Festspiel-Symposion beleuchtet "Macht der Vergebung"
Menschliche Vergebung "setzt einen schier unglaublichen Schritt über die traumatisierenden Folgen von Unrecht hinaus - und in diesem schier unmöglichen Schritt besteht Humanität": Darauf hat der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff am Montag beim diesjährigen Symposion der Salzburger Festspiele hingewiesen. Zusammen mit dem Psychiater Reinhard Haller und der Philosophin Svenja Flaßpöhler reflektierte Hoff über "Die Macht der Vergebung". Vergebung könne "nicht gut machen, was unendlich schlecht war", so der Theologe. "Aber sie erlaubt es, Leben im Angesicht der Vernichtung dennoch nicht vom Standpunkt des Todes aus zu führen."
Eine Gesellschaft ohne Spielräume möglicher Vergebung bleibe auf die Logik der Schuld und deren Folgen festgelegt. "Deswegen werden Strafen zeitlich begrenzt und Schritte in ein Leben mit der Schuld ermöglicht", sagte Hoff. Vergebung - im Sinne eines umfassenden Geschehens und in Abgrenzung zum einzelnen Akt der Verzeihung - lasse sich jedoch juristisch nicht kalkulieren und unterstehe keinem "ethischen Regiment". Willkürlich oder gratis sei sie deswegen aber nicht, betonte der Theologe.
Ungesühnt dürfe keine Schuld bleiben, "aus formal juristischen Gründen ebenso wenig wie für unser Gerechtigkeitsempfinden, das an grundlegende Gleichheits- und Gleichbehandlungsvorstellungen gebunden ist", führte Hoff aus: "Vergebung überschreitet aber diesen notwendigen Rahmen, indem sie eine neue Souveränität des Opfers ermöglicht: aus sich heraus über eine Tat hinauszugehen. Das verlangt, die eigene Ohnmacht anzuerkennen, aber sich auf ihre Logik nicht festlegen zu lassen. "Das verlangt alles ab, wenn das Opfer radikal unschuldig ist."
"Eigentlich unverzeihliche Taten"
Der an der Universität Salzburg lehrende Fundamentaltheologe schilderte die Theologie als Code für die humanisierende Form von Vergebung. Gerade angesichts eigentlich unverzeihlicher Taten biete sie "eine Grammatik schöpferischer Verwandlung von dem, was tötet, in das, was Leben ermöglicht".
Vergebung bleibe bei all dem stets "konstitutiv persönlich". "Man kann nicht für andere ein Schuldbekenntnis ablegen und ebenso wenig für andere etwas vergeben. Das gilt schon deshalb, weil sich erneut angreifbar macht, wer vergibt", sagte Hoff. Sich der eigenen Verletzbarkeit zu stellen - auch darin bestehe die souveräne Macht der Vergebung: "Dem entspricht die Möglichkeit, dem Leben und anderen Menschen wieder zu vertrauen. Ohne diesen Schritt kassiert der Tod alles."
Nicht immer sei dies jedoch herstellbar, keine Psychotherapie könne die erlösende Wirkung von Vergebung garantieren, "schon weil man nicht vergeben wollen muss", leitete Hoff zur Frage über, ob dieses Konzept von Vergebung - auch angesichts von Opferschutz als Prämisse und dass der Weg hin zu einer möglichen Vergebung "so ungerecht wie überfordernd wirken kann" - nicht letztlich utopisch sein könnte.
Bis hin zur Feindesliebe
Exakt vor diesem Hintergrund sei es bemerkenswert, wie positiv der Gedanke an Vergebung aufgeladen ist, er spiele eine wichtige Rolle für die Entwicklung von Humanität, die etwa im Krieg Grenzen zwischen Feinden überschreitet, meinte Hoff: "Die Bibel radikalisiert dies, wenn sie Feindesliebe als Handlungsmaxime einführt. Sie geht so weit wie Vergebung, weil mit dieser Perspektive die Macht der Gewalt und des Todes, damit auch der Schuld gebrochen wird. Indem sie ganz auf Leben gestellt wird."
Und aus biblischer Sicht sei eben "dies gerade nicht utopisch, weil sich erst so die einmal in Gang gesetzte Geschichte vernichtender Gewalt verwandeln lässt", schilderte der Theologe: "Das wird möglich, wo der Mensch nicht eine Gottesmacht beansprucht, die er bis in den religiösen Terror des 21. Jahrhundert Gott für die eigenen Interessen einsetzt, sondern wo er sich auf die grenzüberschreitende schöpferische Lebensmacht Gottes einlässt."
Quelle: kathpress