Medizin darf nicht alles, was sie kann
Wissenschaft und Religion sind aufeinander angewiesen: Das hat der renommierte Theologe, Gynäkologe, Ethiker und Wissenschaftler Prof. Johannes Huber am Samstagabend bei den Kardinal-König-Gesprächen in Kirchberg im Pielachtal dargelegt. Wissenschaft könne nicht zum letzten Wissen vordringen und brauche - etwa in der Medizin - Grenzen. Andererseits könne die Religion Gott niemals beweisen, sagte der einstige Sekretär von Kardinals Franz König in dessen Heimat bei einem Vortrag zum Thema "Mensch und Schöpfung". Ein "Dialog ohne Frageverbote" sei zwischen beiden Bereichen nötig.
Die Bibel spreche davon, dass sich der Mensch die Erde untertan machen solle; gleichzeitig überschreite dieser jedoch tagtäglich die Grenzen, erklärte Huber. Solche Grenzen seien einerseits die Naturgesetze und -verfassung, sowie auch, "wenn der Fortschritt auf Kosten des Nächsten gemacht wird". Schon seit tausenden Jahren gebe es deshalb Regeln für das Zusammenleben, wie etwa den Kodex Hammurabi oder die Zehn Gebote. "Heute stellt sich die Frage: Dürfen wir alles, was wir können? Dürfen wir alles, was Spaß macht?", so der Wissenschaftler.
Dies gelte etwa für die Sexualität. "Sollen wir die biologische Verfassung der zweigeschlechtlichen Sexualität wirklich verlassen? Sollen wir die Jugend wirklich hedonistisch erziehen?", stellte Huber in den Raum. Sexualität habe in der Bibel einen interpersonalen Charakter; das Berührtwerden vom anderen Geschlecht sei positiv und fördere die Solidarität zwischen Ehepartnern, doch behandle der schulische Aufklärungsunterricht viele derartige Aspekte - wie etwa auch die Treue - gar nicht. "Man muss jungen Menschen heute auch sagen, dass Mutter Natur ein Zauberwerk entworfen hat, das der Partnerschaft dient - und auch dass durch die Schwangerschaft die Verbindung zwischen Mann und Frau gefestigt wird", betonte der Gynäkologe.
In etlichen medizinischen Bereichen seien die ethischen Herausforderungen heute größer denn je, mahnte Huber. Den vereinzelten in Brüssel tätigen Ethikern stünden tausende Lobbyisten von Konzernen in der EU-Hauptstadt gegenüber. Dies gelte auch für das "Big Business" der künstlichen Befruchtung - eine Technik, mit der man sorgsam umgehen müsse und deren negative Aspekte wie Missbildungen oder auch das vierfach höhere Risiko von Eierstockkrebs nicht ausblenden dürfe, betonte der Forscher. Unter bestimmten Umständen befürworte er die Techniken - darunter auch die Eizellspende - allerdings, erklärte er.
Besonders warnte der renommierte Wissenschaftler vor der "Gewöhnung an den Gedanken des Tötens, ob beim ungeboren Leben oder am Lebensende". Längst würden Embryonen einfach vernichtet, und in manchen Weltgegenden werde die Frage "Warum brauchen wir die Alten?" gestellt. Gleichzeitig verspreche die Wissenschaft eine künftig noch höhere Lebenserwartung, arbeitete an der Aktivierung von Stammzellen zur Regeneration von Organen im Alter und versuche den Alterungsprozess zu stoppen. Die biblische Apokalypse gebe hier jedoch eine Warnung, betonte Huber. "Viele glauben, etwas Gutes zu tun, bewirken aber das Gegenteil."
Seit 2008 sind die Pielachtal-Gemeinden Rabenstein und Kirchberg abwechselnd Schauplatz der Kardinal-König-Gespräche. Deren zehnte Auflage startete am Samstag mit einem Gottesdienst, den der Göttweiger Abt Columban Luser in Kirchberg zelebrierte. Am Sonntag wurde das Kirchweihfest in Kirchberg gefeiert. Kardinal Franz König (1905-2004) war am 3. August 1905 in Rabenstein geboren worden; in Kirchberg besuchte er die Volksschule.
Quelle: kathpress