Raffael in der Albertina: Päpste rissen sich um ihn
Einem Universalgenie der Hochrenaissance, Raffael (1483-1520), ist eine ab Freitag geöffnete Ausstellung in der Wiener Albertina gewidmet. Die 130 präsentierten Zeichnungen dienten dem lange als größtem Maler der Kunstgeschichte geltenden Meister als Vorstudien für seine Gemälde - von denen in Wien 18 Leihgaben u.a. aus Florenz, Paris, Berlin und Washington zu sehen sind - und ermöglichen Interessierten Einblicke in den peniblen Arbeitsprozess eines Genies. Diese Graphik-Kunstwerke von höchster Qualität verdeutlichen, warum sich Päpste und andere Mäzene um den früh zu Ruhm Gekommenen rissen. Einen Schwerpunkt der Albertina-Schau bilden Vorzeichnungen für Raffaels Ausgestaltung der päpstlichen Gemächer ("Stanzen") mit Wandgemälden.
Kirchlichen Bezug hat auch ein um 38 Millionen Dollar an einen Privatsammler versteigerter Apostelkopf auf Papier: Die Zeichnung ist eine Vorstudie zu Raffaels letztem Gemälde, der "Transfiguration" aus den Vatikanischen Sammlungen. Ein eigener Saal der Albertina ist dem Gegenüber von Vorstudie und Gemälde im Falle von Madonnenbildern gewidmet, die Höhepunkte in Raffaels Schaffen darstellen. Zu sehen ist etwa ein Beispiel aus dem Typus der Madonna mit spielendem Jesuskind - dem "Deus ludens": Der Griff des Säuglings in den Ausschnitt der Mutter unterstreicht die Menschlichkeit des Gottessohns und der nährenden "Maria lactans".
Die tiefblau und rot gehaltenen Ausstellungswände unterstreichen die Wirkung der hochkarätigen Kunstwerke. Sie sind in allen drei wesentlichen Schaffensperioden Raffaels - in der frühen umbrischen Periode (bis 1504), den Jahren seines Florenz-Aufenthaltes (1504-1508) bis hin zur römischen Zeit (1508/1509-1520) - entstanden und stammen aus bedeutenden Museen wie den Vatikanischen Museen, den Uffizien, der Royal Collection der britischen Queen, dem British Museum, dem Louvre und dem Ashmolean Museum in Oxford. Geöffnet ist die von Achim Gnann in fünfjähriger Vorbereitungszeit kuratierte Schau von 29. September bis 7. Jänner 2018 täglich von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr.
Leuchtstern der Renaissancekunst
Raffaello Santi (auch Sanzio da Urbino) wurde 1483 in Urbino als Sohn des Goldschmieds und Malers Giovanni Santi geboren. Um 1500 ging der früh zum Waisen Gewordene als Schüler Pietro Vanuccis ("Perugino") nach Perugia, schon im Alter von 17 Jahren galt er als "magister" (Meister) seines Fachs. Sein erstes großes eigenständiges Gemälde widmete er dem Thema Passion Christi: Die "Londoner Kreuzigung" (um 1502/03) zeigt die trauernden Maria, Johannes, Maria Magdalena und Hieronymus bei dem von zwei Engeln flankierten Gekreuzigten. 1504 wechselte der junge Meister in das von Michelangelo und Leonardo da Vinci geprägte Florenz, deren Meisterwerke Raffael stark beeinflussten. Zahlreiche Aufträge von Florentinern führten zu Madonnenbildern wie der heute im Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehenden "Madonna im Grünen" (1506).
Ab 1508 arbeitete Raffael - laut Vasari auf Empfehlung des Petersdom-Architekten Bramante - im Rom des Renaissance-Papsts Julius II. Dieser und sein Nachfolger Leo X. ehrten den zum "Star" gewordenen jungen Meister mit Auszeichnungen und Aufträgen: Raffael gestaltete im Vatikan die Stanzen mit Wandgemälden, zwischen 1509 und 1517 entstanden seine berühmtesten Werke wie die Schule von Athen, das "Parnass"-Fresko, Die Messe von Bolsena oder Die Befreiung Petri, in denen Raffael religiöse Themen mit den politischen Ereignissen seiner Zeit verband. Um 1512 schuf er mit der Sixtinischen Madonna sein berühmtestes Madonnenbild, das heute im Dresdener Zwinger zu sehen ist.
Nach dem Tod Bramantes wurde Raffael 1514 dessen Nachfolger als Architekt und Bauleiter der neuen Peterskirche. Dies nahm ihm die Zeit, seine späten Gemälde selbst anzufertigen; Mitarbeitern aus seiner Werkstatt oblag die Ausführung. Raffaels letztes Meisterwerk, das er weitgehend eigenhändig malte, war in seinem Todesjahr 1520 die Verklärung Christi bzw. Transfiguration (heute: Vatikanische Pinakothek). Erst 37-jährig starb Raffael am 6. April 1520 unter bis heute ungeklärten Umstanden. Er wurde auf eigenen Wunsch im römischen Pantheon bestattet. Die lateinische Inschrift des Grabmals stammt vom italienischen humanistischen Gelehrter und Kardinal Pietro Bembo: "Ille hic est Raphael, timuit quo sospite vinci, rerum magna parens et moriente mori" ("Dieser hier ist Raffael, von dem die große Mutter der Dinge [= die Natur] fürchtete übertroffen zu werden, solange er lebte, und mit ihm zu sterben, als er starb."
Quelle: kathpress