Frankreich kurbelt Leihmutterschafts-Tourismus an
Als "klaren Rückschritt im Kampf gegen die Ausbeutung von Frauen" hat die Wiener Bioethikerin Susanne Kummer die Liberalisierung der Leihmutterschaft in Frankreich bezeichnet. Durch die nun ermöglichte Adoption von Kindern, die über anonyme Spender und Leihmütter bestellt wurden, werde "der internationale Leihmutterschafts-Tourismus weiter angekurbelt", erklärte die Geschäftsführerin des Wiener Bioethikinstituts IMABE am Donnerstag in einer Stellungnahme gegenüber Kathpress.
Leihmutterschaft ist in Frankreich zwar verboten, doch hatte der neue Staatspräsident Emmanuel Macron schon im Wahlkampf eine neue Debatte über künstliche Befruchtung (IVF) angekündigt. Der Nationale Ethikrat CCNE hatte erst kürzlich die Freigabe der IVF auch für lesbische Paare und alleinstehende Frauen empfohlen, zugleich aber auch ein Verbot der Leihmutterschaft bekräftigt.
Eine Wendung brachte in der Vorwoche das oberste Verwaltungsgericht in Paris: Künftig können Männer und Frauen, die ein Kind via Leihmutter und anonyme Samen- und Eizellspender bestellen, dieses in Frankreich adoptieren - und zwar auch ohne bestehender biologischer Verbindung zum Kind. Geklagt hatten mehrere Parteien, darunter ein schwules Paar, in dessen Auftrag eine Leihmutter in den USA 2006 ein Kind geboren hatte. Dem einen der Männer, der nicht der biologische Vater war, war es versagt worden, das Kind zu adoptieren.
Schritt nicht notwendig
Der Schritt sei rechtlich keineswegs zwingend gewesen, kritisierte Kummer, habe doch der Europäische Menschengerichtshof erst kürzlich Ländern mit einem Leihmutterschaftsverbot den Rücken gestärkt. Diese Länder hätten ein legitimes Interesse, rechtliche Elternschaft entweder von der Abstammung oder von einer regulären Adoption abhängig zu machen, hatten die Straßburger Richter bekräftigt. Nun würden die Rechte von Kindern per Gesetz "erneut grob missachtet", so die Geschäftsführerin der Bioethik-Fachstelle der Österreichischen Bischofskonferenz.
Von Leihmutterschaft betroffenen Kinder werde die "hohe Bürde" auferlegt, in ihre persönliche Geschichte bis zu fünf Elternteile zu integrieren - "die sozialen Bestelleltern, die anonymen Samen- und Eizellspender, und auch die Leihmutter, mit der sie neun Monate in intensiver Bindung standen", gab Kummer zu bedenken. Der genetische Vater und die genetische Mutter seien jedoch nicht austauschbar.
Das Urteil bedeute eine Niederlage für Frankreichs Feministinnen, verwies Kummer auf die Philosophin Sylvia Agacinski: Die Sozialistin hatte zuvor mit der Gruppe "Collectif pour le Respect de la Personne" Präsident Macron aufgefordert, in der Frage der Leihmutterschaft klar Stellung zu beziehen anstatt ihr einen quasi-ethischen Anstrich - etwa durch bessere Bezahlung - zu geben. Ähnlich die Schweizer Politologin Regula Stämpfli, die Leihmutterschaft als klare "Ausbeutung" bezeichnet hatte: Frauen würden dadurch "ihres Körpers entfremdet" und auf ein Objekt degradiert, sagte sie in einem Interview für das Portal mercator.net. Mit der "Fortpflanzungsindustrie" habe man "eine neo-feudale Bühne betreten, in der die Reichen genetisch saubere, perfekte Nachkommen produzieren und die Armen in unvorstellbar schrecklicher Weise dafür bezahlen müssen".
Deutschland: "Abstammung" an der Kippe
Doch auch in Deutschland befeuert die Reproduktionsmedizin die Debatten: Da sie immer unüberschaubarere Eltern-Kind-Konstellation entstehen lässt, hat der vom Justizministerium einberufene "Arbeitskreis Abstammungsrecht" in der Vorwoche den etwas sperrigen Ausdruck "rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung" vorgeschlagen. Er soll den Begriff der "Abstammung" ersetzen.
Zwar bleibe die genetische Abstammung der wichtigste Anknüpfungspunkt dafür, Kindern Eltern zuzuordnen, aber er ist eben nicht der einzige, begründete das Gremium. In Hinkunft sollte bei einem lesbischen Paar die nicht biologisch verwandte Lebenspartnerin automatisch "Mit-Mutter" sein, weiters schlägt der Arbeitskreis in seinen 91 Thesen Bezeichnungen wie "genetische Mutter", "nur-genetische Mutter", "nur-teilgenetische Mutter", "rechtliche Mutter", "Geburtsmutter", "biologische Mutter" - und die klassische "leibliche Mutter" vor.
In Deutschland soll weiter wie bisher gelten, dass die rechtliche Mutter auch diejenige Frau sein soll, die das Kind geboren hat. Der Arbeitskreis begründet dies damit, dass durch die Schwangerschaft eine enge körperliche und psychosoziale Verbindung von Mutter und Kind entstehe. Da in Deutschland die Leihmutterschaft verboten ist, dient das Festhalten an dieser Regel auch dazu, Leihmutterschaften zu verhindern.
Quelle: kathpress