"Islam in interner Krise und großem Umbruchprozess"
"Der Islam ist einem großen Umbruchprozess, in einer großen internen Krise": Diese Einschätzung äußerte der Wiener Erzbischof, Kardinal Christoph Schönborn, am Montag bei einem in "Radio klassik Stephansdom" ausgestrahlten Sommergespräch. Konkret handle es sich um einen tiefgreifenden Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten, der bisher mehr muslimische Opfer gefordert habe, als Christen, die Verfolgung durch Muslime erleiden. Und es sei nicht abzusehen, "ob dieser Konflikt nicht noch blutiger wird".
Gegenüber stünden sich das von den USA unterstützte und sunnitisch geprägte Saudi-Arabien und der von Russland unterstützte und schiitisch geprägte Iran als Hauptkontrahenten. "Wenn dieser Konflikt weiter eskaliert, kann das zu einem enormen Flächenbrand in der ganzen islamischen Welt werden", warnte Schönborn. Nicht nachvollziehen könne er, "warum die Großmächte nicht alles daran setzen, um diesen Konflikt zu vermeiden und damit auch für die Menschen in der Region eine friedliche Zukunft zu ermöglichen".
Für Christen sei das Leben in einer solchen Konfliktzone "äußerst belastend und äußerst schwierig". Bestehe keine Aussicht auf eine gute Zukunft, dann sei es eine "völlig verständliche" Reaktion, dass sich Menschen auf die Flucht machen, "weil sie nicht wollen, dass ihre Kinder Kriegsfutter werden". Deshalb sei es "ungeheuer vordringlich, dass die internationale Friedensbewegung mehr Gewicht bekommt", betonte Schönborn.
Fundamentalismus bedroht Minderheiten
Im Hintergrund dieser Entwicklungen stehe ein zunehmender Fundamentalismus, der Minderheiten das Existenzrecht abspreche. Ein solcher Fundamentalismus mache sich aktuell aber nicht nur im Nahen Osten, sondern auch in Indien und Sri Lanka breit, wies der Kardinal hin. Am stärksten wirke sich das Phänomen allerdings im Islam aus, die zweitgrößte Religion der Welt mit bald zwei Milliarden Gläubigen.
Die internationale Lage bezeichnete Schönborn insgesamt als angespannt. Große Sorge bereite ihm aktuell vor allem die Lage im Nahen Osten und in Afrika. "Das sind wirklich dramatische Krisenherde", so der Kardinal. Gelöst könnten diese Konflikte nur durch eine verstärkte Zusammenarbeit der Großmächte werden. Im Nahen Osten sei es etwa "zweifellos notwendig, dass die USA und Russland sich zusammentun, um endlich in Syrien Frieden zu machen".
Quelle: kathpress