Glettler: "Politisch" sein durch Aufmerksamkeit für Notleidende
"Im Sinne einer wirklichen Aufmerksamkeit für die Notleidenden unserer Zeit" will Hermann Glettler ein "politischer Bischof" sein. Der designierte Innsbrucker Diözesanbischof erklärte in einem Interview mit dem aktuellen steirischen "Sonntagsblatt", das auch in der Wiener Kirchenzeitung "Der Sonntag" veröffentlicht wurde, er sehe es als Auftrag der Kirche, gemäß dem Zweiten Vatikanischen Konzil Anteil an den Freuden und den Leiden der Menschen zu nehmen und "Salz und Licht zu sein - manchmal mitten im 'ganz normalen Wahnsinn' heutigen Lebens". Parteipolitisches Engagement sei damit "natürlich nicht" gemeint, stellte Glettler klar.
Als ein prägendes Erlebnis für sein späteres soziales Engagement als Pfarrer im Grazer "Multikultibezirk" Gries berichtete Glettler in dem Interview vom Sommer 1990, als er als Freiwilliger in einer Suppenküche und Notschlafstelle von Mutter-Teresa-Schwestern in der New Yorker Bronx arbeitete. "Das war eine meiner tiefsten Erfahrungen gelebter Nächstenliebe in einem Umfeld echter Trostlosigkeit."
Seine Religiosität sei stark beeinflusst von seiner Kindheit auf dem heimatlichen Bergbauernhof im steirischen Übelbach und dem dort "sehr bodenständigen Glauben". Seine Eltern nahmen Mitte der 1970er-Jahre an einem Cursillo teil, was die familiäre Glaubenskultur positiv geprägt habe, wie Glettler erzählte. Als Teenager kam er in Kontakt mit der Charismatischen Erneuerung und dem "leidenschaftlichen Pfarrer" Johann Koller von Wien-Hernals, nach der Matura bei einer Reise nach Burgund mit der Gemeinschaft Emmanuel, der sich Glettler 1987 anschloss. "Die Möglichkeit, als Priester in einer Gemeinschaft zu leben und in einer zeitgemäßen Weise missionarisch zu sein, ist mir dort als Vision geschenkt worden."
"Fingerzeig Jesu" bei Ernennung
Über die Umstände seiner Ernennung berichtete Glettler von einem "Fingerzeig Jesu": Auf Einladung der vatikanischen Bischofskongregation fuhr er am vergangenen Donnerstag, 21. September, nach Rom. An diesem Festtag des heiligen Matthäus besuchte er die Kirche San Luigi dei Francesi und betrachtete das Bild "Die Berufung des Matthäus" von Caravaggio. "Jesus zeigt in eine Gruppe hinein, und es ist gar nicht klar, wen er meint", erläuterte Glettler das Gemälde des Malers des Frühbarocks. Drei Stunden später überreichte ihm Kongregations-Chef Kardinal Marc Ouellet überraschenderweise sein Ernennungsdekret. "Nach dem ersten Schock und einigen Versuchen, ein paar Einwände geltend zu machen, hat sich jedoch ein innerer Friede eingestellt", so Glettler weiter. "In meinen Gedanken war ich beim Fingerzeig Jesu auf dem Caravaggio-Bild: Jetzt zeigt der Herr auf mich! Er ruft mich als einen einfachen und meist sehr beschäftigten Menschen, und er ruft mich, obwohl er meine Schwächen und Sünden kennt. Das ist Barmherzigkeit."
Damit knüpfte der bisherige steirische Bischofsvikar auch an eine Erfahrung am elterlichen Bauernhof an: "Ich durfte als Kind ordentlich mitarbeiten, mein Vater hat mir viel zugetraut." Dies habe sich auch auf seine Priesterberufung ausgewirkt, sagte Glettler: "Gott traut mir was zu und braucht mich - und die Menschen ebenso."
"Niemanden zur zeitgenössischen Kunst bekehren"
Angesprochen auf seine Affinität zur Kunst und auf die augenzwinkernde Frage "Müssen sich die Tiroler vor einem Kunst-Bischof fürchten?" antwortete Glettler: "Sicher nicht. Ich will niemanden zur zeitgenössischen Kunst bekehren." Er sehe Kunst als "Katalysator" und "Hilfe zur Ermöglichung einer besseren und ehrlicheren Kommunikation". Aber den "Steirischen Herbst" wolle er nicht nach Tirol mitnehmen.
Mit Kunst verbunden seien auch seine bisherigen Berührungspunkte mit der Diözese Innsbruck, so Glettler: Einige Kirchen des Landes kenne er von einer Exkursion im Zuge seines Kunstgeschichte-Studiums. Von der Stadt Innsbruck kenne er hauptsächlich kulturelle Highlights wie die Fresken von Max Weiler auf der Hungerburg. Mit diesem 2001 verstorbenen Tiroler Maler kam Glettler auch persönlich in Kontakt, als er im Grazer Priesterseminar dessen Arbeiten ausstellte. Als er den Künstler in Wien besuchte, "war er sehr angetan, dass sich ein angehender Priester für Kunst interessierte", erinnerte sich Glettler. Weiler habe eine tiefe mystische Sicht der Welt gehabt. "Bei seinem 80. Geburtstag, den er im Sommer 1990 in New York feierte, durfte ich dabei sein."
Zuletzt sei er intensiv in die Vorbereitungen zum Jubiläum "800 Jahre Diözese Graz-Seckau" und in den in der Steiermark laufenden Prozess der Kirchenentwicklung eingebunden gewesen. "Diese Arbeit muss ich zurücklassen", bedauerte Glettler, "aber ich freue mich schon auf das Jubiläumswochenende im Juni 2018 in Graz". Groß sei aber auch die Freude auf die Begegnung mit den Menschen in Tirol. "Die Freude auf das Bischofsamt braucht noch etwas, 'der erste Schrecken' ist einmal vorbei." Mittlerweile hätten ihn "schon sehr viele positive Signale des Willkommens erreicht". Und es sei ihm nun klar, "dass ich mit dem Tirolerisch eine weitere Fremdsprache erlernen muss", wie Glettler lachend hinzufügte.
Quelle: kathpress