"Österreich-Dorf" im Irak: Kirchliche NGOs starten Hilfsaktion
In der nordirakischen Ninive-Ebene soll mit Hilfe aus Österreich ein vom IS zerstörtes Dorf wieder aufgebaut werden, damit die einstigen Bewohner zurückkehren können. Die Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände (AKV), Christian Solidarity International (CSI), Kirche in Not und die Initiative Christlicher Orient (ICO) sowie die Kardinal König Stiftung haben dazu die "Aktion Heimkehr" gestartet. "Wir dürfen die Christen im Irak nicht im Stich lassen", appellierte der Linzer Bischof Manfred Scheuer bei einer Pressekonferenz am Montag in Wien an die Öffentlichkeit.
Konkret geht es den heimischen Hilfsorganisationen um das Dorf Baqofa, das rund 25 Kilometer nördlich von Mossul liegt. Die Infrastruktur (vor allem Elektrizität und Wasser) wurde vom IS völlig zerstört, die Häuser wurden restlos geplündert und sind zum Teil auch völlig ausgebrannt bzw. demoliert. Die bereits zurückgekehrten Familien hätten auch nicht genug zu essen und benötigen Nahrungsmittelhilfe, hieß es bei der Pressekonferenz. Im Ort herrsche auch großer Wassermangel. Das Wasser müsse mit Tankwägen in den Ort gebracht werden und sei verschmutzt. Um die Wasserversorgung sicherzustellen, müsste ein neuer Brunnen gegraben werden. Auch die vorhandenen Wasserpumpen seien defekt. Die Rückkehrer seien aber entschlossen, von Neuem zu beginnen und ihren christlichen Glauben, ihre Kultur und ihre Sprache weiter vor Ort zu pflegen. "Dabei wollen wir sie unterstützen" so Bischof Scheuer.
In Baqofa lebten vor der Vertreibung durch den IS knapp 100 christliche Familien. Bisher sind laut den Hilfsorganisationen rund 30 Familien zurückgekehrt. Die Verantwortlichen rechnen damit, dass weitere Familien über den Sommer zurückkehren. Mittelfristig könnte demnach gut die Hälfte der einstigen Bevölkerung wieder zurückkommen.
"Wir sind gefordert, bei diesem Thema Farbe zu bekennen und Solidarität nicht nur durch Gebete und Worte, sondern auch durch Taten und konkrete Hilfe vor Ort zu leisten", unterstrich AKV-Präsident Helmut Kukacka. Er rief zudem die politisch Verantwortlichen in Österreich auf, sich dieses Anliegen auch zu eigen zu machen. Kukacka appellierte an die Bundesregierung wie auch an die Länder, sich ebenfalls verstärkt für die Christen im Irak einzusetzen und sie bei der Rückkehr zu unterstützen, "indem sie etwa unsere aufgebrachten Spenden ergänzen oder verdoppeln".
"Yes, we can!"
Die Hilfsaktion sei als ein großes Statement "Yes, we can!" gedacht, so CSI-Generalsekretär Elmar Kuhn. Durch die lokalen Partner vor Ort würden die Spenden direkt bei den Leuten ankommen, oft bei jenen, die sonst von nirgendwoher Hilfe erhalten würden, so Kuhn. "Die Rückkehrer im Irak und wir hier in Österreich wollen ein Zeichen setzen, dass der IS nicht das letzte Wort hat."
ICO-Obmann Slawomir Dadas strich ebenfalls hervor, dass die einzelnen Hilfsorganisationen zwar relativ klein seien, dafür aber über langjährige Erfahrungen in der Region verfügen und "ganz nah dran" vor Ort seien. "Wir hören vor allem auch den Menschen zu, welche Hilfe sie tatsächlich brauchen", so Dadas. Auch wenn die NGOs nicht allen helfen könnten, mache dies für jene Menschen, die erreicht werden, einen großen Unterschied aus.
Kirche in Not-Direktor Herbert Rechberger wies auf derzeit noch rund 95.000 registrierte Flüchtlinge aus der Ninive-Ebene hin, von denen möglichst vielen die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht werden sollte.
Laut einer aktuellen Bestandsaufnahme wurden in der Ninive-Ebene vom IS nicht nur rund 13.000 Häuser sondern darüber hinaus auch mehr als 360 kirchliche Gebäude teilweise oder völlig zerstört.
Christian Solidarity International wird sich in Baqofa vor allem um die Wasserversorgung annehmen, die Initiative Christlicher Orient wird sich um die Erneuerung der Elektrizität (auch in den einzelnen Wohnhäusern) bemühen und Kirche in Not wird den Schwerpunkt auf die weitere Renovierung von Wohnhäusern legen. Die AKV unterstützt alle drei Vorhaben gleichermaßen. Die Kardinal König Stiftung wird sich der Renovierung der Kirche in Baqofa annehmen bzw. sich an einem kleinen Neubau beteiligen. Bischof Scheuer hat in seiner Funktion als Präsident der Kardinal-König-Stiftung vor kurzem die Region besucht und und damit den Anstoß zur Hilfsaktion geliefert.
250 Millionen Dollar für Wiederaufbau
Im März wurde von den drei christlichen Hauptkirchen der Region - beteiligt waren die syrisch-orthodoxe, syrisch-katholische und chaldäisch-katholische Kirche -, von Experten und von "Kirche in Not" ein sogenannter "Ninive-Wiederaufbau-Ausschuss" (Niniveh Reconstruction Committee, NRC) gegründet. Die Gesamtkosten des Wiederaufbaus belaufen sich laut Angaben des NRC auf mehr als 250 Millionen Dollar. 13.000 Privathäuser müssten in neun christlichen Dörfern bzw. Städten wieder hergestellt werden.
Eine im März 2017 durchgeführte Umfrage des NRC ergab zudem, dass rund 40 Prozent der christlichen Familien definitiv in ihre Häuser in der Ninive-Ebene zurückkehren wollen, die sie 2014 während der IS-Invasion verlassen mussten. Weitere 46 Prozent ziehen eine Rückkehr ernsthaft in Erwägung. Noch im November 2016 waren nur 3,3 Prozent der befragten Familien dazu bereit, in ihre Dörfer zurückzukehren. Entscheidend ist freilich laut Umfrage einerseits die Sicherheit und zum anderen, ob es für die Kinder ab Herbst 2017 dann auch die Möglichkeit zu einem Schulbesuch gibt.
Bereits 2016 haben die AKV, ICO, CSI und KIN eine ähnliche gemeinsame Hilfsaktion für Menschen in Not in Syrien und im Irak durchgeführt. Mit den erzielten 65.000 Euro konnten u.a. notleidende Familien in Aleppo, Studenten in Qamishli (Nordsyrien) und Kinder- und Jugendliche im nordirakischen Kurdistan erreicht werden.
(Infos: www.akv.or.at, Spenden: CSI AKV Christen in Not, BIC: GIBAATWWXXX, IBAN: AT49 2011 1824 1397 6101)
Quelle: kathpress