Theologin fordert mehr religiöse Bildung gegen Religionskonflikte
Angesichts grassierender religiöser Gewalt zunehmend auch in Europa braucht es ein Mehr an religiöser Bildung: Das hat die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak bei einer Podiumsdiskussion am Montagabend in Wien unterstrichen. "Wir müssen lernen, auch mit unüberwindbaren Differenzen zu leben, dazu scheint mir religiöse Bildung ganz wichtig." Den Atheismus als "großes Experiment der Neuzeit" betrachte sie als gescheitert, da er es nicht vermochte, "die Grundfrage des endlichen Menschen nach einer anderen Wirklichkeit" zu zerstören. Dennoch könne sie auch den atheistischen Versuchen, Religion zu desavouieren, insofern etwas abgewinnen, als sie die Religion herausforderten.
Polak äußerte sich im Rahmen einer Podiumsdiskussion der Reihe "Science Talk" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. An dem Gespräch, das diesmal der Frage "Was ist Religion?" gewidmet war, nahm weiters der Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker, die Religionswissenschaftlerin Birgit Heller und der Philosoph Konrad Paul Liessmann teil.
Große Differenzen wurden bei dem Versuch deutlich, die Frage "Was ist Religion?" mit einer fixen Definition zu beantworten. So verwies etwa die Wiener Religionswissenschaftlerin Birgit Heller darauf, dass Versuche eines "flächendeckenden Allgemeinbegriffs" von Religion bislang stets gescheitert seien, da Religionen so ambivalent seien wie die Menschen selbst. Als Beispiel verwies Heller darauf, dass Religionen historisch immer wieder dazu gedient hätten, Herrschaftsverhältnisse zu legitimieren - zugleich gebe es aber "auch noch andere Potenziale", die immer dort aufscheinen, wo sich Religion auf die Seite der Schwachen und Benachteiligten stelle.
Aus islamischer Perspektive näherte sich schließlich der Wiener Islamwissenschaftler Rüdiger Lohlker der Frage, was Religion sei. Dabei verwahrte auch er sich vor einer eindeutigen Definition, zumal der Islam weniger eine Religion als vielmehr eine "umfassende Lebensweise" bzw. eine "offene Suchbewegung" darstelle. Daher gebe es heute im Islam auch so große und widersprüchliche Lehrtraditionen und Überzeugungen.
Der Wiener Philosoph Konrad Paul Liessmann widersprach den Versuchen, Religion einer eindeutigen Definition zu entziehen. Eine solche sei notwendig, da man ansonsten den Eindruck haben könnte, dass es Religion gar nicht gebe bzw. dass diese sich in endlichen Lebensformen erschöpfe: "Ich dachte immer, der Mensch, der die Endlichkeit nicht akzeptieren will, braucht Gott, hofft auf Erlösung", so Liessmann. Daher solle man sich auch nicht um Definitionen herumdrücken. Und so bot der Philosoph seine - gleichsam als polemische Steilvorlage für die Diskussion kalkulierte - Definition, dass Religion eine "institutionalisierte Transzendenzverwaltung mit ungerechtfertigten Wahrheitsansprüchen und bedenklichen sozialen Implikationen" darstelle.
Polak begrüßte diesen Vorstoß, insofern die Religion gezwungen werde, "ihre innere Rationalität auszuloten und zu erklären".
Quelle: kathpress