"Die dritte Option": Kino-Doku hinterfragt Pränataldiagnostik
Reichlich Diskussionsstoff über ein verdrängtes Thema liefert der Film "Die dritte Option", der am Freitag in die heimischen Kinos kommt. Was bedeuten die vorgeburtlichen Screenings, die bei auffälligem Befund meist zur Spätabtreibung führen, für die Gesellschaft? Was heißt Behinderung? Und warum funktioniert die Selektion so reibungslos? Derartige Fragen stellt Thomas Fürhapter mit seinem 78-minütigen Filmessay - auf äußerst gelungene Weise, wie kirchliche Fachexperten aus dem Bereich Bioethik übereinstimmend beurteilen.
"Die Pränatalmedizin ist der einzige Bereich in der Medizin, in der wir töten können", stellt der Film nüchtern fest. Schon im Titel spricht er das Töten - des behinderten Fötus im Mutterleib - an, als "dritte Option" neben dem Lindern und Helfen nach der Geburt. In trockenem, teils sehr langsamen Stil hört man aus dem Off aufrüttelnde Texte von Ärzten, Philosophen und Therapeuten, die beruflich mit Pränataldiagnostik zu tun haben, zu Bildszenen von Fitness-Studios, Fließbandarbeit und Serienproduktionen von Puppen wie auch von Kaiserschnitten und Kindersärgen. "Normale" Körper wechseln sich zudem mit Szenen von Therapie und Unterricht "behinderter" Kinder ab.
"Pränataldiagnostik und Spätabbruch sind ein Symptom unserer Zeit, in der es vor allem ums Funktionieren geht", erklärte der Regisseur Fürhapter im Interview mit der "Furche" (aktuelle Ausgabe). Fast alle Frauen mit auffälligem Befund würden abtreiben. Ärzte, Frauen und Eltern seien dabei von einer "Macht der Norm" betroffen, die mit Freiwilligkeit arbeite, dabei aber weitaus stabiler sei, als wenn sie auf Unterdrückung beruhen würde, beobachtete der Filmemacher. Die Bildgebung in der Pränataldiagnostik gebe dabei vor, "ein Problem zu lösen, das sie selbst geschaffen hat": In der Wahrnehmung der Betroffenen mache erst die Sichtbarmachung des Körpers des Ungeborenen Kindes dieses zum Menschen.
Gewollte Nicht-Beteiligung
Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie (IEF) der österreichischen Bischofskonferenz würdigte die außergewöhnliche Perspektive des Films: Statt das Augenmerk auf den individuellen Entscheidungskonflikt zu legen, werde dessen gesellschaftliches Setting aufgezeigt. "Der Film beurteilt damit nicht die Frau, sondern gibt Gelegenheit, sich der gesellschaftlichen Mitverantwortung bewusst zu werden", so die Fachreferentin für Biopolitik. Die Haltung der Gesellschaft zum Thema Pränataldiagnostik und Spätabtreibung sei "teilweise durchaus informiert, aber dennoch irgendwie gewollt unbeteiligt", was durch den konsequenten, nüchternen Stil des Films gut zum Ausdruck komme.
Lob erntete Regisseur Fürhapter auch seitens der "Aktion Leben". "Die dritte Option" zeige großartig die Problematik des Systems Pränataldiagnostik auf, befand Pressesprecherin Helene Göschka auf "Kathpress"-Anfrage. "Wir brauchen den Film dringend, um mehr Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren." In der Schwangeren-Beratung der "Aktion Leben", in der auch auf Fragen zu Pränataldiagnostik eingegangen wird, trete eine große Unwissenheit über Leistungen und Grenzen von Pränataldiagnostik zutage.
Grundsätzlich würden die vorgeburtlichen Untersuchungen heute so einfach gemacht, dass ein sich-Entziehen "ganz schwierig" sei, so die Vertreterin der Lebensschutz-Organisation. Das Problematische dabei seien die zu hohen Erwartungen an Pränataldiagnostik. "Unterschätzt und teilweise sogar behindert" würden zudem wesentliche Dinge, die die Beziehung zum Kind und das Wachsen als Familie langfristig stärken - "wie Vor-Freude, Hinspüren, das Kind wahrnehmen".
Spätabtreibung abschaffen
Schwangere würden im "Riesenmarkt Pränataldiagnostik" oft alleine gelassen und seien sich nicht bewusst, "dass danach schwere Entscheidungen von ihnen erwartet werden", befand Susanne Kummer vom Wiener Bioethik-Institut IMABE. Etwas laufe falsch, wenn die Untersuchungen letztlich den Druck auf Abtreibung von Kindern mit Behinderung fördern. "Es kann nicht sein, dass es in Österreich Spätabbrüche wegen Lippen-Kiefer-Gaumenspalte oder Down-Syndrom durchgeführt werden", mahnte Kummer. Inoffiziell seien derartige Fälle bekannt und "keine Einzelfälle".
Scharf kritisierte die Ethikerin die "embryopathische Indikation": Der Paragraph, der Spätabtreibungen bei bestimmten Krankheiten ermöglicht, diskriminiere Behinderte "schon vom Konzept her" und müsse abgeschafft werden. Bewegung sei hier absehbar, zumal mittlerweile fast alle Parteien in Österreich wie auch im europäischen Ausland dieses Problem erkennen würden. Wichtig sei zudem eine "neue Beziehungsmedizin, in der Ärzte Schwangere und Paare mehr begleiten statt testen und im Falle eines möglicherweise behinderten Kindes positive Zugänge ermöglichen", sagte Kummer. Die Option des Tötens zähle hier nicht dazu.
Premieren mit Diskussionen
Anlässlich der Erstaufführungen von "Die dritte Option" gibt es österreichweit zahlreiche Diskussionsveranstaltungen rund um die angesprochene Thematik. Am 14. September um 18.30 spricht Ursula Vennemann von der Lebenshilfe mit dem Sozialethiker Leopold Neuhold im Grazer KIZ RoyalKino, am 20. September ab 18.30 Uhr Stephanie Merckens vom Institut für Ehe und Familie mit dem Pränatalmediziner Wolfgang Arzt im Linzer Movimento-Kino. Ebenfalls am 20. September ist ab 19.30 Uhr eine Diskussion im Wiener Gartenbaukino angesetzt, mit u.a. der Ethikerin Katharina Lacina, der Gynäkologin Karin Tordy und Regisseur Thomas Fürhapter. (Weitere Termine unter: http://diedritteoption.at)
Quelle: kathpress