Flüchtlinge Herausforderung, aber auch Potenzial
Für einen Perspektivenwechsel in der gegenwärtigen Debatte um Flüchtlinge plädiert die Katholische Frauenbewegung Österreichs (kfbö): "Menschen, die wegen Krieg und Krisen ihre Heimat verlassen mussten, sind nicht nur eine Aufgabe für die Aufnahmeländer, sie sind auch ein enormes Potenzial, das es wahrzunehmen und dessen Entfaltung es zu fördern gilt", sagte kfbö-Vorsitzende Veronika Pernsteiner anlässlich des "Internationalen Tags des Flüchtlings". Es gelte eine qualitativ hochwertige Versorgung in allen Lebensbereichen der Flüchtlinge sicherzustellen und Bedingungen zu schaffen, um vorhandene Fähigkeiten "eruieren, fördern, vertiefen und weiterentwickeln" zu können. Das habe positive Auswirkungen sowohl für das Aufnahme- als auch für das Herkunftsland, betonte Pernsteiner.
Einrichtungen wie die Österreichische Nationalbank, das Wirtschaftsforschungsinstitut und das Institut für Höhere Studien hätten errechnet, dass die Flüchtlinge, die seit 2015 nach Österreich gekommen sind, aufgrund der Staatsausgaben für die Versorgungs- und Integrationsmaßnahmen positive Effekte für Arbeitsmarkt und Konjunktur erzeugen werden. Und wenn in ihren Fähigkeiten geförderte Flüchtlinge nach Ende von Krieg oder Konflikten in ihren Herkunftsländern dorthin zurückkehren, könnten sie wesentlich beitragen zum Aufbau von Demokratie und Wirtschaft, berief sich die kfbö auf die von der Wiener Wirtschaftswissenschafterin Luise Gubitzer formulierte "emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit."
Gubitzers "5-Sektoren-Modell der Gesamtwirtschaft" - ein erweitertes Ökonomieverständnis - sollte nach Überzeugung der Frauenbewegung auch beim Thema Flüchtlinge zur Anwendung kommen. Es umfasst neben dem klassischen "For-Profit-Sektor", also gewinnorientierten Unternehmen, auch den "Non-Profit-Sektor" mit NGOs und NPOs (non profit organisations), den privaten "Haushaltssektor", den staatlichen "öffentlichen" sowie den "kriminellen" Sektor. Letzterem und damit dem Schlepper-Wesen bzw. anderweitiger Geschäftemacherei mit der Flüchtlingsnot entgegenzuwirken verlange eine geordnete, legale Aufnahme von Flüchtlingen: "Alle Staaten in Europa, USA und Kanada sollen ihren Kapazitäten entsprechend Flüchtlinge aufnehmen, sie auf legalem Weg ins Aufnahmeland kommen lassen und dort mit effizienten Integrationsmaßnahmen versorgen", sind sich Gubitzer und die Katholische Frauenbewegung einig.
Handlungsspielräume besser nützen
Würden bisher nicht ausreichend berücksichtigte Handlungsspielräume beim Thema Flüchtlinge genützt, würden letztlich alle positiven Wirtschaftssektoren gewinnen. Wenn staatliche Maßnahmen für Versorgung und Integration wirksam werden und Steuereinnahmen durch Erwerbs- und Konsumtätigkeit integrierter Asylberechtigter erzielt werden, profitiere der öffentliche Sektor mittelfristig. Und auch der "For Profit-Sektor" ziehe Nutzen aus der enormen Nachfrage, die die Versorgung von Menschen auf der Flucht auslöst, aber auch durch die Erbringung etwa von Betreuungsleistungen, die ihm der Staat überantwortet. NPOs, die gegen Rückerstattung von Kosten eine Grundversorgung von Asylwerbern zur Verfügung stellen, ersparen dem Staat laut kfbö durch die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen zusätzliche Ausgaben aus Budgetmitteln.
Veronika Pernsteiner verwies in diesem Zusammenhang auf das überwiegend von Frauen getragene, nach wie vor große ehrenamtliche Engagement in der Flüchtlingsbetreuung. Die Frauenbewegung appellierte an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft in Österreich wie auf europäischer Ebene, sich bei der Analyse des Themas "Menschen auf der Flucht" und bei der Entwicklung von Handlungsoptionen des "5-Sektoren-Modells der Gesamtwirtschaft" zu bedienen. Das könne auch helfen, dem wahrnehmbaren Rechtsruck und der Re-Etablierung stereotyper Frauen- und Männerbilder entgegenzuwirken.
Quelle: kathpress