Für Christen keine Alternative zum Assad-Regime
Die Christen in Syrien unterstützen das Regime von Präsident Bashar Assad allein aus dem Grund, weil sie keine Alternative haben. Das betont der Salzburger Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler. "Wenn Assad fällt, was passiert dann? Der Einfluss des fundamentalistischen Islam ist im Land bereits so stark, dass es für die Christen dann ganz düster aussehen würde", so Winkler wörtlich in einem Interview in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Information Christlicher Orient". Sogenannte "gemäßigte" Rebellen gibt es laut Prof. Winkler in Syrien de facto nicht.
"Im Krieg gibt es keine Waisenknaben", so Winkler. Kriegsverbrechen würden von allen Seiten begangen. Und wenn von mancher Seite das Assad-Regime als unschuldig dargestellt wird, stimme das natürlich auch nicht. Aber, so Winkler: "Die lokalen Bischöfe sagten und sagen mir immer wieder in Gesprächen: Was ist die Alternative für die Christen? Wer schützt die Christen, wenn nicht das Assad-Regime? Welche Perspektiven gibt es überhaupt?"
Natürlich sei das Assad-Regime eine Diktatur mit einer "gefürchteten und brutalen" Geheimpolizei. Und trotzdem: "Vor dem Krieg war Syrien ein relativ stabiler Staat unter der Herrschaft des säkularen Baath-Regimes. Wer sich an den vorgegebenen politischen Rahmen hielt, konnte seine Religion frei leben." Das Verhältnis zwischen den Religionen - Sunniten, Alawiten, Christen oder Drusen - sei ein relativ gutes Nebeneinander und oft auch ein Miteinander gewesen.
Dazu komme die Beobachtung: "Dort wo das Assad-Regime nach wie vor oder nun wieder an der Macht ist, so wie beispielsweise in Aleppo, dort ist die Lage wieder stabiler geworden." Nachdem die Assad-Truppen ganz Aleppo unter Kontrolle gebracht hatten, konnten die Christen dort wieder relativ sicher Ostern feiern. "Das war vorher so nicht der Fall. Und das ist auch der Blickpunkt der Christen", so Winkler.
Dabei dürfe man aber auf keinen Fall sagen, dass die Christen mit dem Assad-Regime kollaborieren. Dafür seien sie auch eine viel zu kleine Minderheit. "Eigentlich sind sie seit vielen Jahrhunderten ein Spielball in Händen der jeweiligen Herrscher vor Ort. Und irgendwie mussten sie immer das Auskommen mit den Herrschenden suchen." Deshalb sei es auch nur allzu verständlich, dass Christen an der Gründung der säkularen Baath-Bewegung in Syrien in den 1940er und 1950er-Jahren beteiligt waren. Eine säkulare Politik, die weitgehend Religionsfreiheit einräumt, sei schließlich in einem muslimischen Umfeld die beste Variante für die Christen, zeigte sich Winkler überzeugt.
Das sei natürlich keine Freiheit bzw. Demokratie nach westlichem Muster, räumte der Ostkirchenexperte ein, Man müsse aber vorsichtig sein, westliche demokratische Vorstellungen auf Länder im Nahen Osten zu projizieren. Winkler: "Europa hat 500 Jahre Aufklärung und Reformation inklusive der damit verbundenen Religionskriege durchgemacht. Das Ergebnis dieser europäischen Entwicklung kann man nicht einem anderen Land und seiner Bevölkerung einfach von heute auf morgen überstülpen. Das funktioniert nicht." Die Schaffung eines demokratischen Bewusstseins in der Bevölkerung sei ein langer und schwieriger Prozess.
Kein Bürgerkrieg in Syrien
Die Frage, ob der Syrien-Krieg ein Bürgerkrieg sei, verneinte Winkler. Der Krieg sei von außen in das Land getragen worden. "Und es sind die vielen Mächte von außen, die ihre eigenen Interessen verfolgen: die Amerikaner, denen es um Öl geht, die Russen, die ihre Basis im Mittelmeerraum nicht verlieren wollen, der Iran, der seinen Einfluss zum Mittelmeer ausdehnen will; Saudi Arabien, das seine Art des sunnitischen Islam in Syrien und sich als Regionalmacht etablieren will, oder auch die Türkei, die vor allem auch gegen die Kurden operiert."
Und von allen Seiten würden Waffen geliefert und werde der Krieg nach wie vor befeuert. Winkler: "Der Unterschied ist, dass wir es bei den Russen genau wissen, dass und wie sie Assad unterstützen, bei den anderen internationalen Akteuren, militärischen Beratern, Spezialeinheiten und Rebellengruppen ist das nicht so deutlich zu erkennen." Deutlich sei aber, "dass der Waffennachschub von außen für alle Seiten nach wie vor funktioniert, sonst wäre der Krieg längst zu Ende." Ganz klar sei auch, "dass sich die christlichen Führer wieder und wieder für ein Ende der Gewalt und ein Ende der Interventionen von außen ausgesprochen haben".
Die Zeitschrift "Information Christlicher Orient" wird von der "Initiative Christlicher Orient" (ICO) herausgegeben, erscheint vier Mal im Jahr und informiert über die Situation der Christen im Nahen und Mittleren Osten. Die ICO ist darüber hinaus mit zahlreichen Hilfsprojekten vor Ort im Einsatz. Insgesamt 57 Projekte mit einer Gesamtsumme von 380.000 Euro konnte das Hilfswerk 2016 umsetzen. Die beiden Schwerpunktländer sind Syrien und der Irak.
(Infos: www.christlicher-orient.at)
Quelle: kathpress