Mehr kirchlicher Einsatz für Klimagerechtigkeit
Als "Ernstfall des Glaubens" hat die Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb den Kampf gegen den Klimawandel bezeichnet. Sie rief in ihrem Eröffnungsvortrag bei der Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster am Mittwochnachmittag die Kirchen zum intensiven Einsatz für mehr Klimagerechtigkeit auf. Unter dem Titel "Gärten in der Wüste - Schöpfungsethik zwischen Wunsch und Wirklichkeit" analysieren prominente Experten aus verschiedenen Forschungsbereichen sowie Vertreter von Kirchen und Religionen, wie aktuelle ökologische Probleme gelöst werden können. Gewählt wurde das Thema aus Anlass der oberösterreichischen Landesgartenschau, die derzeit im Stift Kremsmünster zu sehen ist.
Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts sei mit einem Temperaturanstieg von 4 bis 6 Grad zu rechnen, "wenn nichts passiert", warnte Kromp-Kolb. Und selbst wenn Gegenmaßnahmen ergriffen werden, sei mit einem Temperaturanstieg zu rechnen. 30 Prozent aller derzeit bekannten Arten würden bedingt durch den Klimawandel Mitte des Jahrhunderts verschwunden sein.
Die Folgen wirkten unmittelbar auf das Leben der Menschen, mit dramatischen Folgen durchaus auch für Österreich: "Im Sommer wird es bis Mitte des Jahrhunderts um bis zu 50 Prozent weniger Niederschlag geben", so die Expertin. Der Klimawandel sei dabei aber extrem unsymmetrisch, mit sehr unterschiedlichen Auswirkungen in den jeweiligen Regionen.
"Schon jetzt kommen Menschen wegen des Klimawandels ums Leben und müssen flüchten. Das werden mehr", so die Prognose von Kromp-Kolb. Wenn es nicht gelinge, die CO2-Emissionen auf Null zu reduzieren, dann sei von 200 Millionen Klimaflüchtlingen Mitte des Jahrhunderts auszugehen. Klimawandel sei zwar selten der einzige Faktor für Krieg, aber er verschärfe die Probleme "und bringt das Fass zum Überlaufen".
Folgen treffen die Schwächsten
Kromp-Kolb sprach damit die ethische Seite des Themas an, denn die Verursacher des Klimawandels seien die wohlhabenden Staaten. Die Auswirkungen würden aber die wirtschaftlich Schwächsten besonders treffen. "Kann es eine Rechtfertigung geben, zu Hunger und Tod beizutragen wegen Komfort und Bequemlichkeit?", fragte Kromp-Kolb, und weiter: "Dürfen wir die Gefahr eingehen, eine Welt an die nächste Generation zu übergeben, die rettungslos wärmer wird?"
Weltanschauung und Glauben spielten eine wichtige Rolle bei diesen ethischen Fragen. "Der Klimawandel ist der Testfall für die Ernsthaftigkeit des Glaubens", meinte die Klimaforscherin. Sie bezog sich auf Papst Franziskus, der in der Enzyklika "Laudatio si'" dazu auffordert, die Kontrolle über die ökologische und ökonomische Entwicklung zurückzugewinnen zum Wohle der Schöpfung und der Menschen. Eine verantwortungsvolle Wirtschaft dürfe weder ökologische noch soziale Grenzen überschreiten.
Die Realisierung der ehrgeizigen internationalen Klima-Ziele würde allen Menschen helfen und zugleich die Schöpfung schützen, sagte Kromp-Kolb. Jeder und jede sei dabei gefragt. Österreich solle Vorbild in der Einhaltung der Klima-Ziele sein, ähnlich wie beim Thema Atomwaffen, so ihr Wunsch. Die Glaubensgemeinschaften seien in ökologischen Fragen gefordert, mitzuarbeiten - und sollten dabei eine "gewichtige Rolle" spielen. Es gehe schließlich um die Schöpfung.
Die Klimawandel-Erforschung beginnt laut der Leiterin des Zentrums für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit an der Universität für Bodenkultur in Wien mit dem Beobachten von Fakten: Erstmals gebe es in Österreich auch Temperaturen über 40 Grad. Erklärungen zu diesen und weiteren Fakten seien Hypothesen. Oft genug getestet, würden Hypothesen dann zu Theorien. Und wie Kromp-Kolb sagte, seien die Theorien zum Klima "gut erhärtet, überprüfbar und plausibilisierbar". "Wenn Theorien gut überprüft sind, tun wir gut daran, sie ernst zu nehmen", so die Forscherin. Der Klimawandel sei in naturwissenschaftlicher Perspektive "keine Glaubensfrage".
"Bewahrung der Schöpfung"
Der Abt des Stiftes Kremsmünster, Abt Ambros Ebhart wies in seinen Eröffnungsworten darauf hin, dass nach den biblischen Erzählungen am Anfang der Schöpfung ein Garten war. Ebhart beschrieb diesen Garten Eden als Symbol in der Bibel für einen Sehnsuchtsort nach Frieden und Harmonie: "Möge diese Sehnsucht zur Bewahrung der Schöpfung beitragen."
Der Rektor der Katholischen Privat-Universität Linz, Prof. Franz Gruber, machte deutlich, dass das Thema Schöpfungsverantwortung nicht neu, aber höchst aktuell sei. Die Theologie erinnere im Schöpfungsmythos an den Menschen als Gärtner im Lebenshaus. Zivilisationsprobleme würden nicht durch das Eingreifen Gottes gelöst, das sei vielehr die Verantwortung des Menschen, so Gruber.
An das erste Bild, das von der Erde aus dem Weltall aufgenommen wurde, erinnerte der lutherische Superintendent Gerold Lehner. "Wir flogen hin, den Mond zu entdecken, aber was wir wirklich entdeckt haben, ist die Erde", zitierte Lehner die Astronauten. "Die Erde ist begrenzt, klein, allein, im weiten Raum - sie ist kostbar, begrenzt, verletzlich." Damit habe sich der Horizont geändert, die Begrenzung sei in den Blick gerückt. Wie beim Thema Leben und Tod, gehe es auch bei der Ökologie um ein Reden an der Grenze, so der oberösterreichische Superintendent.
"Die Wüste blüht"
Der Kontrast der "Wüste" zum "Garten" machte Bischof Manfred Scheuer zum Thema. Die Wüste sei ein Ort der Intimität und aufs engste verknüpft mit Befreiung und Freiheit; sie assoziiere ein Loskommen von Sklaverei, Bedrängnis und Verfolgung auf der einen und Offenheit für Gottes Liebe und Fürsorge auf der anderen Seite. Wüste sei eine geografische Landschaft, aber auch eine existentielle, soziale und spirituelle Wirklichkeit: "Im Leben gibt es ja nicht bloß blühende Gärten, sondern auch karges Land, unbesiedelte Gebiete, Enttäuschung, Aggression und Angst." Bischof Scheuer zitierte die Schriftstellerin Hilde Domin und erinnerte damit daran, dass die christliche Botschaft eine Botschaft der Hoffnung sei: "Die Wüste blüht!"
Bischof Andrej Cilerdzic von der Serbisch-Orthodoxen Kirche begrüßte für den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRKÖ) die Tagungsteilnehmer. Er unterstrich, dass Schöpfungsverantwortung ein wichtiges Thema der Ökumene sei.
Unter den rund 250 Teilnehmern der Sommerakademie am Eröffnungstag waren u.a. auch Alt-Landeshauptmann Josef Pühringer, der altkatholische Bischof Heinz Lederleitner, der oberösterreichische Caritas-Direktor Franz Kehrer, der Präsident der Diakonie Österreich Roland Sigrist und der Präsident der Katholischen Aktion Oberösterreich Bert Brandstetter. Im Rahmen der Tagung, die noch bis Freitag dauert, wird u.a. auch der in der Bischofskonferenz für das Thema Ökologie zuständige Bischof Alois Schwarz aus Kärnten das Wort ergreifen.
Veranstalter der Ökumenischen Sommerakademie sind u.a. die Katholische Privat-Universität Linz, das evangelische Bildungswerk Oberösterreich, der Ökumenische Rat der Kirchen, die Kirchenzeitung der Diözese Linz, das Stift Kremsmünster, das Land Oberösterreich sowie die ORF-Religionsabteilungen in Fernsehen und Hörfunk. (Infos: www.ku-linz.at)
Quelle: kathpress