Selten läuten österreichweit Glocken für besondere Anlässe
Wenn am 28. Juli um 15 Uhr fünf Minuten lang in ganz Österreich die Kirchenglocken gegen die sich anbahnende Hungerkatastrophe in Ostafrika läuten, dann ist das ein außergewöhnliches Zeichen. Denn üblicherweise erklingen Glocken entsprechend den Regeln für das sogenannte "kirchliche Geläut", um zum Gebet und zum Gottesdienst zur rufen oder um im Rahmen des "weltlichen Geläuts" die Stunden zu schlagen. Noch seltener kommt es vor, dass es für das landesweite Glockenläuten eigens einen Beschluss der Bischofskonferenz gibt wie den aktuellen, der sich als Aufruf zur Hilfe im Kampf gegen die sich anbahnende Hungerkatastrophe versteht. Die letzte diesbezügliche Direktive des Episkopats betraf den Pontifikatswechsel vor vier Jahren.
Am 13. März 2013, wenige Stunden vor der überraschend frühen Wahl von Papst Franziskus, rief die Bischofskonferenz noch dazu auf, dass unmittelbar nach der Papstwahl und dann am Tag der Amtseinführung des neuen Pontifex die Kirchenglocken in ganz Österreich zu läuten sind. Mit dem historischen Amtsverzicht von Benedikt XVI. gab es zudem ein landesweites Novum beim Glockenläuten: Erklangen diese früher immer als Zeichen der Trauer beim Tod eines Papstes, so läuteten am 28. Februar 2013 um 20 Uhr die Kirchenglocken in Österreich erstmals als Dank für ein zu Ende gegangenes Pontifikat und als Zeichen für die begonnene Sedisvakanz.
Zuletzt erklangen Kirchenglocken im ganzen Land für verfolgte Christen und für Flüchtlinge: So läuteten am 31. August 2015 nach einem Aufruf von Kardinal Christoph Schönborn als Vorsitzender der Bischofskonferenz die Glocken im Gedenken an die Flüchtlingstragödie auf der A4 bei Parndorf, bei der 71 Menschen ums Leben kamen. Bald danach, am 2. Oktober, beteiligten sich viele Pfarren am Glockenläuten für umgekommene Flüchtlinge, nachdem der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich dazu aufgerufen hatte. Zuvor hatten am 15. August in 135 Diözesen in insgesamt 16 Ländern - darunter auch in der Erzdiözese Wien - die Glocken für verfolgte Christen im Nahen Osten geläutet.
Anteilnahme für Opfer des 9/11-Anschlags
Dass Glocken immer wieder auch für konkrete gesellschaftliche und politische Ereignisse läuten, zeigt ein Beschluss der Bischofskonferenz aus dem Jahr 2009: Damals unterstützte der österreichische Episkopat den Aufruf des Weltkirchenrates, am 13. Dezember 2009 anlässlich des Weltklimagipfels in Kopenhagen die Glocken läuten zu lassen. Am 13. September 2001 läuteten nach einem Aufruf des Vorsitzenden der Bischofskonferenz als Zeichen der Trauer und Anteilnahme die Glocken für die Opfer des Terroranschlags in New York (9/11). Außergewöhnlich war die Initiative der Bischöfe zum landesweiten Läuten am 10. Dezember 1998: Grund dafür war ein Erinnern an die Unterzeichnung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vor 50 Jahren. Als Dank für das Kriegsende, für die Überwindung der NS-Diktatur und den Frieden läuteten sowohl zum 50-Jahr-Jubiläum am 8. Mai 1995 als auch zehn Jahre danach zu Mittag in ganz Österreich die Kirchenglocken.
Daneben gibt es immer wieder auch kirchliche Ereignisse, deren Bedeutung durch ein österreichweites Glockenläuten auf Beschluss der Bischofskonferenz unterstrichen wurden. Beispiele dafür sind die Eröffnung des weltweiten "Jahr des Glaubens" am 11. Oktober 2012 oder der zweiten Besuch von Papst Johannes Paul II. in Österreich, an dessen Vorabend 22. Juni 1988 landesweit die Glocken zum Willkommen läuteten. Schließlich wurde auch der Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils mit einem österreichweiten Glockenläuten am 8. Dezember 1965 allgemein vernehmbar verkündet.
Darüber hinaus gab es auch ohne formellen Bischofskonferenz-Beschluss immer wieder Anlässe für ein Kirchenglockenläuten in ganz Österreich. Das sogenannte "Lichtermeer", die größte Demonstration im Nachkriegsösterreich wurde am 23. Jänner 1992 in Wien genauso eingeläutet wie in jenen Städten, wo "Lichterketten" gegen Ausländerfeindlichkeit stattgefunden haben. Breit rezipiert wurde 1988 ein Vorschlag der Katholischen Aktion Österreich, am 13. März um 11.11 Uhr ein stilles Gedenken an den Einmarsch deutscher Truppen in Österreich vor 50 Jahren mit Glockengeläut zum begleiten. Das erfolgreiche völkerrechtliche Verbot von Anti-Personen-Minen war schließlich für die kirchlichen Friedensbewegung "Pax Christi" der Grund, zu einem österreichweiten Glockenläuten am 1. März 1999 um 15 Uhr im Zeichen des Dankes aufzurufen.
Quelle: kathpress