Echtes und falsches Märtyrertum unterscheiden
Mit den Kriterien für echtes und falsches Märtyrertum, ausgehend vom Leiden der vertriebenen Christen im Irak und den durch Paradieshoffnungen verführten Selbstmordattentats-"Märtyrern" im Islam, hat sich der Linzer Bischof Manfred Scheuer in einem Vortrag am Samstag in Rom auseinandergesetzt. Scheuer hatte im Februar den Irak besucht. Er zeigte sich beeindruckt vom Zeugnis der dortigen Christen mit ihrer Bereitschaft zur Erduldung von Leid, notfalls auch bis zum Tod. Der Linzer Bischof äußerte sich beim Ratzinger-Schülerkreistreffen in Rom, das in diesem Jahr dem Thema "Christenverfolgung und Martyrium" gewidmet ist.
Den Fokus legte Scheuer auf der Forderung des Evangeliums, dem eigenen Gewissen zu folgen, und möglichen Konsequenzen. Christliche Märtyrer seien Menschen mit einem reifen Glauben, die für eine Kultur des Lebens und der Menschlichkeit eintreten.
Die Beispiele aus der NS-Zeit - etwa Franz Jägerstätter, Provikar Carl Lampert oder Dietrich Bonhoeffer - zeigten, dass das Martyrium nichts mit "Todessehnsucht und Nekrophilie" bzw. Leidensideologie zu tun habe, sondern eine "Option für das Leben" sei, betonte Scheuer bei dem Jahrestreffen. Der Bischof nimmt an dem bis Sonntagabend dauernden Treffen der beiden Schülerkreise teil.
Durch das Martyrium werde "die Logik des Bösen von innen her aufgebrochen und überwunden". Das Studium des Lebens der Märtyrer des 20. Jahrhunderts schärfe den Blick, die Zeichen der Zeit recht zu deuten, so Scheuer. Diese Bekenner hätten in Zeiten des Hasses, der Barbarei und der Menschenverachtung die Wahrheit Gottes und die Würde des Menschen aufleuchten lassen.
Das prophetische Zeugnis für die christliche Wahrheit beruhe auf einer radikalen und weitsichtigen Analyse, sagte der Linzer Bischof. Diese Analyse betreffe das Wesen der menschen- und gottverachtenden Systeme.
Zugleich bleibe das Beispiel der Märtyrer immer auch ein Zeichen der "Krisis, nicht zuletzt für die Kirche selbst", so der Linzer Bischof weiter. Denn diese Christen zeigten durch ihr Zeugnis die "Trennlinie zwischen Heiligkeit und Sünde" auf sowie "den unbedingten Anspruch des Reiches Gottes", den - vor allem in Diktaturen - die kirchlichen Autoritäten oft abschwächen oder nicht betonen wollten.
Anhand der von der damaligen kirchlichen Obrigkeit abgelehnten Entscheidung von Franz Jägerstätter, den Kriegsdienst für Nazideutschland zu verweigern, zeigte Scheuer auf, dass eine wahrhaftige Berufung auf das christliche Gewissen einen hohen Preis hat. "Das Gewissen ist kein Handlanger der Eigeninteressen; es gibt nicht die Erlaubnis für alles und jedes, es ist nicht die Instanz der Beliebigkeit oder der Auflösung der Normen. Es ist auch nicht der Ort für ein Christentum zu ermäßigten Preisen." Sondern dass Gewissen sei "der Ort der Erfahrung des Unbedingten, das uns in Anspruch nimmt und von uns Gehorsam einfordert".
Eintreten für Arme und Leidende zählt
Scheuer hob im Blick auf heutiges Bekennertum hervor, dass ein Rechenschaftgeben für den Glauben in unserer Zeit immer auch Verteidigung der Gottebenbildlichkeit von Mann und Frau sowie Eintreten für Arme und Leidende, in denen Christus ja präsent sei, bedeuten müsse. Denn "in der Gerichtsrede Jesu (Mt 25, 31-46) ist das Verhalten zu den Hungernden, Dürstenden, Nackten, Obdachlosen, Gefangenen und Kranken entscheidend".
Die Mitglieder des sogenannten Ratzinger-Schülerkreises und des "Neuen Schülerkreises" sind von 31. August bis 3. September in Rom zu ihrem traditionellen Treffen zusammengekommen. Hauptreferenten in diesem Jahr sind Bischof Scheuer und der Kölner Diözesanpriester und Historiker Helmut Moll. Der gemeinsame Teil der Tagung beider Schülerkreise hat in diesem Jahr das Thema "Christenverfolgung und Martyrium".
Vor wenigen Tagen erschien Bischof Scheuers neues Buch "Kraft zum Widerstand. Glaubenszeugen im Nationalsozialismus". Scheuer war der Postulator im Seligsprechungsprozess für Franz Jägerstätter (1907-1943). Moll ist vor allem für sein zweibändiges Werk "Zeugen für Christus - Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts" bekannt. Sein Verzeichnis der Märtyrer und Heiligen enthält mehr als 900 Lebensbilder katholischer Märtyrer. Moll ist Beauftragter für Selig- und Heiligsprechungsverfahren in der Erzdiözese Köln.
Der Schülerkreis Joseph Ratzingers, des späteren Papstes Benedikt XVI. (2005-2013), wurde 1977 gegründet, nachdem Ratzinger zum Erzbischof von München ernannt worden war und seine Universitätslaufbahn beendete. Seither trafen sich die ehemaligen Doktoranden jeden Sommer mit ihrem Lehrer zu Studientagen. Im Mittelpunkt stand jeweils ein von Ratzinger benanntes Thema. Die Treffen wurden auf Wunsch Benedikts XVI. auch nach seiner Papstwahl fortgesetzt und fanden bis 2016 in Castel Gandolfo statt. Nun ist Rom Tagungsort.
P. Horn und Prof. Hastetter Vorsitzende
Vorsitzender des ("alten") Schülerkreises ist der Passauer Salvatorianer-Ordenstheologe P. Stephan Horn; Prof. Michaela Hastetter, Professorin am Internationalem Theolgischen Institut (ITI) in Trumau/NÖ, ist Vorsitzende des Neuen Schülerkreis Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI.
Der Neue Schülerkreis hat anlässlich seines Treffens einen Schritt auf Zukunft hin gemacht: der Kreis ist nun ein offizieller Verein, berichtete Radio Vatikan am Samstag. Aktuell gehören ihm 35 Mitglieder an.
Nach seiner Emeritierung 2013 hat Benedikt XVI. nicht mehr an der Tagung teilgenommen, aber mit den Teilnehmern noch Gottesdienste gefeiert oder kleine Abordnungen zu einer kurzen Begegnung im Vatikan empfangen. Inzwischen gibt es aufgrund des fortgeschrittenen Alters des emeritierten Papstes keine gemeinsamen Messen mehr.
Quelle: kathpress