Kirchenoper über Judas Iskariot beim Festival Retz
Das niederösterreichische Festival Retz "Offene Grenzen" nähert sich im Sommer einer höchst widersprüchlichen Figur aus dem Neuen Testament an: War Judas Iskariot der verdammenswerte Verräter der kirchlichen Tradition "oder doch Teil der Fügung in einem übergeordneten, göttlichen Plan"? In seiner eigens für das Festival im Weinviertel komponierten Kirchenoper optiert der niederösterreichische Komponist Christoph Ehrenfellner für Zweiteres: Er entferne die "Überlagerungen von nahezu zweitausend Jahren Kirchen- und Menschheitsgeschichte und macht dadurch den leidenschaftlich liebenden und zugleich fanatisch glaubenden Menschen hinter der Legende sichtbar", heißt es in einer Ankündigung der Premiere in Retz.
Nach der Uraufführung von "Judas" am Donnerstag, 6. Juli 2017, um 19:30 Uhr, in der Stadtpfarrkirche St. Stephan sind weitere fünf Aufführungen der Kirchenoper geplant. Die Titelpartie wird von Günter Haumer gesungen, der zuletzt als Don Giovanni an der Volksoper Wien wie auch davor beim Konzertereignis "Christmas in Vienna" überzeugte. Weitere Gesangsstars sind Ursula Langmayr als Cyborea, Sandra Trattnigg als Claudia Procula sowie Stephen Chaundy als Pilatus wie auch als Dysmas. Die musikalische Leitung liegt wie zuletzt in den Händen von Andreas Schüller, Regie führt erneut Monika Steiner.
Ausgehend von der Titelfigur der Kirchenoper widmet sich auch das Literaturprogramm in Retz der Person des Judas: Michael Köhlmeier wird am 7. Juli "Geschichten von der Bibel" erzählen, am 8. Juli liest der Schauspieler Bernhard Schir aus "Judas", dem aktuellen Buch des vielfach preisgekrönten Schriftstellers Amos Oz. Den Ausgangspunkt für Franzobels Roman "Das Floß der Medusa", aus dem er am 15. Juli lesen wird, bildet eine historisch belegte Geschichte: 15 von ursprünglich 147 Menschen überleben zwei Wochen lang auf offener See - ein hochaktuelles, humanitäres Thema. Am letzten Literaturabend in Retz greifen die Harfenistin Lucie Delhaye und der Schauspieler Alexander Löffler eine Verteidigungsrede von Walter Jens auf und kreieren am 22. Juli mit "Der Fall Judas" einen Abend im Spannungsbogen zwischen philosophischem Diskurs und improvisierter Musik.
Premiere für die "Ouverture Spirituelle"
Der kulturelle Brückenschlag zwischen Österreich und Tschechien wird in diesem Sommer mit vier vorangestellten Konzerten im Rahmen einer "Ouverture Spirituelle" in Kooperation mit dem Concentus Moraviae gefeiert. So stehen bereits am Pfingstwochenende, von 3. bis 6. Juni, im Dominikanerkloster Meisterwerke sakraler Musik vom Mittelalter bis zur Gegenwart auf dem Programm. Die Wanderung zum Heiligen Stein mit dem traditionellen Zymbalkonzert findet am Samstag, den 8. Juli statt. Eine Woche später, am 15. Juli, spielt der tschechische Starviolinist Pavel Sporcl Werke von Johann Sebastian Bach und Ignaz Franz Biber. Und am Samstag, den 22. Juli, stehen unter der Leitung von Roman Valek zwei Kompositionen des Frühbarock, die "Historia der Geburt Christi" und "Die sieben Worte Jesu am Kreuze" von Heinrich Schütz, auf dem Programm. (Info zum Gesamtprogramm: www.festivalretz.at)
Quelle: kathpress