Internationales Theologentreffen: Europa braucht Theologie
Es braucht eine christliche akademisch-theologische Stimme, da nur gemeinsam auf die großen Herausforderungen der Gegenwart geantwortet werden kann: Darin zeigten sich die Teilnehmer eines großen internationalen evangelischen Theologentreffens einig, das am Mittwoch in Wien zu Ende gegangen ist. Der von der "Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie" (WGTh) und der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien gemeinsam organisierte "16. Europäische Kongress für Theologie", der vom 10. bis 13. September in Wien stattfand, stand heuer unter dem Motto "Christentum und Europa".
Man habe sich "bewusst nicht mit dem Reformationsjubiläum befasst, um ein Zeichen zu setzen, dass evangelische Kirche und Theologie mehr ist als Luther", sagte der Münsteraner Kirchenhistoriker und stellvertretende Vorsitzende der WGTh, Prof. Albrecht Beutel, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur "Kathpress". Die Frage indes, was es bedeute, von den "christlichen Wurzeln Europas" zu sprechen, sei "virulent" und könne "nur konfessionsübergreifend erschöpfend beantwortet werden", so Beutel. Daher habe man sich auch systematisch über die Bereiche "Das Christentum in der europäischen Geschichte", "Das Christentum in der europäischen Pluralität" und "Das Christentum in der europäischen Wissenskultur" dieser Frage genähert. Dabei kamen evangelische wie katholische Theologen sowie jüdische Stimmen gleichermaßen zu Wort, darunter etwa der in Toronto und an mehreren deutschen Universitäten lehrende jüdische Bibelwissenschaftler Carl S. Ehrlich, der zur Frage "Die Bibel - ein europäisches Buch?" referierte.
Unter den Referenten waren katholischerseits der früher in Linz und Innsbruck und heute in Frankfurt Kirchengeschichte lehrende Prof. Günther Wassilowsky ("Die christlichen Konfessionen als binnenplurale Konfliktgemeinschaften"), der frühere Freiburger Dogmatik-Lehrstuhl-Inhaber Prof. Peter Walter ("Gegeneinander, nebeneinander, miteinander? Das zukünftige Verhältnis der christlichen Konfessionen in Europa") sowie der Regensburger Neutestamentler Prof. Tobias Nicklas.
Grußworte sowie morgendliche Impulse sprach u.a. der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker und Diakonie-Direktor Michael Chalupka. In seinen Grußworten betonte Bischof Bünker: "Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts verlangen nach einem freien und geeinten Europa, dessen Bereitschaft zur Solidarität nicht an den Grenzen einzelner Staaten endet und über die Grenzen Europas hinausreicht."
Der "Europäische Kongress für Theologie" findet alle drei Jahre an wechselnden Orten statt - zuletzt in Zürich, Berlin und Wien. War der Kongress evangelischen Ursprungs, so habe die "Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie" sowie der Kongress in den letzten Jahren eine deutliche konfessionelle und interreligiöse Öffnung gezeitigt, so Beutel. Schließlich zeige sich bei allen fachwissenschaftlichen Unterschieden doch immer stärker, dass die großen gesellschaftlichen Themen nach einer gemeinsamen Antwort verlangten. "Als Theologinnen und Theologen sind wir immer auch aufgefordert, in die Gesellschaft hineinzuwirken." Darin sieht Beutel auch eine der zentralen Herausforderungen für die akademische Theologie in den kommenden Jahren: Die Arbeit an einer gemeinsamen, konfessionsübergreifenden Plattform - "denn gehört werden wir nur, wenn wir mit einer Stimme sprechen".
Die den Kongress ausrichtende "Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie" wurde 1973 gegründet. Der Verein, der die Förderung theologischer Wissenschaft zum Ziel hat, hat seinen Sitz in Göttingen. Vorsitzender ist der Bonner evangelische Theologe Prof. Michael Meyer-Blanck. Nach eigener Darstellung hat die Gesellschaft mehr als 700 Mitglieder, die in der theologischen Lehre und Forschung tätig sind. Die Mitgliedschaft steht ausdrücklich auch Theologinnen und Theologen anderer Konfessionen und Religionen offen. (Infos zum Kongress: www.etf2017wgth.at)
Quelle: kathpress