Begeisternde Uraufführung von "Der Fall Gruber"
Minutenlange Standing Ovations sowie begeisterte Kritiken hat das Stück über jenen Linzer Priester erhalten, der als Reformpädagoge Konflikte mit der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit einging und 1944 als Widerstandskämpfer vom NS-Regime ermordet wurde. "Der Fall Gruber" feierte am Wochenende in zwei ausverkauften Vorstellungen im leergeräumten Linzer Mariendom seine Uraufführung - und geht nun auf Tournee: Für das speziell für Kirchenräume konzipierte Gastspiel sind bisher bereits Termine in Vöcklabruck (21. September), Schwanenstadt (22. Oktober) und St. Georgen an der Gusen (9. November) fixiert.
Der Dreiakter aus der Feder des Autors Thomas Baum skizziert Johann Gruber (1889-1944) als Direktor des Linzer Blindeninstituts, als Angeklagten vor einem NS-Gericht und als Häftling im KZ Gusen. Inszeniert wurden das Auftragswerk des Vereins "Plattform Johann Gruber" und vom "Papa-Gruber-Kreis" in St. Georgen von Franz Froschauer, der selbst in die Rolle Grubers schlüpfte, zur Musik von Peter Androsch und unter Dramaturgie von Franz Huber.
OÖN: "Ein Stück Heimkehr"
Die Darsteller seien ein "starkes Ensemble" hätten in ihren wechselnden Rollen überzeugt, schrieben die "Oberösterreichischen Nachrichten" (OÖN, Montag). Besonderes Lob gab es Froschauer: Er habe auf bestechende Weise die Akustik des Mariendomes genutzt. Gruber sei 1913 am selben Ort zum Priester geweiht worden war, was das Spiel "ein Stück weit zur Heimkehr" gemacht habe, heißt es weiter. Erst recht sei der Aufführungsort bemerkenswert, da erst die Intrigen von Kirchenvertretern gegen Gruber sowie der Entzug seines Schutzstatus durch Ortsbischof Johannes Gföllner dem NS-Regime ermöglicht hätten, den unbequemen Priester festzunehmen und zu eliminieren.
"Beeindruckend" lautete auch das Gesamturteil im "Neuen Volksblatt" (Montag). Froschauer liefere ein "starkes Stück und einen starken Gruber ab - an einem beeindruckenden Ort, der der Geschichte noch mehr Tiefe verlieht". In allen Kritiken wurde neben Froschauer auch die Leistung der erst 15-jährigen Anna Valentina Lebeda hervorgehoben, die ein blindes Mädchen verkörperte, dem Gruber zu Selbstsicherheit verhalf. Sie habe glaubhaft dargestellt, "welch positive Auswirkungen Grubers Kampfgeist und Sturheit auch hatten", befand das "Volksblatt". In weiteren Rollen waren Andreas Puehringer und Katharina Bigus zu sehen.
Zur Uraufführung am 24. Juni waren zahlreiche Ehrengäste aus Kirche, Politik und Gesellschaft in die größte Kirche Österreichs gekommen, darunter Altbischof Maximilian Aichern, die Altlandeshauptleute Josef Pühringer und Josef Ratzenböck, die Landesräte Birgit Gerstorfer und Rudi Anschober, Gerhard Baumgartner vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes sowie Friedrich Forsthuber, Präsident des Landesgerichtes für Strafsachen in Wien. Forsthubers Wunsch: "Dieses Stück sollte in Wien zur Aufführung gebracht werden!"
Scheuer: Anfrage an die Kirche
Bischof Manfred Scheuer, der die Vorstellung am Sonntag besuchte, bezeichnete die Beschäftigung mit Johann Gruber und seinem Glaubenszeugnis als "prägende Orientierungshilfe". Der Linzer Oberhirte erinnerte daran, dass der 1944 ermordete Priester "ein Opfer des Nationalsozialismus, aber auch ein Opfer der innerkirchlichen Umstände jener Zeit" gewesen sei. "Wir wollen nicht, dass er Opfer eines Vergessens wird. Es ist vielmehr unsere Pflicht, die Erinnerung an ihn, an das, wofür er einstand, wofür er schlussendlich ermordet wurde, wachzuhalten", betonte Scheuer im Programmheft des Stücks. Ohne Analyse und Aufklärung drohe sich Geschichte zu wiederholen.
Die Erinnerung an Gruber schließe auch eine "Anfrage an die Kirche mit ein, wie sie es innerhalb ihrer selbst mit Rivalitäten und Konflikten hält", so Bischof Scheuer weiter. Nach wie vor gebe es in der konkreten Wirklichkeit von Kirche "gestörte, zerstörende und zerstörte Beziehungen, Behinderungen, Belastungen, Kränkungen, Machtverhältnisse im Miteinander". Die Kirche müsse deshalb die "Spiritualität der Gemeinschaft immer neu entdecken und fördern".
Von einem Versuch einer "Gutmachung" sprach Bischofsvikar Maximilian Mitterndorfer bei der Premiere. Die Anklagen gegenüber der Kirche seien hart, zumal sie nicht eingegriffen habe, als ihr Priester von der Gestapo verhaftet und ein Urteil über ihn gefällt wurde, das ihm das Leben kostete. Das Urteil wurde erst im Jänner 2016 durch das Strafgericht Wien vollständig aufgehoben.
Der Regisseur und Hauptdarsteller zeigte sich in einer Aussendung der Diözese Linz von Grubers Persönlichkeit tief beeindruckt. "Gruber hat sich ein Leben lang für Schwächere und Benachteiligte eingesetzt. Mit seiner unbequemen Kritik hat er die Keule der Systeme mit voller Wucht zu spüren bekommen, die ihn mundtot machen wollten", so Franz Froschauer. Schlüsselsatz Grubers im Stück sei für ihn: "Mit dem Herzen bin ich bei den Menschen, mit dem Kopf bei der Zukunft, beim Reformieren." Autor Thomas Baum bezeichnete Gruber als "Systemkritiker, der auch manisch unterwegs mit dem Kopf gegen die Wand" gewesen sei.
Priester, Lehrer, KZ-Häftling
Johann Gruber wurde in Tegernbach (Bezirk Grieskirchen) als ältestes von vier Kindern geboren und verlor früh seine Eltern. Nach Besuch des Linzer Gymnasiums Petrinum wurde er Priester und nach Kaplansjahren 1934 Direktor der Linzer Blindenanstalt, wobei er eine eigene Reformpädagogik entwickelte, in deren Mittelpunkt das Glück des Kindes stand. Er sprach sich gegen den Anschluss aus, nahm heftige Konflikte mit dem Kreuzschwestern-Orden und mit nationalsozialistischen Lehrern auf sich, wurde 1938 wegen eines angeblichen Sittlichkeitsdelikts denunziert, von der Gestapo festgenommen, kam ins KZ Dachau und schließlich ins KZ Gusen.
Im Konzentrationslager war "Papa Gruber" in der Krankenbaracke tätig und baute dabei ein regelrechtes Hilfswerk auf, indem er u.a. notleidende Mithäftlinge mit der "Gruber-Suppe", Kleidung und Informationen über die Kriegslage versorgte und durch Organisation inhaftierter Lehrer sogar eine geheime KZ-Schule für Lagerkinder auf die Beine stellte. Schilderungen Überlebender zufolge rettete er vielen Menschen in Gusen das Leben und galt als "Engel in der Hölle". Grubers Netzwerk flog jedoch auf und er wurde nach tagelangem Verhör und Folter am 7. April 1944 - einem Karfreitag - grausam ermordet. In der Nachkriegszeit geriet Gruber weitgehend in Vergessenheit. Erst am 7. Jänner 2016 wurde er vom Strafgericht Wien vollständig rehabilitiert.
Johann Gruber gelte bei überlebenden KZ-Häftlingen und in der Gedenkarbeit Engagierten "als Heiliger und als Schutzpatron der Solidarität", heißt es seitens der Diözese Linz. Der Linzer Priester sei eine "herausragende Persönlichkeit" und "einer der bedeutendsten Widerstandskämpfer Österreichs" gewesen. Die Uraufführung sei "ein historischer Abend und ein historischer Meilenstein in der selbstreflexiven Auseinandersetzung mit der vielschichtigen Rolle der Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus" gewesen, wird der Auftraggeber des Stücks, Christoph Freudenthaler von der "Plattform Johann Gruber", in der Aussendung zitiert.
(Infos: Plattform Johann Gruber, www.johann-gruber.at)
Quelle: kathpress