Gedeckelte Mindestsicherung verschärft Familien-Armut
Vor einer Deckelung der Mindestsicherung für Familien, die am 8. Juni 2017 im oberösterreichischen Landtag beschlossen werden soll, hat der Linzer Caritasdirektor Franz Kehrer eindringlich gewarnt. Dies wäre "eine weitere Maßnahme zur Förderung der Armut in Oberösterreich", kritisierte er die Pläne der ÖVP-FPÖ-geführten Landesregierung. "Familien mit mehreren Kindern, die diese Kürzung hart treffen wird, sind bereits jetzt von einem erhöhten Armutsrisiko betroffen", so Kehrer.
25 Prozent der Familien in Österreich mit drei und mehr Kindern seien armutsgefährdet. "Wer Familienarmut in Kauf nimmt, setzt damit eine Armutsspirale mit Langzeit-Wirkung in Kraft", wies Kehrer hin. Denn das "Erbe Armut" pflanze sich meistens weiter fort - durch schlechtere Bildungs- und spätere Jobchancen der Kinder.
Durch die bei der Deckelung vorgesehenen Ausnahmeregelungen seien zwar weniger Personen betroffen als befürchtet. Für den Caritasdirektor stelle sich aber die Frage, "ob der Verwaltungsaufwand durch die komplizierte Neuregelung nicht mehr kostet, als auf der anderen Seite eingespart wird". Die Vertreter von FPÖ und ÖVP betonten aber ohnehin, dass es ihnen in erster Linie um ein "Signal" gehe, so Kehrer; Mindestsicherung solle nur eine Überbrückungshilfe sein. "Das ist sie auch derzeit bereits - denn Voraussetzung für den Bezug ist das Bemühen um Arbeit und die Annahme jedes zumutbaren Jobangebotes." Die durchschnittliche Bezugsdauer von Mindestsicherung in Oberösterreich beträgt nach Caritas-Angaben im Schnitt 7,5 Monate.
"Dient nur populistischen Zwecken"
"Die Deckelung scheint nur populistischen Zwecken zu dienen, um eine Sozialleistung und ihre Bezieher in Misskredit zu bringen", ärgerte sich Kehrer. Ihnen werde unterstellt, dass sie sich in der sozialen Hängematte ausruhen und nicht arbeiten wollten. Dabei erhielten Familien mit mehr als drei Kindern, die in den Caritas-Sozialberatungsstellen Hilfe suchen, in der Regel nur eine Zuzahlung aus der Mindestsicherung. Die meisten hätten Arbeit oder beziehen Arbeitslosengeld, erhalten aus der Mindestsicherung allerdings eine Aufstockung, weil sie so wenig verdienen. Oder, so Kehrer weiter, sie hatten vor ihrer Arbeitslosigkeit einen geringen Verdienst, wodurch auch das Arbeitslosengeld geringer als der Betrag der Mindestsicherung ist. "Die Konsequenz daraus müsste eigentlich lauten, dass die Löhne angehoben bzw. Jobs geschaffen werden, von denen man leben kann."
Der Linzer Caritas-Chef würde sich beim Thema Deckelung der Mindestsicherung wünschen, "dass die Entschlusskraft und Geschwindigkeit, die für diesen Beschluss von den Regierungsparteien an den Tag gelegt wird, auch bei Dingen Anwendung findet, die den Menschen unter den Nägeln brennen - wie zum Beispiel die Schaffung von leistbarem Wohnraum angesichts ständig steigender Mietpreise". Seit Jahren warte die Caritas hier auf wirkungsvolle Maßnahmen der Landesregierung.
Wo blieb Begutachtungsverfahren?
Auch die Armutskonferenz äußerte Kritik im Vorfeld des drohenden Landtagsbeschlusses: In ihrer Aussendung am Dienstag sah das Bündnis, dem auch mehrere kirchliche Organisationen angehören, Kinder und ihre Zukunftschancen bedroht. Die angekündigten Einschnitte würden "zahlreiche persönliche Notlagen, gesellschaftliche Folgen samt Folgekosten mit sich bringen."
Kritik übte die Armutskonferenz schon am Prozedere der Gesetzwerdung: Anders, als es bei einer grundrechtlichen Frage angemessen wäre, werde hier ein Begutachtungsverfahren vorenthalten. "So hat es eine kritische Öffentlichkeit und die Betroffenen selbst schwer, die Vorhaben überhaupt wahr zu nehmen und zu diskutieren. Darunter wird dann auch die Qualität leiden", befürchtete die Armutskonferenz.
Die oberösterreichische Maßnahme zeige ein Muster in der Geschichte der Armut: Seit hunderten Jahren würde immer wieder "die jeweilige Verlierergruppe eines grundlegenden sozialen Wandels für ihre verschlechterte ökonomische Lage selbst verantwortlich gemacht, beschnitten und herabgewürdigt".
Quelle: kathpress