Philosophen erläutern christliche und säkulare Hoffnung
Die Sterblichkeit des Menschen ist einer der zentralen Ausgangspunkte für Hoffnung - diese sieht jedoch in christlicher Perspektive anders aus als in einer säkularen: Dies zeigten am Dienstag, dem Abschlusstag der "Disputationes 2017" im Rahmen der Salzburger Festspiele die deutsche, in Heiligenkreuz (NÖ.) lehrende Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und der Wiener Philosoph und Essayist Konrad Paul Liessmann auf. Gerl-Falkovitz unterstrich in ihrem Vortrag die Ausrichtung der gläubig motivierten Hoffnung auf Gott hin, während Liessmann festhielt, Hoffnung dürfe heute "nicht auf Postulat eines gütigen Gottes angewiesen" sein.
Interessierte Zuhörer waren u.a. der selbst philosophisch ausgebildete Salzburger Erzbischof Franz Lackner, Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser sowie Marko Feingold, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Salzburg und mit 104 Jahren ältester Shoa-Überlebender Österreichs. Als Moderator fungierte der Schweizer Publizist und Fernsehmoderator Iso Camartin.
"Spiritualität ersetzt Frömmigkeit, Erbauung, Aszese": Mit dieser These begann Gerl-Falkovitz ihren Vortrag. Spiritualität als das "Grundwasser religiösen Vollzugs" sei von der konkreten christlichen Hoffnung zu unterscheiden, denn: "Hoffnung ist adventlich, sie richtet sich auf etwas oder jemanden in der Zukunft, niemals auf sich selbst." Nach den Worten der Vorständin des Europäischen Instituts für Philosophie und Religion in Heiligenkreuz (EUPHRat) ist es "etwas anderes, auf einen Unbekannten zu warten oder auf einen Bekannten und Geliebten".
Nach umfassenden Ausführungen zum Verständnis von Hoffnung in der Geistesgeschichte, von Jean Paul bis zum neomarxistischen Philosophen Ernst Bloch, widmete sich Gerl-Falkovitz dem, "was wir immer überhören, wenn wir es im Credo vor uns hin murmeln" - der Auferstehung des Fleisches. Diese ist ihr zufolge das Spezifikum der christlichen Hoffnung, denn: "Die Unsterblichkeit der Seele kannten die Griechen schon lange."
"Der Tod ist eine Zumutung"
Die unsterbliche Seele sei bei den Griechen jedoch durchwegs negativ konnotiert gewesen, griff Liessmann in seinem Vortrag über den "Umgang mit der Endlichkeit" den Ball auf. Das Schattenreich, in das die Seele eintrete, sei äußerst "langweilig", erläuterte der Wiener Professor für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik mit ironischem Unterton. Seit jeher hätten die Menschen die verschiedensten Konzepte von Hoffnung auf ein Fortleben nach dem Tod entwickelt, denn, so zitierte Liessmann den Schriftsteller Elias Canetti: "Der Tod ist eine Zumutung." Mit der Hoffnung habe sich u.a. Immanuel Kant intensiv auseinandergesetzt, eine seiner berühmten vier Fragen lautete: "Was darf ich hoffen?"
Das Ringen um Konzepte, die mit dem "Endlichkeitsproblem", also der Sterblichkeit des Menschen, zurechtzukommen helfen sollen, steht Liessmann zufolge heute unter der Bedingung, dass Hoffnung "nicht auf das Postulat eines gütigen Gottes angewiesen" sein darf. Dabei seien die Pläne, die gegenwärtig das Ausschalten des Todes zum Gegenstand haben, nicht neu: Die Idee, das Gedächtnis eines Menschen auf eine Festplatte zu übertragen und so zu konservieren, erinnere an die Vorstellung der unsterblichen Seele bei den Griechen. Das Weiterleben im Gedächtnis der Nachwelt durch Ruhm lässt sich von den antiken Feldherren bis zum Facebook-Account verfolgen, so Liessmann.
Das Auditorium verfolgte voller Aufmerksamkeit beide Vorträge und gestand es Liessmann sogar zu, seine Redezeit zu überschreiten. Dieser hatte mit dem verlockenden Angebot "Geben Sie mir noch zehn Minuten, und ich gebe Ihnen die Unsterblichkeit!" um zusätzliche Zeit gebeten. Mit dem Vortrag des Wiener Philosophieprofessors fand die Vortragsreihe 2017 ihr Ende.
Fortsetzung trotz Batliners Rückzug
Wie es mit den Disputationes als Teil der 2012 eingeführten Festspiel-Eröffnung "Ouverture spirituelle" weitergeht, war bei den Schlussworten von Erhard Busek als Vertreter des veranstaltenden Herbert-Batliner-Europainstituts noch nicht klar. Der Ex-Vizekanzler würdigte den liechtensteinischen Rechtsanwalt und Finanztreuhänder Batliner, der seine finanziellen Mittel nicht für "Jachten oder Frauen" eingesetzt, sondern "immer auf das Geistige gerichtet" habe. Wegen des Alters und des angegriffenen Gesundheitszustandes des Mäzens werde dessen Institut "diese oder nächste Woche aufgelöst". Wie die "Salzburger Nachrichten" am Mittwoch mitteilten, sollen die Disputationes mithilfe eines neuen Vereins mit Busek als Spiritus Rector 2018 zum siebten Mal stattfinden.
Quelle: kathpress