"Die Aufmerksamkeit für Franziska ist gewachsen"
"Das hätte sich mein Mann nie gedacht, dass man einmal so viel von ihm redet - und das überrascht mich auch selbst": So habe Franziska Jägerstätter, Ehefrau des 1943 NS-Kriegsdienstverweigerers Franz Jägerstätter, in den Jahren nach dessen Seligsprechung 2007 bis zu ihrem Tod 2013 den Widerhall beschrieben, mit dem ihr Mann nach langer Verachtung zu späten Ehren kam. Erna Putz, Jägerstätter-Biografin und viele Jahre Gesprächspartnerin der Witwe, ließ im Interview mit Kathpress die Nachwirkungen der Seligsprechung Revue passieren. Der Umgang mit Franz Jägerstätter sei heute "unbefangener" als vor zehn Jahren, zudem liege der Blick seit dem Tod von Franziska Jägerstätter nun verstärkt auch auf ihrer Figur und Ehe - sowie auf Zeitgenossen, die ein ähnliches Schicksal erlitten, sagte Putz.
Die Übergabe der Reliquien des Seligen an Bischof Ludwig Schwarz durch Franziska Jägerstätter sei damals der emotionale Höhepunkt der Feier im Linzer Dom gewesen, berichtete Putz. Eine Stele beim Altar "Maria, Königin der Märtyrer" erinnert seither an den 26. Oktober 2007. Es folgte eine Jägerstätter-Oper von Viktor Fortin im Alten Dom und ein Empfang im Landhaus, während ein von Putz angeregtes Konzert mit Gruppen der Volkskultur nicht zustandekam. "Die Gefühlslage war damals noch so, dass bei der Nennung Jägerstätters oft die Frage folgte: Wie stehst du dazu, Soldat im Krieg gewesen zu sein - und wenn er recht hatte, was ist dann mit meinem Vater?", schilderte die Historikerin. Gäste aus dem Ausland hätten sich da eindeutig leichter getan, wie die bei der Seligsprechungsfeier in vielen Sprachen ausgedrückte Freude und Wertschätzung bekundet hätten.
Für Franziska Jägerstätter habe die Seligsprechung ihres Mannes - die damals bereits 94-Jährige war zuvor schon gesundheitlich beeinträchtigt - immense Freude bereitet. "Sie ist nachher sichtlich aufgelebt und hatte noch fünf gute Jahre." In diese Zeit fiel 2008 eine Bahnfahrt nach Rom zur Präsentation der italienischen Jägerstätter-Biografie auf Einladung der Gemeinschaft Sant'Egidio - wobei sie zu diesem Anlass auch Papst Benedikt XVI. begegnete.
Gedenkorte und Bühnendrama
Das Interesse an den Jägerstätters flaute nach 2007 nicht ab, im Gegenteil. Straßen, Bibliotheken und Studentenheime wurden nach dem neuen Seligen benannt, sein Bild weltweit auf Altäre und Kirchenfenster gemalt und neue Bücher - eines davon als Ergebnis eines Schülerwettbewerbes - veröffentlicht. Gedenksteine wie etwa in Enns und Berlin schufen neue Erinnerungsorte, Tagungen und Festakte würdigten Jägerstätter auch im polnischen Breslau, in New York sowie in Lourdes, wo ihm die heimische Militärseelsorge 2008 eine Ausstellung widmete. Die jährlichen Jägerstätter-Wallfahrten rund um den Sterbetag im August fanden weiter Zulauf und Gruppen aus dem Ausland kamen in seinen Geburtsort - "jährlich an die 30 Busse, manche auch aus dem Ausland", wie Putz berichtete.
"Künstler sind auch bei Jägerstätter unter den ersten gewesen, die Fragen stellen", so die Historikerin rückblickend auf die weitere Aufarbeitung der Biografie. Ebenso wie sich zuvor etwa Axel Corti (1971) filmerisch oder Ernst Degaspari (1991) grafisch dem Innviertler Märtyrer gewidmet hatten, brachte ab 2008 die Schauspielerin Eike Baum in Linz das Kindertheaterstück "Franziska erzählt" 69 mal zur Aufführung. Viel Beachtung fand Felix Mitterers "Jägerstätter", das im Juni 2013 uraufgeführt und im Theatersommer Haag sowie im Wiener Theater an der Josefstadt gezeigt wurde.
Seligsprechungs-Frist endet im März
Der sicher markanteste Termin des Jahrzehnts war in Sachen Jägerstätter der Tod von Franziska am 16. März 2013, weniger als zwei Wochen nach ihrem 100. Geburtstag. Die zuvor von Kirche und Staat vielfach Geehrte habe sich über die Gratulationen sehr gefreut, sei dann "friedlich eingeschlafen", erklärte Putz. Das Interesse an ihrer Person sei seither - auch infolge der Publikationen von Briefwechseln des Ehepaares - stets gestiegen.
Über eine mögliche Seligsprechung von Franziska Jägerstätter - die für das kirchliche Verfahren einzuhaltende Fünfjahresfrist läuft im März 2018 ab - wollte Putz auf Kathpress-Anfrage keine Vorhersagen abgeben. Die Erinnerung auch an sie gehe weiter, mit Veranstaltungen in St. Radegund, Wien und Innsbruck zu ihrem Geburtstag und nächstens auch mit der Errichtung des "Franz und Franziska Jägerstätter-Forschungsinstituts" in Linz. Ausschlag werde jedoch vor allem die Form der künftigen Wertschätzung durch die Gläubigen geben sowie auch die Positionierung der Diözese.
Signalisiertes Interesse an einer künftigen Seligen Franziska Jägerstätter habe es seitens der römischen Heiligsprechungskongregation gegenüber Bischof Ludwig Schwarz 2015 gegeben, berichtete Putz; das Paar werde von manchen in die Nähe der - 2015 heiliggesprochenen - Eltern der heiligen Teresa von Lisieux, Louis und Zelie Martin, gerückt. Bei Franziska wäre die Begründung freilich völlig anders gelagert als bei ihrem Märtyrergatten: U.a. seien dabei ihr Mittragen der Entscheidung, jedoch auch unabhängig davon ihr apostolischer Einsatz bis ins hohe Alter in den Blick zu nehmen.
Die Laienapostolin
Putz beschrieb ihre langjährige Gesprächspartnerin als "sehr apostolische" und in der Pfarre engagierten Frau: Franziska sei Mesnerin und Kommunionspenderin gewesen, habe die Ausbildung für Laien in priesterlosen Gemeinden gemacht und sei "aktiver Teil in einer priesterlosen Kleinpfarre" gewesen. Viele von Jägerstätters pastoralen Bemühungen erlebte Putz eigenen Angaben zufolge selbst mit: "Ihr war es immer ein Anliegen, wie es dem anderen Menschen im Glauben geht, und sie ging bis zuletzt mit viel Feingefühl auf ihr Gegenüber ein". Auf gute Weise - nie penetrant - sei Franziska auch ein "sehr missionarischer Mensch" gewesen: Als etwa der Lichtreiche Rosenkranz erschien, habe sie diesen sofort abschreiben lassen und auf kleinen Zetteln verteilt, "noch lange, bevor er gedruckt war".
Eine ganz spezielle Sicht auf Franziska Jägerstätter gebe es aus der Schweiz, berichtete Putz. "Angesichts des heurigen 600. Geburtstags des Nationalpatrons Klaus von der Flüe wird oft über dessen Frau Dorothea gesprochen, die Klaus mit elf Kindern zurückließ, als er sich - mit ihrem Einverständnis - zum Leben als Einsiedler entschied. Viele in der Schweiz tun sich schwer mit ihrem Schicksal, besonders da von ihr sehr wenig überliefert ist. Manche sagen, dass ihnen die Haltung von Franziska Jägerstätter den Zugang zu Dorothea ermöglicht."
Kurzes Eheglück
Franz und Franziska waren "ein sehr glückliches Paar und haben einander sehr gerne gehabt", berichtete Putz. "Sie gehörten zu den glücklichsten Menschen, die ich kenne." Die Jägerstätters hätten viel miteinander geredet und ein "tiefes Verstehen und geistige Gemeinsamkeit" verspürt, vor allem was den religiösen Glauben betrifft: Auch von "gemeinsamen religiösen Erfahrungen, die das Glück noch einmal vertieft haben" und einem "Einander-Weiterhelfen im Glauben" habe ihr Franziska oft berichtet. Franz habe einmal gesagt: "Ich habe mir nicht vorgestellt, dass Verheiratetsein so schön sein kann."
Allerdings sei Franz auch ein "Mensch, der alles genau wissen wollte und immer genau hinsah" gewesen und habe zudem den Mut besessen, "dann auch die Konsequenzen zu ziehen". So sei es gekommen, dass er nach seiner Erkenntnis der mörderischen Absichten des NS-Unrechtsregimes seinen Entschluss, dieses nicht zu unterstützen, dann auch umgesetzt habe. Putz: "Diese Geradlinigkeit bedeutet eine große Stärke und Freiheit, denn alles, was man verdrängt und nicht wissen will, engt einen Menschen auch ein." Für Franziska musste die Entscheidung ihres Mannes zur Wehrdienstverweigerung - und seinen Konsequenzen - "bitter" und auch schmerzlich sein, "sie hat sie nicht ganz verstanden", wie Putz schilderte. Dennoch habe Franziska ihren Mann innerlich "freigegeben" und ihn unterstützt - und sei daran nicht zerbrochen, sondern beide seien dadurch "noch weiter in der Liebe gewachsen".
Quelle: kathpress