"Glaube für gelingendes Leben ganz wichtig"
Wertschätzung, aber auch Kritik an der katholischen Kirche hat die frühere OGH-Präsidentin und Bundespräsidentschaftskandidatin Irmgard Griss geäußert: Im Interview mit Radio Vatikan würdigte die bekennende Katholikin die gemeinschaftsstiftende Bedeutung der Kirche sowie den Anstoß, den gelebter Glaube zu einem "gelingenden Leben" gebe. Missfallen äußerte Griss jedoch an der Stellung der Frau in der Kirche und an der Tatsache, dass Frauen kirchliche Weiheämter vorenthalten werden.
Teil einer weltumspannenden Verbindung von Menschen zu sein und auf eine lange, auch humanitäre Tradition zurückzublicken sei ein großes Plus für jedes Kirchenmitglied. Immer wieder seien Menschen in der Kirche erlebbar, "die barmherzig sind, die sich um ein gutes Leben bemühen ... und die das Evangelium in das tägliche Leben versuchen umzusetzen", sagte Griss. Der Glaube motiviere zum Gutsein, "für ein gelingendes Leben ist das ganz wichtig", erklärte die Juristin auf die Frage, was sie an der katholischen Kirche am meisten schätze.
Was viele Menschen und auch sie selbst an der Kirche stört, sei die fehlende Gleichberechtigung der Frauen. Diese könnten nicht einmal Diakoninnen werden, "vom Priesteramt ganz zu schweigen". Für Griss wäre eine Öffnung der kirchlichen Ämter "absolut notwendig", denn Frauen würden - wie die Männer - durch ihre Fähigkeiten viel Positives einbringen. "Es braucht beides", sagte Griss und fügte die Warnung hinzu: "Eine reine Männerherrschaft führt zu Fehlentwicklungen", schüre Neid und Konkurrenz und schade so der gesamten Gemeinschaft.
Gerechtigkeit braucht auch Barmherzigkeit
Die Juristerei müsse sich immer vom Ziel leiten lassen, gerechte Verhältnisse herzustellen und gerechte Entscheidungen zu fällen, betonte die Ex-Präsidentin des Obersten Gerichtshofes. "Ich glaube, dass Richterinnen und Richter, ich war ja selbst 30 Jahre lang eine, das als Lebensziel haben müssen, zur Gerechtigkeit beizutragen." Sie habe sich zwar "immer gedacht, ich kann die großen Ungerechtigkeiten der Welt nicht lösen, auch wenn es mich noch so stört. Aber das was ich tun kann, in dem Bereich, in den ich gestellt bin, meine Arbeit so gut wie nötig zu machen - so gut wie ich es halt kann." Das müsse für Menschen in unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen an erster Stelle stehen, so Griss: das Bemühen, es gut zu machen. "Man muss sich immer sagen: In meinem Bereich, dort versuche ich es."
Zum Verhältnis von Gerechtigkeit und Barmherzigkeit erklärte die aus bäuerlichem Milieu stammende ehemalige Höchstrichterin, "ich glaube nicht, dass das Gegensätze sein müssen". Gerechtigkeit sei ein Ur-Bedürfnis des Menschen und unabdingbar für das Zusammenleben. Barmherzigkeit sei eine "höhere Stufe", nicht einklagbar, ein "Geschenk", während man Gerechtigkeit sehr wohl aufgrund der Menschenwürde einfordern könne. Griss: "Für ein gutes Zusammenleben braucht es beides, aber die Grundvoraussetzung ist Gerechtigkeit. Dazu soll die Barmherzigkeit kommen."
Zu ihren politischen Plänen teilte die einzige Frau bei der jüngsten Hofburgwahl, der im ersten Wahlgang rund 19 Prozent der Wähler ihre Stimme gaben, sie habe Angebote von verschiedenen Seiten, "mitzuarbeiten und etwas zu unterstützen". In den nächsten Wochen wolle sie entscheiden, "was sinnvoll ist". In Österreich stünden im Oktober Nationalratswahlen an, "und da glaube ich schon, dass ich mich engagieren werde".
Quelle: kathpress