Priestermangel ist eine "Botschaft" für Christen
Die geringe Zahl neuer Priesterberufungen in der katholischen Kirche kann auch als "Fingerzeig Gottes" verstanden werden: Diese Ansicht vertritt der frühere Pressesprecher der Diözese Graz-Seckau, Georg Plank, in einem aktuellen Beitrag für die Rubrik "Mein Standpunkt" auf der Website der katholischen Kirche www.katholisch.at. Der Priestermangel sei "zunächst etwas Schlechtes, aber vielleicht mutet ihn Gott der ganzen Gesellschaft zu, um zu zeigen, dass Kirche zuallererst die Gemeinschaft aller Getauften ist", schrieb der Theologe und Gründer des Projekts "Pastoralinnovation". Statt Erneuerung des Bestehenden sei vielleicht "disruptive, zerstörerische Innovation" nötig, bei der das Bisherige sterben müsse, damit Neues entstehen und sich entfalten könne.
Der Priestermangel ist laut Plank nicht mehr wegzudiskutieren: Bloß 18 Männer in ganz Österreich werden heuer zu Priestern geweiht, wobei 2017 für die Steiermark überhaupt ein weiheloses Jahr bleiben wird, mitverschuldet u.a. durch eine Umstellung des Ausbildungsprogramms im Grazer Priesterseminar. Bis dato gebe es zwar gute Ursachenforschung, aber "keine wirksamen Gegenmittel" für diese in der ganzen westlichen Welt verbreiteten Tendenz, mahnte Plank. Bald könne man den Priestermangel "auch nicht mehr durch Pfarrfusionen, Mehrfachaufgaben und den Einsatz von Laienmitarbeitern kaschieren".
Als "eigenartig" bezeichnete es der Theologe, dass diese Entwicklung "weder öffentliche Erregung noch kircheninterne Betriebsamkeit" zur Folge habe - besonders deshalb, da Priester nach katholischem Verständnis eine zentrale Rolle spielten. "Sie spenden die Sakramente, leiten die Gemeinden und geben durch ihr Leben in Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam ein Zeugnis für die ungeteilte Hingabe an den Dienst für Gott und die Menschen." Man könne auch sage: "Ohne Priester geht Kirche nicht."
Stets würden Christen versuchen, "ihr Leben, gesellschaftliche Ereignisse und auch kirchliche Entwicklungen als Botschaften zu verstehen und angemessen zu reagieren", erklärte Plank. Menschlich Negatives könne sich dabei "als Fingerzeig Gottes entpuppen". Beispiele dafür seien Franz von Assisi, der in Zeiten extremer Machtentfaltung des Papsttums die Einfachheit, Armut und Demut als zentrale christliche Werte entdeckte, oder Therese von Lisieux, die in Zeiten stark autoritärer Tendenzen von Gott als glaubwürdige Zeugin für die Liebe als Zentrum und Quelle allen Lebens gerufen worden sei. Die "Botschaft vom Kreuz" sei somit "zugleich die Botschaft des Heils, paradox und menschlich unverständlich, aber kraft- und wirkungsvoll", so Plank.
Ebenso sei auch der Priestermangel ein "schweres Kreuz" für die Kirche und "zunächst etwas Schlechtes", das nicht schöngeredet werden solle. Bisherige Sozialformen würden dadurch gefährdet und man greife zu "Notlösungen, die oft mehr Not als Lösung sind". Zahlreiche Fragen stünden für die Gläubigen im Raum: "Wie kann es sein, dass Gott die vielen Gebete um genügend geistliche Berufungen nicht erhört? Warum erfüllt er auch nicht die Bitten derjenigen, die für eine Aufhebung des Pflichtzölibats, für die Zulassung von viri probati und von Frauen eintreten? Hat Jesus zu viel versprochen, als er wiederholt sagte: 'Bittet und euch wird gegeben'?"
Vielleicht erhöre Gott "die innigen Bitten sowohl der Bewahrer als auch der Veränderer auf andere Weise als erwartet", so der Antwortversuch des steirischen Seelsorgeexperten. Eine Möglichkeit sei, dass man "zwischen dem Kern des von Jesus eingesetzten Priestersein und historisch und kirchenrechtlich gewachsenen Traditionen" unterscheiden solle - und dass die Phase des Mangels nötig sei, "um den Reichtum aller von Gott Berührten zu sehen und letztlich hinderlichen Klerikalismus zu überwinden", so Plank mit einer Anspielung auf Papst Franziskus.
Quelle: kathpress