Frauen in Führungspositionen: Kirche soll Vorbild sein
Frauen in kirchlichen Leitungspositionen sind nach wie vor eher eine Ausnahme als die Regel. Zugleich ortet die Theologin Andrea Qualbrink in ihrem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Linzer "Theologisch-Praktischen Quartalsschrift" (ThPQ 165/2017), der vor allem die Lage in der katholischen Kirche Deutschlands in den Blick nimmt, positive Entwicklungen in Richtung von mehr Aufstiegschancen für Frauen. Als "Aufbruch" sei hier etwa das Schreiben "Gemeinsam Kirche sein" der deutschen Bischöfe aus dem Jahr 2015 zu werten.
Und bereits 1981 hätten diese in einem Hirtenwort formuliert, die Kirche solle "Modell für das gleichwertige und partnerschaftliche Zusammenleben und -wirken von Männern und Frauen" sein. "Dieses Ziel hat die katholische Kirche gewiss noch nicht erreicht", räumt Qualbrink ein. "Aber sie hat sich auf den Weg gemacht." Ähnliches kann auch für Österreich gelten, wo mit Gabriele Eder-Cakl heuer die bereits vierte Leiterin eines diözesanen Pastoralamts - in diesem Fall der Diözese Linz - eingesetzt wurde.
"Hemmende Faktoren" auf vielen Ebenen
Andrea Qualbrink verglich für ihre pastoraltheologische Doktorarbeit über Frauen in kirchlichen Leitungspositionen die Verhältnisse in der Privatwirtschaft und in der Kirche und stellte dabei Parallelen fest - auch was adäquate Maßnahmen zur Förderung von weiblicher Leitung angeht. Sie beschrieb nachweislich "hemmende Faktoren auf gesellschaftlicher und symbolischer, organisationaler und individueller Ebene", etwa oft unbewusst wirkende Vorstellungen von Geschlechterrollen: So könne sich für Frauen "das gezielte Sichtbarwerden und das Demonstrieren von Kompetenzen und Stärke als 'double bind' erweisen", so Qualbrink: Es sei notwendig, um als potenzielle Führungskraft wahrgenommen zu werden, zugleich erscheine es als "organisationskulturell unpassend und/oder als unweiblich".
"Antizipiert als hemmende Faktoren hinsichtlich eines Aufstiegs in Leitungspositionen in der Kirche" wirken laut den Untersuchungen der Autorin neben dem Beweisenmüssen von Kompetenz auch das Misstrauen seitens ehemaliger Kolleginnen und Kollegen, die Konfrontation mit stereotypen Rollenbildern und der Ausschluss aus wichtigen Kommunikationskanälen. Wie eine Erhebung der Deutschen Bischofskonferenz von 2013 zeige, wird Führung auch in kirchlichen Ordinariaten fast ausschließlich in Vollzeit ausgeübt. Dies bedeute mitunter deutlich mehr als eine 40-Stunden-Woche, was wiederum für Leitungspositionen in der Kirche eine familienfreundliche Work-Life-Balance erschwert.
Nachhaltige Veränderungen auf der Leitungsebene setzen das Bewusstsein für die hemmenden Faktoren auf den verschiedenen Ebenen voraus und das Interesse, diese Hemmnisse zu bearbeiten, wies Qualbrink hin. Sie zitiert den in Klagenfurt lehrenden Theologen Andreas Heller mit dessen Überzeugung, dass "ohne formelle Formen der Selbstdiagnose, der Selbstbeobachtung und der Selbstverpflichtung" in kirchlichen Strukturen Veränderungen in Richtung mehr Frauenbeteiligung "zufällig bleiben" würden. Qualbrink: "Eine geschlechtergerechte Personal- und Organisationsentwicklung ist angezeigt."
"Thema hat sich dynamisiert"
Prozesse dieser Art seien zum Teil angestoßen, begünstigt auch durch Weichenstellungen wie in den deutschen Diözesen Essen und Osnabrück, wo seit einigen Jahren Gemeinde- und PastoralreferentInnen als KoordinatorInnen von Gemeinden - also in Leitungsfunktion - eingesetzt werden. Ermutigendes Fazit der Pastoraltheologin: "Für Frauen mit Interesse an kirchlichen Leitungspositionen und für eine Kirche mit Interesse an Frauen in Leitungspositionen gibt es Perspektiven. Das Thema hat sich dynamisiert."
Frauen in kirchlichen Führungspositionen gäben - so Qualbrink - "der Kirche auf Leitungsebene ein verändertes Gesicht, sie vervielfältigen Frauenbilder, sie verändern Bilder von Leitung, sie stoßen Lernprozesse in der Organisation und Veränderungsprozesse in der Institution Kirche an". Und das sei auch notwendig, denn: "Der demografische Wandel und die tiefgreifenden Transformationsprozesse der Kirche stellen das Volk Gottes vor die Aufgabe, Strukturen und Kulturen, Aufgaben, Dienste und Ämter weiter- und neu zu entwickeln, und das mutig, aktiv und schöpferisch", wie Qualbrink festhält. Es brauche die vielfältigen Charismen der vielfältigen Menschen in der Kirche, gerade auch auf Leitungsebene.
Und: Die kirchliche Frauenfrage dürfe keine nur pragmatische, sondern müsse vor allem eine theologische Grundentscheidung sein, weiß sich die ThPQ-Autorin mit Sabine Demel einig. Laut der deutschen Kirchenrechtlerin müsse "endlich zum Ausdruck gebracht werden, dass die Kirche die Frauen braucht, und zwar als gleichberechtigte Partnerinnen braucht - nicht weil sie sonst zu wenig Personal für die tägliche Arbeit und Umsetzung ihrer Sendung hätte, sondern weil dies die Gottebenbildlichkeit des Menschen als Mann und Frau verlangt."
Quelle: kathpress