Fremdes kann Gesellschaft bereichern
Auf die Erfahrung, dass Fremdes die Gesellschaft bereichern kann, haben Vertreter von vier Religionsgemeinschaften hingewiesen. Für Christen sei die Sorge um die "Fremden in der Nähe" eigentlich eine Grundaufgabe, zumal Gott - in Jesus - aus eigenem Antrieb als Fremder die direkte Nähe des Menschen gesucht habe und in jedem Menschen präsent sei, erklärte die Frauenordens-Präsidentin Sr. Beatrix Mayrhofer am Donnerstag in einem von den Ordensgemeinschaften veranstalteten Wiener Pressegespräch.
Für Christen sei kein Mensch ein Fremder, sondern "stets ein geliebtes Geschöpf Gottes", sagte Sr. Mayrhofer. Die katholischen Orden sähen es daher als ihren speziellen Auftrag an, "an die Ränder zu gehen und besonders für die Menschen dazusein, die viele andere als fremd, fern und unbequem erleben". Hilfreich sei bei diesem Vorhaben die Erfahrung in den eigenen Klöstern, in denen in der Regel Ordensleute aus verschiedenen Ländern zusammenleben und -arbeiten. Internationalität und Bereicherung durch Fremdes sei dabei "bereits gelebter Alltag".
Dass Pfarren durch die Teilnahme von Asylwerbern am Gemeindeleben stark profitieren können, berichtete Maria Katharina Moser, evangelische Pfarrerin in Wien-Simmering. Auch die gelegentliche gemeinsame Liturgie mit der afrikanischen protestantischen Gemeinde werde von vielen Gemeindemitgliedern als Bereicherung empfunden. "Vertrautes wird dabei in Frage gestellt, neue Perspektiven aufgezeigt", so die Theologin. Kirchen hätten von ihrem Selbstverständnis her das "große Friedenspotenzial", Fremde "zuerst als Menschen" und erst nachrangig als Angehörige einer anderen Religion oder Ethnie wahrzunehmen und Begegnungen entsprechend zu gestalten.
In der gesellschaftlichen Realität gelten Fremde allerdings weithin als "Bedrohung", da man ihnen zunächst diffuse Angst und Furcht entgegenbringt, so die Wahrnehmung Amina Abuzahra vom Institut für Islamische Religion der Universität Wien. Besonders beim Umgang mit Muslimen bestehe viel "Handlungsbedarf" für eine positive Neubesetzung des Fremdenbegriffs, weshalb der Zugang der Ordensgemeinschaften ein "erfrischender" sei. Wichtig seien Begegnung, Gespräch, gemeinsames Leben und die "Vergegenwärtigung, dass man einem Menschen, nicht 'dem Islam', begegnet", so Abuzahra.
Auch in den christlichen Kirchen sahen sowohl Sr. Mayrhofer als auch Pfarrerin Moser beim Thema Pluralismus allerdings noch "Luft nach oben": Die Protestanten müssten sich selbst immer wieder nach rassistischen Strukturen überprüfen und vielerorts achtsam sein, dass ihre landeskirchliche Verfasstheit nicht nationalistisch vereinnahmt werde, befand Moser. Die Ordensfrau Sr. Beatrix warnte vor einem "Wunsch, unter uns zu bleiben".
"Fremde in Österreich sehen auch die Österreicher als fremd", wies der buddhistische Mönch Bhante Seelawansa Wijayarajapura Maha Thero auf beiderseitige Ängste hin. Aufgabe der Religion sei es, den richtigen Umgang mit Negativ-Emotionen zu lehren, wozu der Buddhismus das achtsame, wertfreie Beobachten der Dinge, die Wahrnehmung eigener Gefühle und das Nachdenken darüber rate. So könne man vorgefasste Meinungen und Oberflächlichkeit überwinden. "Wenn wir mit eigenen Regungen richtig umgehen, könne wir dies auch mit den Fremden", so der Leiter des Wiener Dhamma-Zentrums. Ergebe sich keine Möglichkeit des Gemeinsamen, solle man "Abschied nehmen ohne Ablehnung".
Quelle: kathpress