Ökumene von Christen aus Großkirchen und Pfingstgemeinden wächst
Das bevorstehende Großtreffen zum 50-Jahr-Jubiläum der Katholischen Charismatischen Erneuerung (CE) in Rom soll im Zeichen einer sich vertiefenden "Ökumene im Heiligen Geist" stehen, die aus Christen aller etablierten Kirchen sowie der Pfingstgemeinden besteht: Das sagte der Verantwortliche für das Gemeinden-Netzwerk "European Network of Communities", Diakon Johannes Fichtenbauer, in einem "Kathpress"-Gespräch am Mittwoch in Wien. Fichtenbauer spricht im Rahmen der römischen Jubiläumswoche am Donnerstag, 1. Juni, in der Lateranbasilika.
Prominentester österreichischer Vertreter ist Kardinal Christoph Schönborn, der bei den Vigilfeiern am 2./3. Juni sprechen wird. Papst Franziskus kommt zur ersten Vigil - am 2. Juni - zum Circus Maximus, der als Veranstaltungsort für die großen Feiern dient. Mehr als 50.000 Teilnehmer werden erwartet.
Die Offenheit für Ökumene, Freikirchen eingeschlossen, sei in der Charismatischen Erneuerung zwar nie verloren gegangen, sagte Fichtenbauer. Aber die CE habe sich aus einem stürmischen Aufbruch, der sie im ersten Jahrzehnt gekennzeichnet habe, zu einer "braven" katholischen Gebetsbewegung entwickelt und dabei einen Teil ihrer Ursprungscharakteristika - Handauflegung, Taufe im Heiligen Geist und Heilungsgebet - vergessen. Papst Franziskus habe aber bereits in seiner argentinischen Zeit - nach anfänglicher großer Skepsis der CE gegenüber - erkannt, dass die Charismen wichtig seien und dass eine ökumenisch offene CE Dimensionen der Kirche der Zukunft aufweise.
"Es geht im Tiefsten um eine prophetische Wirklichkeit, die auf eine Umgestaltung der Gesellschaft, einen biblischen Lebensstil zielt", so der Wiener Diakon. Die Zusammenarbeit mit den Pfingstströmungen der anderen Kirchen und mit der freikirchlichen Pfingstbewegung - sie ist der Ursprung der anglikanischen Erneuerung, aber auch der katholischen Charismatischen Erneuerung - solle beim Jubiläum wieder zum Ausdruck gebracht werden. Dies sei auch ein ausdrücklicher Wunsch des Papstes an die Organisatoren gewesen.
Heute gehörten mehr als 600 Millionen Christen den Pfingstkirchen an, berichtete Fichtenbauer. Die meisten seien in Afrika, Asien und Lateinamerika. Die Stärke der Katholischen Charismatischen Erneuerung werde allgemein mit ca. 110 Millionen angegeben. In Österreich bestehe der harte Kern aus weniger als 2.000 in der Erneuerung Engagierten, dazu kämen aber mehrere Tausend, die Glaubenserneuerungskurse in der Spiritualität der CE absolviert hätten.
Berufungen und Aufbrüche
Große Bedeutung habe die CE bei Priester- und Ordensberufungen und innerhalb der Gruppe der kürzlich ernannten Bischöfe. Rund ein Drittel davon komme aus der CE, wobei Fichtenbauer namentlich Erzbischof Franz Lackner und den Krakauer Weihbischof Grzegorz Rys erwähnte. Die CE habe jedoch nie das Ziel gehabt, eine Organisation innerhalb des Klerus zu sein. Sie habe eine enge innere Verbindung mit dem von Papst Franziskus verkündeten Priesterbildes eines vom Geist Jesu geformten Seelsorgers ohne "klerikalen Touch".
International gesehen gebe einen faszinierend starken Zustrom zur CE in der Ukraine, berichtete Fichtenbauer. "Wenn man nach den Gründen für die Hinwendung fragt, kann man immer wieder hören: Ihr seid die einzigen, bei denen wir uns sicher sind, dass nicht Korruption euer Handeln bestimmt", so Fichtenbauer. Die charismatischen Gruppen seien zum Großteil innerhalb der UGKK (Ukrainische griechisch-katholische Kirche) beheimatet.
In der Slowakei gebe es wiederum mehrere Politiker mit Verwurzelung in der CE, berichtete der Netzwerk-Verantwortliche. Sie betonten, dass politisches Handeln "Teil unseres Auftrags ist". Dies werde auch von den maßgeblichen Stimmen in der CE so gesehen.
Allerdings sei eine Entwicklung zu einer engen Verbindung von Politik und Religion, wie in einigen lateinamerikanischen Pfingstkirchen, nicht zu befürworten. Diese Kirchen müssten noch die diesbezüglichen Negativerfahrungen Europas durchmachen.
Fichtenbauer plädiert jedoch insgesamt für eine Korrektur der in der katholischen Kirche häufig anzutreffenden Abqualifizierung der Pfingstkirchen. Sie seien aus einer Ablehnungserfahrung von Marginalisierten - anfangs Afroamerikaner - seitens der etablierten Kirchen entstanden und verdienten grundsätzlich Wertschätzung als Glaubensgeschwister.
Viele Pfingstkirchen zeigten zwar heute Anzeichen eines problematischen Wertekanons - Betonung von Glaube und Gewinn, Glaube und permanenter Wunderzwang -, aber es gebe heute viel mehr korrigierend wirkende Kooperation mit Katholiken als noch vor wenigen Jahren. Fichtenbauer erwähnte dabei die von Erzbischof Jorge Bergoglio - dem heutigen Papst - in Argentinien initiierte Begegnungsplattform CRESCES (Comunion Renovada de Evangelicos y Catolicos en el Espiritu Santo) und die Kooperationen von Katholiken und Pfingstlern in der brasilianischen Kommunalpolitik.
Joahnnes Fichtenbauer wurde 1956 in Wien geboren und studierte katholische Theologie. Er und seine Frau waren schon in den Anfängen der Charismatischen Erneuerung in den 1970er-Jahren engagiert und sind Mitbegründer der ökumenischen Kommunität "Umkehr zum Herrn". Nach dem Theologiestudium in Wien unterrichtete Fichtenbauer 15 Jahre bei den "Theologischen Kursen" der Erzdiözese Wien Fundamentaltheologie, Kirchengeschichte und Pastoraltheologie. 1995 wurde Fichtenbauer nach seiner Diakonatsweihe durch Kardinal Christoph Schönborn zum Ökumenebeauftragen für die Freikirchen bestellt. Seit 1997 ist er auch Leiter des Diakonen-Seminars der Erzdiözese Wien. Seit 1997 ist er Mitglied im Leitungsrat von "Towards Jerusalem Council II", einer internationalen Initiative zur Versöhnung zwischen den christlichen Kirchen und der weltweiten Messianisch-Jüdischen Bewegung. Seit der Gründung 1998 ist er außerdem Präsident des "European Network of Communities" (ENC), einem Dachverband ähnlich gesinnter Kommunitäten in West- und Osteuropa. Daneben diene ich in zahlreichen internationalen Arbeitsgruppen, die sich der Zusammenarbeit von historischen Kirchen und Freikirchen widmen.
Quelle: kathpress