"Halte Privatisierung für sehr unvernünftig"
"Privatisierungsideen" für den ORF auf verschiedener Ebene hat Stiftungsrat Franz Küberl eine Absage erteilt. Er halte dies "für sehr unvernünftig", sagte der langjährige Kirchenvertreter in ORF-Entscheidungsgremien in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit dem "Standard". Die Rechte an Sportübertragungen wie für die österreichische Bundesliga sollten ebenso wenig Bezahlsendern überlassen werden, wie ein Verkauf von ORFeins und/oder Ö3 an Private angedroht werden.
Sport ist für den früheren Caritas-Präsidenten auch eine kulturelle Leistung, etwa durch das Zusammenspiel von elf Menschen beim Fußball. "Man kann das Kulturgut Sport nicht einfach privatisieren." Zudem würden Sportstätten mit öffentlichen Mitteln zumindest mitfinanziert; "wenn Sportrechte exklusiv ans Pay-TV gehen, ist das die Privatisierung öffentlichen Eigentums". Der ORF, dessen Programm laut Gesetz der Allgemeinheit zu dienen habe, "muss in der Lage sein, Sport möglichst allen Menschen zu vernünftigen Konditionen zu zeigen", betonte Küberl. Er hält auch gesetzliche Vorgaben für sinnvoll, damit Sport nicht "nur jenen zugänglich ist, die noch einmal teuer dafür bezahlen".
Den Kanal ORF eins, an dem immer wieder Kritik wegen Amerikanisierung und Ununterscheidbarkeit zu Privatsendern laut wird, sieht Küberl - allen Verbesserungsversuchen zum Trotz - als langjährige "Baustelle, die jedes Jahr etwas größer wurde". Der ORF müsse schleunigst dafür sorgen, dass er da an Qualität zulegt. Hilfreich wäre dafür laut Küberl ein Channel-Manager - dringender als für ORF 2.
Die Posten der neuen Channelmanager für ORF eins und ORF 2 hatte Generaldirektor Alexander Wrabetz im Zuge seiner erfolgreichen Weiterbestellung im August 2016 angekündigt. Die Ausschreibungen dafür wurden jedoch mehrmals verschoben, als Grund dafür werteten Beobachter die für 15. Oktober angekündigte Nationalratswahl.
Als Politikum gilt auch die Zusammensetzung des ORF-Stiftungsrates, dessen Mitglied Franz Küberl seit der Konstituierung im Jahr 2002 ist. Gegen Bestrebungen, die Größe des obersten ORF-Gremiums von derzeit 35 Personen zu reduzieren, hat Küberl, wie er sagte, keine grundsätzlichen Einwände: "Die Größe ist nicht die Frage." Ein formelles Präsidium und mehr Kompetenzen für die Ausschüsse brächten den Stiftungsrat noch "ein gutes Stück voran". Die Bundesländer sollten jedenfalls weiter dort vertreten sein, auch dezidierte Vertreter von Kultur, Wissenschaft und Religion, wie es sie bis 2010 gab, hielte Küberl für sinnvoll.
Prinzip "geteilte Verantwortung"
Für das ORF-Management empfiehlt der kirchliche Medienexperte "geteilte Verantwortung": Statt eines Alleingeschäftsführers, der Direktoren Weisungen erteilen kann, wären Intendanten wie bis 2002 die bessere Lösung. "Jene, die das Programm verantworten, sollen mit am Entscheidungstisch sitzen", dadurch würde "der Zwang zur Kooperation" größer. Vorbild könnte laut Küberl die katholische Kirche sein: Sogar diese gehe unter Papst Franziskus "von der Alleingeschäftsführung ein wenig ab", spielte der Kirchenvertreter auf die aufgewerteten Bischofskonferenzen und die Synodalität an. Man könne sich "bei Zukunftsfragen ruhig an so alten, vornehmen Gebilden orientieren".
Zum Verhältnis von Politik und ORF meinte Küberl gegenüber dem "Standard" lapidar: "Bei jeder Schraubenfabrik hat die Regierung ein Interesse, dass sie gut arbeitet. Warum nicht beim ORF - ohne dass die Politik ständig selbst an jeder Schraube dreht." Küberl riet zu klären, "was man in Zukunft vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk will und wie man ihn vernünftig weiterentwickeln will". Das Ob steht für Küberl außer Frage: Viele Hundert Privatsender könnten die öffentlich-rechtlichen Sender "in der Brandbreite ihrer Qualität" nicht einholen.
Der seit September 2016 als Grazer Caritas-Direktor pensionierte Franz Küberl gehörte von 1998 bis 2014 dem höchsten ORF-Gremium (erst ORF-Kuratorium, dann ORF-Stiftungsrat) als Kirchenvertreter an. Nach der Gesetzesänderung vor drei Jahren ernannte die Bundesregierung Küberl dann erneut zum Stiftungsrat, der seine Aufgabe unabhängig ausübt.
Quelle: kathpress