Vermittlung von Erfahrungen wichtiger als PISA
Schüler lernen leichter, wenn sie im Schulalltag vielfältige Erfahrungen abseits des Regelunterrichts in der Klasse machen: Dieses Prinzip ihres Wirkens haben Vertreter der österreichischen Ordensschulen am Dienstag in einem Pressegespräch in Wien dargelegt. Erfahrungslernen gehe über bloßes Ausbildungswissen hinaus, berühre den Menschen ganzheitlich und mache das Lernen nachhaltig. In der Schuldiskussion und in Bewertungsschemas wie etwa der PISA-Studie würden solche Faktoren kaum berücksichtigt. Der Versuch der Orden, hier andere Wege aufzuzeigen, trage zur großen Nachfrage seitens der Eltern bei, so der Tenor der Ordensvertreter.
"Erfahrungen und Emotionen prägen den Alltag und verankern Gelerntes im Gedächtnis", hob Doris Neuhofer, Direktorin der NMS der Franziskanerinnen Wels, hervor. In ihrer Schule lade man regelmäßig Großeltern und andere Zeitzeugen in den Unterricht oder veranstalte Exkursionen, Sozialeinsätze, ökologische Initiativen sowie Projekte wie "Zeit schenken", bei denen die Schüler einen Tag lang bei Spiel oder Ausflügen intensiv in Gemeinschaft verbringen.
Ordensschulen versuchen, alle Facetten des jungen Menschen anzusprechen und vielseitige Begabungen zu fördern, berichtete St. Andrea Eberhart, Obfrau des Schulvereins der Grazer Ursulinen. Ihre Ordensschule setze auf vier "Erfahrungsfelder": Ein Musik-Schwerpunkt mit mehreren Chören für Schüler, Ehemalige und Mitarbeiter und einer Schulband gehört dazu. Speziell gefördert wird weiters das Theater, zudem gibt es Sportbereiche mit in den Schulalltag integrierten täglichen Bewegungseinheiten. Groß geschrieben werden schließlich Sozialprojekte, mit Partnern in Afrika, Asien und Lateinamerika sowie mit "Compassion"-Einsätzen in Altenheimen, Caritas- oder Behinderteneinrichtungen sowie Asylzentren für alle Sechstklässler.
Charakteristisch für die kirchlichen Schulen ist nach den Worten des Bildungs-Bereichsleiters der Orden Rudolf Luftensteiner auch, dass sie die Bildung - die Frage nach dem "Wofür?" - als ihr vorrangiges Ziel sehen, nicht bloß die Ausbildung, die der Schulexperte als die zweckorientierte Frage nach dem "Wie?" beschrieb. Dafür seien letztlich auch die Arbeitgeber dankbar, "wenn die Jugendlichen danach einen eigenen Stand im Leben haben und sozial gefestigt, stark und resilient sind", ergänzte Doris Neuhofer. Beide Lernformen seien gleichermaßen wichtig und ergänzten einander.
Wie Luftensteiner hinwies, beschäftigt sich derzeit eine Arbeitsgruppe der Orden mit dem Entwurf alternativer Bewertungsparameter zur PISA-Studie. "Erfahrungslernen hat dort keinen Platz", so der Schulexperte.
Ganzheitliche Sorge
Zur Ganzheitlichkeit gehört für die Ordensschulen auch die Sinnfrage und die Religion, wenngleich diese für die Eltern "oft nicht der erste Grund" für die Schulwahl sei, wie Luftensteiner erklärte. Man sei bestrebt, Kinder nicht mit "pastoralem Terrorismus" zu zwingen oder vorgefertigte Antworten zu liefern, nehme die "Sorge um die Seelen der Kinder" dennoch ernst - dies jedoch über den Weg der Freiheit und ständiger Auseinandersetzung mit der jeweiligen Situation. Obwohl das für die Lehrkräfte eine große Herausforderung bedeute, habe er den Eindruck, "dass sie diesen Weg mit uns gehen und gerne bei uns sind", so der Bereichsleiter.
Noch wichtiger als die äußeren Zeichen des Glaubens wie etwa das tägliche Morgengebet oder die Feiern kirchlicher Feste im Jahr sei die Religion an den Ordensschulen im "deutlich spürbaren Geist, im Miteinander in der Gemeinschaft", sagte die NMS-Direktorin Neuhofer. Dieser Geist sei "für Kinder oft nicht sofort als Glaubensmerkmal erkennbar, der Unterschied jedoch fühlbar".
Nachfrage enorm
Dass man mit dieser Schwerpunktsetzung auf dem richtigen Weg sei, sieht Luftensteiner durch die große Nachfrage nach kirchlichen Schulen bestätigt: Die Schülerzahl erreichte im Vorjahr mit 72.412 gemeldeten Kindern und Jugendlichen einen absoluten Höchststand. 6,5 Prozent aller Schüler des Landes besuchen somit eine katholische Schule, womit die Kirche größter privater Schulerhalter ist. Innerhalb der katholischen Schulen machen mit rund 50.000 Schülern in 234 Einrichtungen die Ordensschulen den mit Abstand größten Teil aus; zu den weiteren Schulerhaltern dieser Gruppe gehören u.a. die Diözesen und die Caritas.
Parallel dazu sind so wenige Ordensleute wie nie in den Ordensschulen tätig: Wenn Patres oder Schwestern als Lehrer oder Direktoren wirken, so ist dies bereits die Ausnahme. "Der Umbruch fordert uns enorm; alle Ordensschulen müssen sich fragen, wie es mit ihnen weitergehen kann", sagte Luftensteiner. Die Orden seien deshalb dazu übergegangen, Schulvereine zu gründen und damit ihr jeweils typisches, von der Lebensform unabhängiges "Ordenscharisma" an die Lehrkräfte und in Folge an die Schüler weiterzugeben.
Wie dies in der Praxis geschieht, zeigte Sr. Andrea Eberhart am Praxis der Grazer Ursulinen auf: Mehrmals während des Schuljahrs treffe sie sich mit der Gruppe der rund zehn Lehrer, die pro Jahr neu dazukommen, zur Mitarbeiterschulung. "Die Lehrer sind die Kräfte, die unser Gründungsanliegen weitertragen", so die Ordensfrau. Auch wenn nicht jeder Lehrer im Unterricht vom Glauben spreche, solle sich doch jeder damit identifizieren und den Grundgedanken des Ordens zumindest mittragen können.
(Infos: www.ordensgemeinschaften.at)
Quelle: kathpress