007 von der Diözese Linz mit der inhaltlichen Vorbereitung der Seligsprechungsfeier beauftragt worden. Seither riss seine intensive Beschäftigung mit dem Seligen nicht ab: Mit Franziska Jägerstätter entwickelte sich ebenso ein regelmäßiger Kontakt wie auch mit der Heimatgemeinde St. Radegund, die Volgger in den vergangenen Jahren bei der künstlerischen Neugestaltung ihrer Pfarrkirche sowie der Neuverortung der Reliquien begleitete. Eine Publikation ebenfalls über die Reliquien Jägerstätters sowie über seine kirchliche Bedeutung ist in Vorbereitung.
Arbeitsbeginn zu Jahreswechsel
Das Institut wird am 25. Oktober um 11 Uhr - fast taggenau zehn Jahre nach der Seligsprechung von Franz Jägerstätter am 26. Oktober 2007 - in einem Festakt von Bischof Manfred Scheuer gegründet und soll seine Arbeit mit Jahresbeginn 2018 aufnehmen. Zwei wissenschaftliche Posten und sowie das Sekretariat würden demnächst ausgeschrieben, wobei die künftigen Akzentsetzungen stark von den bestellten Personen abhängen werde, sagte Volgger. Die Beauftragung und Finanzierungssicherung gilt zunächst über zehn Jahre.
Bei der von Bischof Scheuer als Großkanzler der Universität geleiteten Institutseröffnung wird u.a. der Innsbrucker Dogmatiker Jozef Niewiadomski über "politisches Martyrium" referieren und dabei das Lebenszeugnis der Jägerstätters in den Kontext aktueller Herausforderungen von Verfolgung und Terror stellen. Der Journalist und Schriftsteller Martin Pollack spricht über den Wert des Einsatzes gegen das Vergessen und Verdrängen auch über Österreichs Grenzen hinaus.
Quelle: kathpress