Flüchtlingskrise nicht schnell vor der Wahl zu lösen
Europa hat bei den Fluchtbewegungen aus Afrika zu lange weggeschaut und kann die Situation nun nur durch langfristige Maßnahmen auf vielen Ebenen zugleich entschärfen: Das hat der frühere österreichische Caritas-Präsident Franz Küberl in der "Kleinen Zeitung" (Sonntagsausgabe) dargelegt. Der mit der Situation in Afrika vertraute Experte warnte vor Wahlkampf-Debatten über die dramatische Situation im Mittelmeer: Es sei "vermessen und weltfremd" zu glauben, die Flüchtlingskrise lasse sich rasch vor der Wahl im Herbst lösen.
Österreichs Politik, die derzeit "mindestens drei Innenminister" habe, beschränke sich im Wahlkampf stets auf Vorschläge an andere Staaten, "wie diese gefälligst aktuell nicht lösbare Probleme zu lösen hätten", beobachtete Küberl. Ländern ohne Staat wie Libyen zu sagen, "was sie zu tun haben, damit wir in Ruhe schlafen können", werde jedoch nichts nützen. Schon im vorigen Wahlkampf habe sich Österreichs Beitrag zur Beilegung der Syrienkrise auf den Abzug der UN-Soldaten von den Golanhöhen beschränkt.
In Richtung Europa forderte Küberl, die Länder sollten sich "endlich diesem gewaltigen Problem" der schon seit 15 Jahren bekannten Fluchtbewegungen in Afrika zuwenden. Der dortige Flucht- und Migrationsdruck sei eine Folge von Krieg und völlig schiefgelaufener Globalisierung. "Das Drama ist, dass die Armen wissen, wo die Reichen wohnen", so der frühere Caritas-Präsident. Die "ungeheure Schieflage" müsse entschärft werden, "um das Schiffchen Welt aus der Schleuderzone bringen zu können".
Befugte Verantwortliche der EU-Institutionen müssten nun "mit Elan Initiativen an allen Ecken und Enden setzen". Dringend nötig sei etwa strukturierte Hilfe für Italiens Flüchtlingsregistrierung und -rückführung, der Kontakt mit Ländern südlich der Sahelzone wie auch der Ausgleich von Globalisierungsverlusten, über den Weg fairer Handelsbeziehungen oder das faire Schürfen von Rohstoffen. Wirkungen derartiger Maßnahmen zeigten sich zwar erst in vielen Jahren, doch sei Politik eben ein "starkes, langsames Bohren dicker Bretter", hob der Caritas-Experte hervor.
"Hilfeverbot nur in Diktatur"
Entschieden wandte sich Küberl gegen die Kriminalisierung von in der Seenotrettung auf dem Mittelmeer tätige NGOs. Es sei "niveaulos", "Menschen, die anderen helfen, weil sie sich an internationales Seerecht halten, zu bedrängen und ihnen die Schuld an unhaltbaren Zuständen zuzuschieben", so der Ex-Chef der Caritas, und weiter: "Ein Hilfeverbot kann es nur in einer Diktatur geben. Würden die Hilfsorganisationen nichts mehr tun, wäre alles noch viel entsetzlicher."
Eine entgegengesetzte Position vertrat in der "Kleinen Zeitung" Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP). Illegale Migration müsse ein Riegel vorgeschoben werden, was nur durch das "deutliche Signal, dass wir fest entschlossen sind, die Mittelmeerroute zu schließen" gelingen könne. Wenn manche Hilfsorganisationen mit dem Ziel einer sicheren Überfahrt von Bootsflüchtlingen in Kontakt mit kriminellen Schlepperbanden stünden, so sei dies "zweifelhaft": Schlepperbanden würden dadurch immer größere Risiken bewusst eingehen, womit nur "zusätzliches Leid und Unrecht" entstehe.
Quelle: kathpress