
Kirche soll gegen Rechtspopulisten Thema Gerechtigkeit forcieren
Die katholische Kirche hat die Pflicht, gegen den "in höchstem Maße beunruhigenden" europaweit aufkommenden Rechtspopulismus bzw. neuen Nationalismus aufzutreten - und sie hat auch durchaus Möglichkeiten dazu. Das unterstreicht die Wiener Sozialethikerin Ingeborg Gabriel in einem Beitrag vom Donnerstag für "blog.ksoe.at" der Katholischen Sozialakademie Österreichs. Konkret plädiert die Professorin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Uni Wien und OSZE-Sonderbeauftragte im Kampf gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung dafür, das Thema Gerechtigkeit zu forcieren, auf interreligiösen Dialog ebenso wie auf nationale Versöhnung zu setzen und gegenüber "rechtspopulistischen Tabubrüchen" ethische Leitlinien einzumahnen und moralische Grenzen aufzuzeigen.
Sich klar gegen den stets ausgrenzungsbereiten Rechtspopulismus zu positionieren ist laut Gabriel umso wichtiger, als es leicht zu Annäherungen auch von Teilen des Kirchenvolkes zu rechtspopulistischen Parteien kommen kann, "die zudem kirchliche Gruppen aktiv umwerben". Ohne politische Entwicklungen wie in Ungarn oder Polen explizit zu nennen, hielt die Vizepräsidentin von "Iustitia et Pax"-Europa fest: "Kulturelle und je nach Land unterschiedlich starke christliche Identitäten werden durchgängig für rechtspopulistische Agenden vereinnahmt."
Da sich rechtspopulistische Gruppierungen meist als soziale Partei der "Zu-Kurz-Gekommenen" profilierten, sei es seitens der Kirche notwendig, verstärkt Gerechtigkeits- und Gemeinwohlfragen zu thematisieren und damit Solidaritätsdiskurse auf breiter Basis anzustoßen, riet Gabriel. Eine verstärkte Koordination von kirchlichen Initiativen auf europäischer Ebene wäre hier "höchst notwendig". Das gegenwärtige Pontifikat von Papst Franziskus stelle dafür "nachgerade einen kairos" dar.
Brückenschlag zu Andersgläubigen
Weiters: Die katholische und andere Kirchen sind laut Gabriel in multikulturellen und multireligiösen Gesellschaften, national wie europäisch, als Orte der Vermittlung und Versöhnung gefordert. "Ihr kulturelles und religiöses Wissen prädestiniert sie dafür, da säkularen Akteuren vielfach ein grundlegendes Verständnis für Religionen und ihre Argumentationsweisen mangelt." Die Kirche könnte so - wie die Theologin festhielt - auch säkularistischen Tendenzen entgegenwirken, die alle Religionen aus dem öffentlichen Raum verdrängen wollen. Dies erfordere einen starken Fokus auf den interreligiösen Dialog.
Das Wiedererstarken europäischer Nationalismen zeige, dass historische "Altlasten" nie ein für allemal aufgearbeitet ist. Die Kirchen sollten hier sowohl "bilateral" auf nationaler, wie auf europäischer Ebene (COMECE, Iustitia et Pax Europa) die bereits bestehenden Initiativen stärken und weiterführen, betonte die Sozialethikerin.
Schließlich gelte es seitens der Kirchen über das moralische Fundament von Gesellschaften aufzuklären - als Kontrapunkt gegenüber einem "Politikstil, der Fakten und Realitäten, Wahrheit und Lüge, je nach Bedarf benützt". Moralische Einstellungen und Tugenden bzw. Werte seien für das soziale Zusammenleben wie für das Funktionieren politischer und wirtschaftlicher Institutionen unabdingbar, unterstrich Gabriel. Rechtspopulistische Tabubrüche sowie die Destruktion von Moral insgesamt durch Lüge, Betrug, Häme etc. "lassen dieses Fundament erodieren". Hier ethische Leitlinien einzumahnen und moralische Grenzen aufzuzeigen sei ein wichtiger Beitrag zur gesellschaftlichen Stabilität und zur Zurückdrängung des Rechtspopulismus, schloss die Wiener Theologin. (Link: http://blog.ksoe.at/rechtspopulismus-und-neuer-nationalismus)
Quelle: kathpress