Wien: Voller Rathausplatz zum Reformationsfest
"Reformation bewegt. Seit 500 Jahren, und auch heute." Mit diesen Worten hat der lutherische Bischof Michael Bünker Samstagmittag das Fest zum 500-jährigen Reformationsjubiläum am Wiener Rathausplatz eröffnet. Das Fest ist der gesamtösterreichische Höhepunkt im Jahr des Reformationsjubiläums. Tausende Menschen aus allen Teilen Österreichs waren dazu am Samstag nach Wien gekommen.
"Reformation als gesamtgesellschaftlicher Aufbruch ist auch heute noch wichtig", so Bünker weiter. "Was wir brauchen sind Mut und Zuversicht. Und das wollen wir mit diesem großen und öffentlichen Fest zum Ausdruck bringen." Am 31. Oktober 1517 hatte Martin Luther mit seinen 95 Thesen zur Veränderung der Kirche einen Umbruch ausgelöst, der alle Bereiche der Gesellschaft betraf. Die drei Evangelischen Kirchen in Österreich - die lutherische, reformierte und methodistische Kirche - feiern dieses Ereignis gemeinsam und konfessionsübergreifend.
Thomas Hennefeld, Landessuperintendent der Evangelischen-reformierten Kirche, schlug wie Bünker den Bogen von der Vergangenheit zu Gegenwart und Zukunft: "Die Reformation hat wichtige Impulse gegeben, z.B. für die Demokratisierung und die Entwicklung der Menschenrechte. Auch heute leben wir in bewegten Zeiten. Wir wollen als evangelische Kirchen auch heute etwas bewegen." Das Fest am Rathausplatz wolle brennende Fragen der Gegenwart aufgreifen und zur Auseinandersetzung anregen.
Der evangelisch-methodistische Superintendent Stefan Schröckenfuchs blickte konkret auf die Schwerpunkte des Fests voraus: "Reformation bewegt uns auch heute dazu, Verantwortung zu übernehmen. Die Themenblöcke des Festes - Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung -zeigen, in welchen Bereichen wir als Kirchen Verantwortung übernehmen wollen."
Im Anschluss daran wurde der erste Themenblock "Bewahrung der Schöpfung" mit der Präsentation eines "Reformobils" eröffnet - einer fünf Meter langen und sieben Meter hohen Zeitmaschine, die von Kindern und Jugendlichen aus 23 evangelischen Schulen in Wien und Niederösterreich zusammengebaut worden war. Das Reformobil, das über Pedale angetrieben vor die Bühne gerollt kam, ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung der Schüler und Schülerinnen mit Fragen des Umweltschutzes und der Nachhaltigkeit. Präsentiert wurde das Projekt von Pfarrerin Maria Katharina Moser, die gemeinsam mit Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky kräftig in die Pedale trat, um das Reformobil durch die volle Menschenmenge vor die Bühne zu bewegen.
In einer Videobotschaft richtete sich der deutsche EU-Parlamentarier und Leiter der Koordinierungsgruppe der "European Christian Convention", Sven Giegold, an das Publikum. Als einer von vier "Mutmachern und Mutmacherinnen" appellierte Giegold an die zivilgesellschaftliche Verantwortung in Fragen der Bewahrung der Schöpfung: "Die Bewahrung der Schöpfung ist die große soziale Frage unserer Zeit. Die Welt schrumpft, wächst zusammen. Wir müssen uns gemeinsam als Zivilgesellschaft engagieren, dass die Interessen des Gemeinwohls immer an erster Stelle stehen."
Dichtes Programm bis in den Abend
Im Laufe des Nachmittags folgten die Themenblöcke "Gerechtigkeit" und "Frieden". Zum Thema Gerechtigkeit treten Thomas Korbun, der Vorstandsvorsitzende von SOS Mediterranée Deutschland, und die palästinensische Friedensvermittlerin Sumaya Farhat-Naser auf.
Als ein weitere Höhepunkte war der Auftritt der liberianischen Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee vorgesehen, die zum Thema Frieden sprach. Gbowee hatte in ihrer westafrikanischen Heimat sowohl christliche als auch muslimische Frauen mobilisiert, um sich für die Beendigung des langjährigen Bürgerkriegs zu engagieren.
An 19 Stationen im Rathauspark warteten Spiele, Abenteuer und Experimente auf Kinder und Jugendliche. In 38 Pagoden informieren evangelische Einrichtungen über ihre Aktivitäten. Rund 1.000 Personen wirken an der Veranstaltung mit. Die Veranstalter sprachen intern bereits von gut 10.000 Besuchern.
In Österreich leben insgesamt rund 303.000 Evangelische. Zur evangelisch-lutherischen Kirche (Evangelische Kirche A.B.) gehören 194 Pfarrgemeinden, zur evangelisch-reformierten Kirche (Evangelische Kirche H.B.) 9 Pfarrgemeinden und zur evangelisch-methodistischen Kirche 8 Pfarrgemeinden.