Turnovszky: Konservativ und progressiv sind "beides Irrwege"
Die Kirche in Europa durchwandert derzeit nach den Worten des Wiener Weihbischofs Stephan Turnovszky eine "Wüste" und läuft dabei stark in Gefahr, in die Irre zu gehen. Sowohl das progressive als auch das konservative Erfolgskonzept ist falsch, sagte Turnovszky, der in der Bischofskonferenz für Jugendpastoral zuständig ist, am Donnerstagabend bei einem Ökumene-Gespräch im Rahmen der "Herbsttage" in der Wiener Kirche St. Florian. Das mehrtägige Festival mit rund 300 Teilnehmern wird von der Loretto Gemeinschaft in Wien veranstaltet.
Der Jugendbischof nahm Bezug auf das biblische Bild des Propheten Hosea, in dem die vom Herrn in die Wüste geführte Kirche als Braut untreu wird und anderen Liebhabern nachrennt. Diese Versuchungen hießen heute Erfolg und Sicherheit, wobei man wegen ausbleibender Seelsorgeerfolge heute zu zweiter Option neige - und hier vor "zwei Irrwegen" stehe, wie Turnovszky darlegte.
Als erste dieser "falschen Sicherheiten" bezeichnete der Bischof den konservativen Rückblick und das nostalgische "Erinnern an Zeiten, in denen Kirchen voll waren und sagt wir müssen zurück, denn früher war es besser". Das progressive Konzept richte den Blick hingegen nicht nach vorne, sondern zur Seite, nach dem Schema: "Wir müssen uns orientieren an den Menschen rechts und links neben uns, an den Zeitgenossen, an der Moderne. Wir müssen endlich das einführen, was gang und gäbe ist, dann werden wir wieder attraktiv sein."
Der Blick nach vorne zu Jesus Christus sei die Sicherheit der Christen, nicht jener rückwärts oder seitwärts, betonte Turnovszky in seiner Ansprache. Jesus wolle selbst aufzeigen, "was es bedeutet, Kirche im 21. Jahrhundert zu sein, denn dafür gibt es keinen Präzedenzfall". Notwendig sei es daher, zu lernen, sich auf "ganz Neues" einzulassen und genügend "Mut, es auszupacken" zu zeigen.
"Europas Problem sind die Christen"
Der Wiener Weihbischof äußerte sich in einem Gespräch mit Andreas Boppart, Leiter des Schweizer "Campus für Christus", welcher zu den größten überkonfessionellen Missionsnetzwerken weltweit zählt, sowie Berna Lang von der Jüngerschaftsschule "J9" in der "Home Missionbase" in Salzburg.
Bei allem Jammern über Europa und dessen politische Entwicklungen sei das Problem "nicht die Politik, sondern die Christen, die nicht aufstehen und Hoffnungsträger sind", betonte Boppart. Christen hätten vergessen, dass Jesus "nach wie vor das Licht der ganzen Welt" sei. Nötig sei es deshalb, dass "wir wieder an diesen Christus glauben und ihn in die Kirche und in die Gesellschaft hineintragen", so die Empfehlung des freikirchlichen Missions-Spezialisten.
Höhepunkte der Loretto-Herbsttage sind neben weiteren Diskussionsveranstaltungen und Workshops ab Samstagmittag ein Missionseinsatz auf den Straßen Wiens und ein "Abend der Barmherzigkeit" im Stephansdom, wo wie im vergangen Jahr mehr als 4.000 Menschen zu Lobpreis bei Pop-Klängen und Lichteffekten - und eine junge, dynamische und freudvolle Kirche", wie es seitens der katholischen Gemeinschaft heißt - erwartet werden. Für Sonntag stehen u.a. ein "Wohnzimmerkonzert" und eine Messe für Familien auf dem Programm.
(Infos: www.herbsttage.wien)
Quelle: kathpress