Gotteshäuser faszinieren auch heute Jung und Alt
Auf die anhaltende Faszination, die christliche Gotteshäuser auf die Menschen ausüben, hat der Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer hingewiesen. Kirchen und ihre Türme verkörperten "eine ethische, soziale, spirituelle und zugleich ästhetische Instanz", sagte der Bischof am Freitagabend bei einer Veranstaltung im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen". Allein durch ihre bauliche Präsenz vermittelten Kirche "schweigend ein stilles Wissen aus Erfahrungen und Zukunftshoffnungen", meinte Scheuer: Sie faszinieren Jung und Alt, die Gebliebenen und die Besucher, die Romantiker und die Modernen, die Gläubigen und die Nichtgläubigen."
Scheuer äußerte sich bei einem Podiumsgespräch im Linzer Mariendom. Zusammen mit der an der Katholischen Privat-Universität (KU) Linz lehrenden Expertin für Architekturgeschichte, Anna Minta, ging er unter anderem der Frage nach, was "Kathedralen der Moderne" sind und welche Bedeutung sakrale Räume heute haben. Weitere Teilnehmer des Gesprächs waren die stellvertretende Leiterin des Kunstreferat der Diözese Linz, Martina Gelsinger, sowie Dompfarrer Maximilian Strasser.
Kirchen seien auch deswegen besondere Orte, weil Menschen in diese ihr Herz hineinlegten - von der Hochzeit bis zum Gebet zu Gott und mitten im Leben mit all seinen Abgründen, so Bischof Scheuer. Räume würden geprägt von dem, was Menschen dort tun. Auch Pilgerwege seien deshalb geprägte Orte, weil sich dort das Glück, die Sehnsüchte und Nöte der Menschen verleiblichten. Die Logik des Glaubens sei keine Markt-, sondern eine Beziehungslogik, betonte Scheuer. Kirchenräume dürften aber nicht nur Gemeinschaft vermitteln, sondern sollten auch den Einzelnen spüren lassen "Ich bin wer".
Minta erklärte, dass nur die Bedeutungszuschreibung ein Gebäude zu einem sakralen Ort werden lasse. Licht, Kunst und Architektur sind aus Sicht der Expertin dafür Hilfsmittel. "Die Herausforderung für die Kirche ist mehr zu bieten als den Einkaufsrausch im Shoppingcenter oder das Event im Fußballstadion. Kirche muss mehr leisten als eine mystische Atmosphäre", hob die KU-Architekturprofessorin hervor.
Diese Botschaft des Raumes betonte auch Dompfarrer Strasser am Beispiel der gotischen Architektur des Mariendoms. Die nach dem Fassungsvermögen größte Kirche Österreichs sei nie so schön wie in der Osternacht, wenn ihr Innenraum von 500 Kerzen erhellt werde. Kirchen erlebe sie dann als "stimmig", wenn Geschichte und Gegenwart ein harmonisches Ganzes ergeben, meinte die diözesane Kunstreferentin Gelsinger. In Gotteshäusern werde Glaube gelebt. Darum seien Neugestaltungen von Sakralräumen auch immer Impulse für die Pastoral, oft gemeinschaftsstiftend und identitätsbildend. Als Kunsträume wiederum böten Kirchen eine Reibefläche für die Gesellschaft.
Abschließend stellte Dompfarrer Strasser die geplante Neugestaltung des Innenraums des Linzer Mariendoms vor, die Mitte Juni beginnt. Herzstück der ein halbes Jahr dauernden Arbeiten im Mariendom wird die Verlegung des zentralen Altarraums der Kathedrale vom Bereich vor dem historischen Hochaltar in die Vierung sein. Der Altar rückt dabei näher an die Kirchenbänke, der gesamten Feiergemeinde wird ermöglicht, sich um den Altar und den Ort der Verkündigung des Wortes Gottes (Ambo) zu versammeln. Die bisherige Längsausrichtung der Kirche wird aufgegeben, um dem Communio-Verständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils zu entsprechen. Die "Wegkirche", die einlade, von hinten nach vorne zu gehen, bekomme einen Versammlungsort als Kreis, beschrieb Strasser die Neugestaltung. Für ihn schaffen die geplanten Umbauten eine "Balance von Wort und Sakrament um eine offene Mitte - eine Offenheit für das, wovon der Mensch betroffen ist".
Quelle: kathpress