Jägerstätter löst Unverständnis und Bewunderung aus
Die Auseinandersetzung mit dem Seligen Franz Jägerstätter (1907-1943) löst auch in der dritten Generation nach seinem Tod "Irritation, Unverständnis, aber auch Bewunderung und Lob" aus und lässt niemanden kalt. Das betonte der Linzer Bischof Manfred Scheuer in seiner Predigt am Mittwochabend beim Jägerstätter-Gedenken in der Pfarrkirche von St. Radegund. Die Kirche habe mit Jägerstätters Seligsprechung die Irritation und Auseinandersetzung mit dessen Glaubenszeugnis "tief in ihre eigenen Reihen hineingetragen", räumte der Bischof ein. Denn: "Märtyrer wie Jägerstätter konfrontieren uns mit den Herausforderungen des Glaubens."
Es sei für die wenigsten nachvollziehbar, was das unbedingte Zeugnis in jener Zeit bedeutete, die das Einstehen für den christlichen Glauben zu einer Sache auf Leben und Tod gemacht habe. Scheuer wörtlich: "Die Kirche hat mit der Seligsprechung Franz Jägerstätters nicht den Weg der Geschichtsklitterung und notorischen Einlullung in fromme Rückschauen beschritten, nein, sie hat aktiv einen Ausgang aus der Komfortzone gesucht."
Der Umgang mit Märtyrern wie Franz Jägerstätter sei eine kritische Anfrage an Christen in der Gegenwart, denn, so machte Bischof Scheuer deutlich: "Auch unsere Zeit lässt keinen Zweifel daran, dass der Kampf von Gut gegen Böse noch nicht letztendlich ausgefochten ist. Er begegnet in Formen kriegerischer Auseinandersetzung und in unzähligen Spielarten der Gewalt, kommt aber auch im unscheinbaren Alltag in lebensfeindlichen Strukturen daher. Wir treffen genügend oft auf gott- und menschenverneinende Mechanismen. Wie sehr sind wir davor gefeit, Phänomene des Unrechts verhüllt zu lassen oder besser gar nicht genauer hinzusehen?"
Zentrale Triebfeder von Franz Jägerstätter sei die Hoffnung auf Gott und die letztliche Gültigkeit seiner Herrschaft bzw. Durchsetzung von Gottes Liebe gewesen, so Scheuer. Das Gedenken an die Märtyrer sei deshalb "keine Huldigung eines Heroismus, sondern Ausdruck eines unbedingten Vertrauens in Gott, menschenfeindliche Strukturen aufzulösen und seine Gnade letztgültig wirken zu lassen".
Jägerstätters Zeugnis sei nur schwer fassbar: Er werde als Vorbild angesehen und rufe gleichzeitig Unverständnis hervor. "Was kaum jemand in Frage stellt, ist aber die Tatsache, dass es für ihn letztlich aus dem Glauben heraus keine andere Wahl gab", betonte der Bischof.
Er verwies in diesem Zusammenhang aus dem Schreiben einer 18-jährigen Schülerin aus dem Schülerwettbewerb "Briefe an die Jägerstätters". In dem fiktiven Schreiben der 18-jährigen an Franz Jägerstätter habe es wörtlich geheißen: "Sie wären nie glücklich geworden, falls Sie sich anders entschieden hätten. Sie hätten es nicht übers Herz gebracht, andere Menschen zu erschießen und auch nicht, Gott auf diese Art und Weise zu verleugnen. Sie müssen so glücklich sein wie niemand sonst."
Der selige Franz Jägerstätter sei sich und Gottes Anspruch treu geblieben, er habe auf sein Glück hingewirkt, schloss Bischof Scheuer daraus. "Glückendes Leben ist nicht gleichbedeutend mit Lebenshingabe. Aber glückendes Leben ist sehr wohl gleichbedeutend mit dem christlichen Anspruch, das eigene Leben im Einklang mit dem zu bringen, was Gott uns zugedacht hat." Franz Jägerstätter könne daher Leitbild und Wegweiser in der existentiellen Frage sein, wie menschliches Leben glücken könne.
Gedenken 2018 in Dachau
Der Gottesdienst in St. Radegund und die folgende Lichterprozession zum Grab von Franz und Franziska Jägerstätter (1913-2013) waren der Schlusspunkt des diesjährigen Jägerstätter-Gedenkens. Zuvor hatte die Jägerstätter-Biografin Erna Putz angekündigt, dass für den 13. März 2018 eine Gedenkveranstaltung in Dachau geplant ist. Im März 2018 sei es 80 Jahre her, dass deutsche Truppen in Österreich einmarschierten. In der KZ-Gedenkstätte Dachau solle deshalb kommendes Jahr der (ober)österreichischen Opfer des NS-Regimes gedacht werden.
Direkt vor der Todesangst-Christi-Kapelle in der Gedenkstätte befindet sich eine Gedächtnisglocke, die täglich um 15 Uhr - nach biblischer Angabe die Todesstunde Jesu - läutet. Nur wenige wüssten, dass diese Glocke von österreichischen Überlebenden gestiftet wurde, so Putz.
Quelle: kathpress