Lob für Flüchtlingshelfer, Kritik an Behörden
Ohne die vielen Freiwilligen und die NGOs wäre Österreich 2015 bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise gescheitert. Das hat der frühere Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Ferdinand "Ferry" Maier, im Interview mit der Kooperationsredaktion der heimischen Kirchenzeitungen betont: "Ich war beeindruckt von der hohen Professionalität der Hilfsorganisationen und dem großen Engagement der Menschen, die auf die verschiedenste Art geholfen haben." Demgegenüber habe es den staatlichen Stellen oft an Knowhow gefehlt: "Viele Behördenvertreter waren und sind nicht dafür ausgebildet, solche Ausnahmesituationen zu bewältigen. Die Beamten in den Ländern waren sehr konstruktiv. Jedoch hatte ich den Eindruck, dass die Behörden unterbesetzt und deshalb überfordert waren."
Je näher die potentiellen Helfer den Flüchtlingen waren, desto weniger seien die Probleme betont worden; je weiter weg Einrichtungen waren, "desto größer wurden die Probleme gezeichnet", so Maier: "Es zeigen ja auch Umfragen, dass die Ablehnung gegenüber Flüchtlingen gerade dort gering ist, wo welche leben - und umgekehrt."
Flüchtlinge kämen vor allem deshalb nach Europa, "weil die Lage in ihrer Heimat so schlecht ist", und nicht, weil sie von den vermeintlich so guten Lebensbedingungen angezogen werden. Man habe auch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel 2015 vorgeworfen, die Menschen ins Land geholt zu haben. Wenn man aber wisse, so Maier, dass es schon 2011 einen Bericht des Heeresnachrichtendienstes gab, der für die Jahre um 2015 große Flüchtlingsbewegungen voraussagte, werde klar: "Diese Argumentation ist Unsinn."
Maier wollte im Interview die Beobachtung nicht entkräften, dass sich die Haltung in der Bundesregierung seit 2015 von einer Willkommenskultur zu einer Abschiebekultur gedreht habe. "Mich ärgert dabei, dass nicht erkannt wird, wie viele Freiwillige heute noch in Österreich für Flüchtlinge aktiv sind", so Maier. Unverständlich sei ihm auch, "warum es nie ein wirkliches Danke für all jene gegeben hat, die sich insbesondere in den schwierigen Monaten 2015 engagiert haben".
Wenig Verständnis hatte der Flüchtlingskoordinator auch für den Vorwurf, dass Hilfsorganisationen an Flüchtlingen gut verdienen würden. Es sollte klar sein, dass NGOs für Leistungen, die sie erbringen, auch entsprechend bezahlt werden, so Maier. Befremdlich sei es für ihn geworden, "als plötzlich die Idee auftauchte, die Organisationen sollten ihre Spenden offenlegen, damit man die staatlichen Zahlungen um diesen Betrag zurückfährt".
Zur Frage, wie jene Menschen, die in Österreich bleiben dürfen, nun besser integriert werden können, mahnte Maier eine bundesweit einheitliche Datenerfassung dieser Menschen ein, um zum Beispiel Deutschkurse besser organisieren zu können. Bei diesem Thema falle zudem auf, dass es ja auch vor 2015 Flüchtlinge gab, "wir aber erst jetzt von Integrationsmaßnahmen im großen Stil sprechen". So werde deutlich, "was in diesem Bereich über Jahre versäumt wurde". Nachsatz: "Es gibt zu wenige selbstbewusste Politiker, die mit dem Thema offensiv umgehen wollen. Das Thema wird eher weggeschoben. Ob das lösungsorientiert ist, stelle ich in Frage."
Von September 2015 bis September 2016 war der frühere Nationalratsabgeordnete und Raiffeisen-Manager Ferdinand Maier neben Christian Konrad als Flüchtlingsbeauftragter der Bundesregierung tätig. In seinem neuen Buch "Willkommen in Österreich?" zieht er eine Bilanz, wie Österreich mit der Flüchtlingskrise umgegangen ist.
(Ferry Maier/Julia Ortner: Willkommen in Österreich? Was wir für Flüchtlinge leisten können und wo Österreich versagt hat. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2017)
Quelle: kathpress